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Abgeschminkt! Die Bilderwelten der Nachhaltigkeitsberichte

Ausgewogen, verlässlich, vollständig … Wenn es um die Nachhaltigkeitsberichterstattung geht, bestehen klare Qualitätsanforderungen. Ohne diese entsteht schnell der Eindruck des Greenwashings. Bisher werden diese Kriterien selten an die verwendeten Bilderwelten angelegt. Ist dies noch zeitgemäß?

Hamburg (csr-news) – Ausgewogen, verlässlich, vollständig … Wenn es um die Nachhaltigkeitsberichterstattung geht, bestehen klare Qualitätsanforderungen. Ohne diese entsteht schnell der Eindruck des Greenwashings. Bisher werden diese Kriterien selten an die verwendeten Bilderwelten angelegt. Ist dies noch zeitgemäß?

Ein Gastbeitrag von Eike Hellmann und Dr. Annika Martens, Dr. Kleinfeld CEC

Die Zahl der Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte vorlegen, steigt stetig. Waren es im Jahr 2006 270 Unternehmen, so berichteten 2011 850 europäische Unternehmen nach dem Standard der Global Reporting Initiative (Mitteilung der Europäischen Kommission KOM(2011) 681, S. 6). Dieser Trend wird sich voraussichtlich noch verstärken. Einen entscheidenden Anteil daran wird wohl der aktuelle Vorschlag der EU Kommission haben. Dieser sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. € oder einem Netto-Umsatz von mehr als 40 Mio. € verpflichtet werden sollen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen (COM(2013) 207, S. 10).

Neben der Anzahl an Unternehmen, die berichten, ist auch die Anzahl der Berichtsstandards gestiegen. Neben dem De-facto-Standard GRI existieren eine Reihe weiterer Initiativen und Standards, auf die sich ein Unternehmen bei der Berichterstattung berufen kann (z.B. auf den deutschen Nachhaltigkeitskodex, den Fortschrittsbericht des UN Global Compact oder auf dieESG-KPIs der Effas). Das Ziel aller bislang am Markt etablierten Standards ist, ein Set an Maßstäben und Indikatoren vorzugeben, um eine möglichst wahre und ausgewogene Berichterstattung zu ermöglichen.

Konsistent in Schrift und Bild

Doch wie verhält es sich mit den Bildern, die in vielen Nachhaltigkeitsberichten reichlich zu finden sind? Müssten für sie nicht dieselben Maßstäbe gelten wie für den Berichtstext? Kann ein Nachhaltigkeitsbericht, der nur Menschen mit Modellkonfektion und in adretter Kleidung zeigt, wahr und authentisch sein? Sollte ein Nachhaltigkeitsbericht nicht nur eines, nämlich die Wirklichkeit widerspiegeln? Wenn ein Unternehmen diesen Anspruch für seinen Bericht erhebt, sollte es sich auch mit den dargestellten Bildern kritisch auseinandersetzen. Wen zeigen die Fotos? Arbeiten die gezeigten Personen tatsächlich für das Unternehmen? Ist die dargestellte Situation realistisch? Wurden die Fotos nachträglich retuschiert? Und wenn ja, wie stark haben die Fotos an Realität durch die Bearbeitung eingebüßt? In der ISO 26000 – der ersten globalen Umsetzungsnorm zur gesellschaftlichen Verantwortung – findet sich hierzu eigens ein Handlungsfeld „Faire Werbe- Vertriebs- und Vertragspraktiken sowie sachliche und unverfälschte, nicht irreführende Informationen“ (vgl. ISO 26000: 2011, S. 79). Da Bilder elementarer Bestandteil von Werbe- bzw. Vertriebspraktiken sind, müssten diese in der Konsequenz den gleichen Maßstäben genügen wie die Texte.

Spannungsfeld Authentizität und Ästhetik

Verantwortlichen für PR und Marketing auf Unternehmens- wie Agenturseite obliegt einerseits die Verantwortung, ansprechende Nachhaltigkeitsberichte zu gestalten. Andererseits müssen Texte wie Bilder glaubhaft sein und die Realität widerspiegeln. Die Herausforderung besteht darin, zwischen diesen beiden Ansprüchen eine Balance zu finden. Bisher dominieren leider immer noch die Nachhaltigkeitsberichte, die eine stark geschönte Wirklichkeit wiedergeben.

In der klassischen Werbung lässt sich in der letzten Zeit ansatzweise ein Wandel erkennen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Marke Dove. Sie deckt mithilfe eines Videos aktiv das Paradoxon der Bildmanipulation in der Werbefotografie auf. In den letzten Kampagnen der Marke tauchen daher nur Models auf, die nicht den Klischee-Maßen 90-60-90 entsprechen.

Auch im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung hat bei vielen Unternehmen bereits ein Umdenken hin zu mehr Authentizität und Glaubwürdigkeit eingesetzt. Über Nachhaltigkeit und CSR zu berichten, so haben sie erkannt, bedeutet auch, über Verfehlungen zu berichten. Dies erfüllt nicht nur grundlegende Prinzipien der Nachhaltigkeitsberichterstattung – nämlich Transparenz und Ehrlichkeit – sondern vermittelt auch Glaubwürdigkeit. Ein Unternehmen, das diese Anforderung bereits heute in der Praxis umsetzt, ist der VW Konzern. VW berichtet in seinem Nachhaltigkeitsbericht aus dem Jahr 2012 nicht nur über CSR Highlights, sondern auch über sogenannte „CSR Lowlights“. In diesen legt der Konzern seine nicht erreichten CSR-Ziele offen und lässt den interessierten Leser an der Fortentwicklung von CSR teilhaben.

Bedauerlicherweise beschränkt sich dieser Trend bislang nur auf die Texte. Glaubhafte Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte zukünftig Bildwelten nicht mehr nur als stilistisches Beiwerk, sondern als vollwertigen Bestandteil der Berichtsinhalte ansehen. Denn wie auch beim Essen gilt: Das Auge liest mit.


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Kommentar

  • Images versus Bildpolitiken der Nachhaltigkeit
    oder: Ein guter Clown bringt sein Publikum auch ohne Schminke und roter Nase zum Lachen!

    Das starke Interesse und die Bewusstseins- sowie einsetzende Verhaltensänderung der Gesellschaft an dem Thema der Nachhaltigkeit – in den verschiedensten Bereichen – hat die visuelle Kultur, Informationsvermittlung und visuelle Kommunikation beeinflusst. Designer sind Meinungsbildner und Ursprung von Wahrnehmungs- Rezeptions- und Identifikationsprozessen.

    Hat Nachhaltigkeit eine Visualität?, dieser Frage widmet sich das Forschungsprojekt „Sustainability Re-designed“, das Susanne Klaar 2008 an der Zürcher Hochschule der Künste startete. Der Designforschungsansatz ist eine bedeutende Grundlage der zeitgemäßen Kommunikations- und Designkonzepte für Unternehmen, NGO’s und Verbände, die nachhaltig kommunizieren wollen und müssen. Die Nachhaltigkeitsberichte spielen dort ebenfalls eine wachsende Rolle. Dieses Archiv, zeigt die spannende Entwicklung der Bildpolitiken von vielen Farcetten der Nachhaltigkeit auf.

    Daraus hat sich der Ansatz der „Sustainable Identity“ entwickelt. Im Markenkontext bedeutet dies: Ein Unternehmen ist immer „eine Insel mit zwei Bergen“. Ein Berg steht für die Nachhaltigkeit als Ausdruck der Markenkultur. Der andere Berg steht für die Werte als Ausdruck einer starken Markenpositionierung.

    Aber werden beide Berge von den Kunden und Mitarbeitern wirklich als Teil der gleichen Insel wahrgenommen? Im Rahmen dieses Themas bildet sich gerade in Hamburg mit Unterstützung der Hamburg Kreativ Gesellschaft ein Netzwerk.

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