Luxemburg (csr-news) > Alle zwei Jahre veröffentlicht Eurostat, das statistische Amt der EU, seinen Fortschrittsbericht zur nachhaltigen Entwicklung in der Europäischen Union. Gestern wurde er zum fünften Mal veröffentlicht und er zeigt ein höchst unterschiedliches Bild. Während sich die Verbreitung der erneuerbaren Energien positiv entwickelt, sind bei der sozialen Integration eher Rückschritte zu erkennen.
Gibt es eine Verringerung der Schadstoffemissionen in der EU? Hat sich das Konsumverhalten verändert? Steigt die Lebenserwartung? Hat sich die Beschäftigungsquote für ältere Mitarbeiter erhöht? Wie steht es um den Klimaschutz? Zahlreiche Fragen über die der Fortschrittsbericht zur nachhaltigen Entwicklung in der Europäischen Union Auskunft geben soll. “Der Eurostat Fortschrittsbericht, unter Verwendung der Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung in der EU, bietet ein objektives, statistisches Bild des Fortschritts im Hinblick auf die Ziele der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung. Ich hoffe, die fünfte Ausgabe dieser Veröffentlichung leistet einen wertvollen Beitrag der Europäischen Union zur globalen Debatte über die Zukunft der nachhaltigen Entwicklung und über zukünftige Herausforderungen, die vor uns allen liegen – den Bürgern, den Politikern und den Statistikern“, schreibt Eurostat-Chef Walter Rademacher im Vorwort.
Die Indikatoren der nachhaltigen Entwicklung sind in zehn verschiedene Themenbereiche eingeteilt: sozioökonomische Entwicklung, nachhaltige Konsums- und Produktionsstrukturen, soziale Eingliederung, demografische Veränderungen, öffentliche Gesundheit, Klimawandel und Energie, nachhaltiger Verkehr, natürliche Ressourcen, globale Partnerschaft und gute Staatsführung. Insgesamt wurden mehr als 100 Indikatoren ausgewertet, von denen zwölf als Leitindikatoren ausgewählt wurden, die ein Gesamtbild darüber bieten, ob die EU in Bezug auf nachhaltige Entwicklung Fortschritte gemacht hat. Der Fortschritt wird daran gemessen, wie vorteilhaft oder nachteilig die Entwicklungen in den letzten Jahren waren. Analysiert wurde die Entwicklung seit dem Jahr 2000, immer mit den jüngsten zur Verfügung stehenden Daten.
Die wichtigsten Trends in der sozioökonomischen Entwicklung:
Durch die anhaltende Wirtschaftskrise hat sich das Wachstum in der EU abgeschwächt mit spürbaren Auswirkungen auf das Investitionsverhalten der Wirtschaft und die Sparquote der privaten Haushalte. Dennoch konnte die Produktivität gesteigert werden, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung blieben stabil und der Energieverbrauch hat sich weiter vom Wachstum entkoppelt. Dadurch hat sich die Entwicklung am Arbeitsmarkt, von regionalen Besonderheiten abgesehen, sichtbar verbessert.
Die wichtigsten Trends beim Konsumverhalten und in der Produktion:
Deutliche Verbesserungen wurden bei der Ressourceneffizienz erreicht. Während 2000 aus einem Kilogramm Material ein Wert von 1,34 Euro geschaffen wurde, wurden 2011 schon 1,60 Euro erreicht. Das deutet auf eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch hin. Unklar ist jedoch, ob es sich um eine Trendwende handelt oder nur um einen vorübergehenden Effekt. Der steigende Recyclinganteil an den Abfällen bestätigt diese Entwicklung. Bei der Abfallbeseitigung gibt es dagegen deutliche Unterschiede in der EU. Während in Deutschland und Schweden die Deponierung von Abfällen bei rund einem Prozent liegt, setzen Länder wie Rumänien und Bulgarien hauptsächlich (90 Prozent) auf diese Art der Entsorgung. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei bestimmten Schadstoffemissionen wie etwa Schwefeloxide. Trotz immer effizienterer Haushaltsgeräte steigt der Stromverbrauch der privaten Haushalte seit 1990 kontinuierlich an. Dies ist zum einen auf die Zunahme der Haushalte zurückzuführen, aber auch auf den sogenannten ‚rebound effect’. Durch die bessere Effizienz werden mehr Geräte nachgefragt oder umfangreicher eingesetzt, wodurch die gesteigerte Effizienz wieder neutralisiert wird. Weil der Gesamtenergieverbrauch in den letzten Jahren stagnierte, lässt sich derzeit nicht erkennen, ob wirklich eine Verhaltensänderung eingesetzt hat. Ein verstärktes Bewusstsein ist dagegen in der Produktion und der Landwirtschaft zu erkennen. Immer mehr Unternehmen und Landwirtschaftsbetriebe integrieren Nachhaltigkeit in ihre Abläufe. Dagegen ist die Zahl der Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind, gestiegen. Immerhin auf ein Viertel (124 Millionen Menschen) der Gesamtbevölkerung trifft dies zu. Diese Entwicklung gefährdet die in der Europa-2020-Strategie vereinbarten Ziele. Immerhin 80 Millionen Menschen sind auf Sozialtransfers angewiesen. Demgegenüber hat sich die Einkommensungleichheit in Europa nicht verändert. Dagegen hat sich das geschlechtsspezifische Gehaltsgefälle verbessert, auch wenn Frauen im Durchschnitt immer noch rund 16 Prozent weniger verdienen als Männer. Europaweit hat sich der Zugang zu Bildung verbessert, der Anteil der Menschen ohne schulische oder berufliche Ausbildung sinkt kontinuierlich.
Die wichtigsten Trends beim Klimaschutz:
Das wichtige Ziel die klimaschädlichen Treibhausgase bis 2020 um zwanzig Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren ist erreichbar. Die größten Rückgänge wurden in der Fertigungs-, Bau-und Energiewirtschaft erreicht, aber auch in der Landwirtschaft sind Fortschritte sichtbar. Einzig beim Verkehr ist noch keine Besserung in Sicht. Der Primärenergieverbrauch zeigt ein uneinheitliches Bild. Ob die Rückgänge der letzten Jahre eine nachhaltige Wende eingeläutet haben, wird sich erst zeigen, wenn die Konjunktur europaweit wieder anzieht. Deutliche Fortschritte gibt es beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, vor allem im Bereich der Windkraft. Insgesamt kommt inzwischen ein Fünftel des gesamten Stroms in Europa aus regenerativen Energiequellen.
Die wichtigsten Trends beim nachhaltigen Verkehr:
Es gibt noch keine absolute Entkopplung des Energieverbrauchs beim Verkehr vom Wirtschaftswachstum. Zwar ist in den letzten Jahren der Energieverbrauch im Verhältnis zum Wachstum gesunken, in absoluten Zahlen ist der Verbrauch jedoch gestiegen – allerdings weniger als das europäische Bruttoinlandsprodukt. Von einer Entkoppelung kann man erst sprechen, wenn dieser Trend auch bei anziehender Konjunktur anhält.