Berlin/Paris (csr-news) > Mehr als fünf Jahre nach der Finanzkrise verschlechtert sich die soziale Lage in zahlreichen OECD-Ländern durch hohe Arbeitslosigkeit und Einkommensverluste. Die Finanzkrise hat eine Sozialkrise entfacht. Wie die jüngste Ausgabe des OECD-Berichts “Gesellschaft auf einen Blick” zeigt, lastet die Krise heute häufig auf jenen, die vor 2008 am wenigsten vom Wachstum profitiert haben.
So hat sich die Anzahl von Menschen, die in einem Haushalt ohne Arbeitseinkommen leben, in Griechenland, Irland und Spanien verdoppelt. Auch haben Geringverdiener-Haushalte in vielen OECD-Ländern im Verhältnis die größten Einkommensverluste hinnehmen müssen. Besonders hart traf es hier Estland, Italien, Griechenland, Irland und Spanien. Der Anteil an Menschen, die angaben, nicht immer genug Geld zu haben, um ausreichend Essen zu kaufen, stieg im OECD-Durchschnitt um zwei Prozentpunkte auf 13,2 Prozent. „Der Wirtschaftsaufschwung allein wird nicht ausreichen, um die soziale Spaltung zu überwinden und jenen wieder auf die Füße zu helfen, die es am härtesten getroffen hat“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. „Die Regierungen müssen wirksamere sozialpolitische Maßnahmen ergreifen, um für künftige Krisen vorzubauen. Sie sollten auf jeden Fall der Versuchung widerstehen, Reformen zu verschieben, nur weil die wirtschaftliche Erholung beginnt Fuß zu fassen.“
Deutschland, Österreich und die Schweiz stehen im internationalen Vergleich verschiedener Sozialindikatoren gut da: Die Arbeitslosigkeit liegt in allen drei Ländern bei etwa der Hälfte des OECD-Durchschnitts. Die verfügbaren Haushaltseinkommen in der Schweiz gehören zu den höchsten innerhalb der OECD. In Deutschland und Österreich sind sie in den ersten Jahren der Krise (2007 bis 2010) auch stärker gewachsen als die Inflation. Die Einkommensungleichheit ist geringer als im Schnitt der OECD-Länder: Der Abstand zwischen den zehn Prozent der Bevölkerung mit dem geringsten und den zehn Prozent mit dem höchsten Einkommen ist mit dem Faktor 5,9 (AT); 6,7 (DE) und 7,3 (CH) erheblich kleiner als im OECD-Mittel (9,5). Allerdings hat sich die Lücke in Österreich während der Krisenjahre etwas vergrößert. Wie in den meisten OECD-Ländern sind die Sozialausgaben seit 2007 auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestiegen und liegen, bis auf die Schweiz, erheblich über dem OECD-Durchschnitt von 21,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Österreich fließt ein Großteil des Geldes in Renten, und auch in Deutschland fallen die Rentenkosten mit einem Viertel der Gesamtausgaben für Soziales weit höher aus als im Durchschnitt der OECD-Länder. Die finanzielle Herausforderung der Bevölkerungsalterung dürfte sich in Deutschland durch ein weiteres Sinken der Geburtenrate, auf jetzt 1,36 Kinder pro Frau, verschärft haben. Schon heute kommen auf jede Person über 65 Jahre kaum drei Menschen im erwerbsfähigen Alter, 2050 werden es nur noch halb so viele sein. Einzig in Japan ist das Verhältnis zwischen Erwerbsfähigen und Ruheständlern noch ungünstiger.
“Gesellschaft auf einen Blick 2014” geht davon aus, dass die Sozialausgaben in der OECD nach ihrem vorübergehenden Anstieg in den ersten Krisenjahren in vielen Staaten unter den Druck der Haushaltskonsolidierung geraten. Der Bericht fordert die Regierungen auf, eventuelle Kürzungen sehr vorsichtig vorzunehmen und den sozialen Zusammenhalt im Blick zu behalten. Dazu sei es notwendig, Investitionen und sozialpolitische Maßnahmen auf die Bedürftigsten zuzuschneiden. Auch sei es wichtig pauschale Einschnitte zu vermeiden, unter denen vor allem die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft oder Alleinerziehende leiden würden. Wohn-, Familien- oder Kindergeld sind für diese Gruppen häufig elementar, und unbesonnene Kürzungen in Bereichen wie Kinderbetreuung oder beruflichen Eingliederungsmaßnahmen könnten die Arbeits- und Entwicklungschancen ganzer Generationen gefährden. „Gesellschaft auf einen Blick“ gewährt einen Überblick über soziale Trends und politische Entwicklungen in OECD- und ausgewählten Schwellenländern. Der Bericht nutzt Indikatoren von der OECD und aus anderen Quellen. Die vorliegende Ausgabe enthält auch neue Informationen zum Vertrauen der Bürger in Institutionen, zur Kriminalität, zur Krankenversicherung und dem subjektiven Gesundheitszustand, sowie zum Bezug von Arbeitslosenunterstützung.
Der vollständige Bericht zum Download.