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NRW-Justizminister gegen „Bauernopfer“: Unternehmensstrafrecht stärkt Compliance

in Unternehmensstrafrecht würde den Firmen selbst zugutekommen. Nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD) gäbe ein solches Gesetz Antwort auf die Frage: „Wie kann man die ehrlich Wirtschaftenden vor den wenigen schwarzen Schafen schützen?“ Auf der gestrigen Tagung in der Evangelischen Akademie in Bonn erfuhr Kutschaty für seinen am 14. November in der Justizministerkonferenz vorgestellten Gesetzesantrag viel Anerkennung, aber auch Widerspruch.

Bonn (csr-news) – Ein Unternehmensstrafrecht würde den Firmen selbst zugutekommen. Nach Ansicht des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty (SPD – Bild oben) gäbe ein solches Gesetz Antwort auf die Frage: „Wie kann man die ehrlich Wirtschaftenden vor den wenigen schwarzen Schafen schützen?“ Auf der gestrigen Tagung in der Evangelischen Akademie in Bonn erfuhr Kutschaty für seinen am 14. November in der Justizministerkonferenz vorgestellten Gesetzesantrag viel Anerkennung, aber auch Widerspruch.

Nach Umfragen sei bereits jedes zweite Unternehmen Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden. Es sei Aufgabe des Justizministers, hier tätig zu werden. Kutschaty: „Nach meiner festen Überzeugung reicht das bisherige System nicht aus.“ Derzeit würden die in Unternehmen unmittelbar Handelnden strafrechtlich belangt, diese Prokuristen oder Abteilungsleiter seien häufig allerdings „Bauernopfer“. Der Minister weiter: „In vielen Fällen hat die Person nicht für sich gehandelt, um das eigene Portemonnaie voll zu machen.“ Zwar könnten Unternehmen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) mit einer Strafe von bis zu 10 Millionen Euro belegt und der durch die Tat erzielte Gewinn abgeschöpft werden. Jedoch: Die Ahndung schwerer Rechtsverstöße durch das OWiG „passt nicht in das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung“ und für manche Konzerne seien 10 Millionen Euro Bußgeld „ein durchaus kalkulierbares Risiko“, so Kutschaty weiter.

Mit einem Unternehmensstrafrecht könnte die Rechtstellung der Beschuldigten im Verfahren verbessert, die Höhe einer Geldstrafe könne dem Ertrag eines Unternehmens angepasst und die Compliance-Bemühungen eines Unternehmens könnten honoriert werden. Als Sanktionen neben einer Geldstrafe sehe das Unternehmensstrafrecht einen Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, eine öffentliche Verkündung der Entscheidung und im äußersten Fall die Auflösung eines Unternehmens vor. „Alle an uns grenzenden Länder haben ein ähnliches Gesetz“, sagte der Minister weiter.

Zukunftsweisend – aber auch überflüssig

Anerkennung zollte dem Gesetzesentwurf der Leiter der Fachgruppe Compliance im Bundesverband für Unternehmensjuristen, Klaus Moosmayer. „Ich finde, dass dieser Entwurf ganz wesentliche und zukunftsweisende Aspekte enthält“, sagte Moosmayer. Wichtig sei es etwa, Unternehmen Anreize für den Aufbau eines Compliance-Systems zu vermitteln. Dennoch hält der Jurist ein Unternehmensstrafrecht für überflüssig, denn entsprechende Regelungen könnten ebenso im OWiG verankert werden. Und: „Die Prangerwirkung, die man zur Abschreckung erzielen muss, ist im Wesentlichen schon da.“ Entscheidender Faktor für Unternehmen sei ihre Reputation, und auch bei den Strafverfahren gegen Mitarbeiter bliebe nicht deren Name, sondern der Name des Unternehmens in Erinnerung. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sehe er zudem die Erweiterung des persönlichen Schuldbegriffs auf Unternehmen kritisch, sagte Moosmayer.

Justiz schon jetzt überlastet

Der Generalbevollmächtigte der SMS GmbH, Meinhard Remberg, sagte, die Ankündigung eines Unternehmensstrafrechts habe im Mittelstand „große Unsicherheit und Angst“ ausgelöst. Denn die Unternehmer beobachteten, dass selbst Konzerne ihre Compliance-Risiken trotz eigener Abteilungen nicht in den Griff bekämen. Mittelständische Unternehmen seien jetzt bereits „mit E-Learning und all diesen modernen Dingen überfrachtet“, so der Compliance-Experte weiter. Skeptisch äußerte sich Remberg dazu, ob die Staatsanwaltschaften und Gerichte selbst den Anforderungen eines weiteren Strafgesetzes gerecht werden könnten: „Die Justiz ist jetzt schon überlastet.“

Ähnlich äußerte sich der Transparency International Deutschland-Vorstand Caspar von Hauenschild. Der Justizminister solle ruhig für eine Verschärfung des OWiG oder für ein Unternehmensstrafrecht eintreten. „Aber verstärken Sie auch die Ermittlungskapazitäten in gleichem Maße“, so von Hauenschild. Es sei schwer erträglich, dass die Vorstände der Hypo Real Estate fünf Jahre nach dem Zusammenbruch und der Verstaatlichung ihrer Bankenholding immer noch auf ihren Prozess warteten.

Weiter sagte von Hauenschild: „Compliance-Management-Systeme ohne eine entsprechende Führungskultur funktionieren einfach nicht.“ Der „Tone of the Top“ – die klare Haltung des Vorstands zur Compliance – sei nicht genug. „Die Kommunikation des Unfalls gehört zum Tone oft he Top“, Unternehmensleiter sollten ihren Mitarbeitern die wichtigsten Revisionsgründe bekanntgeben, so der Transparency-Vorstand. Seitens der Zivilgesellschaft komme ein wachsender Transparenzdruck auf die Unternehmen zu. Von Hauenschild: „Unternehmenskultur ist kein Soft Fact, Unternehmenskultur ist ein Hard Fact.“

Zu der Tagung unter dem Motto „Quo vadis, Compliance?“ eingeladen hatten die Evangelische Akademie im Rheinland und das Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE).

Der Gesetzesentwurf als >> PDF im Internet


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