Frankfurt am Main (csr-news) – Der Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin will bis 2020 den Einsatz von Fluorchemie in seiner Lieferkette vollständig verbannen. Dazu legte das mittelständische Textilunternehmen am Donnerstag in Frankfurt einen Fahrplan vor und stellte seine Kooperationen mit dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht und der Hochschule Fresenius vor.
Fluorchemie wird in der Outdoor-Bekleidung verwendet, weil sie deren andauernde Wetterfestigkeit ermöglicht. Elemente wie die C8-PFCs gelten als besonders kritisch, weil sie sich in der Umwelt anreichern, selbst in weiten Entfernungen von den Küsten nachgewiesen und besonders resistent und langlebig sind, so Prof. Ralf Ebinghaus vom Institut für Küstenforschung der Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Das Institut wird Jack Wolfskin bei der Bewertung der Gefährlichkeit von Stoffgruppen unterstützen. Mit der Fresenius Hochschule will der Outdoor-Ausstatter dann gemeinsam an Alternativen für diese Stoffe arbeiten – an denen es bisher fehlt.
Den Ausstieg aus der Fluorchemie will Jack Wolfskin transparent gestalten: Im September sollen die Zulieferer veröffentlicht werden. Bis Ende 2014 soll der Ausstieg aus der C8-Cemie vollzogen sein. Bis Ende 2016 sollen 50 Prozent und bis Ende 2018 dann 75 Prozent der 75 Prozent der gesamten Kollektion PFC-frei sein. 2020 ist das Zieldatum für den völligen Ausstieg, den das Unternehmen unter dem Motto „Wir gehen weiter“ – auch als andere Industrieunternehmen – ankündigt.
Der Chief Operating Officer von Jack Wolfskin, Christian Brandt (Foto), zeigte sich zuversichtlich: „Wir haben eine vollständige Kontrolle über die Materialien, die wir einsetzen.“ Das Ziel sei für alle Zulieferteile und auch für die Prozesse bei Sublieferanten erreichbar. Heute bereits ist Jack Wolfskin Mitglied der Fear Wear Foundation und bluesign®-Systempartner, um den Einsatz von Chemikalien im Herstellungsprozess zu begrenzen. Der Ausstieg aus der Fluorchemie werde zu einer Erhöhung der Materialkosten um drei bis fünf Prozent führen, was marktseitig bei der Preisgestaltung umsetzbar sei, sagte Brandt.
Über die Herausforderungen eines Ausstiegs aus den auch als poly- und perfluorierte Chemikalien (PFC) bezeichneten Stoffen sprach CSR NEWS mit dem Chief Operating Officer:
CSR NEWS: Bis zum Jahr 2020 wollen Sie den Einsatz der Fluorchemie in Ihrer Lieferkette völlig vermeiden. Wie werden Sie es schaffen, die Herstellungsprozesse Ihrer Produzenten ‚bis in den letzten Winkel‘ zu verändern?
Christian Brandt: Die textile Produktion ist hoch komplex, diversifiziert, arbeitsteilig und mehrstufig. Sicherlich durchdringen wir nicht alle Stufen selbst; dazu werden wir die Hilfe von anderen Unternehmen und Organisationen brauchen. Ähnlich haben wir es bei den sozialen Bedingungen und Menschenrechten in der Lieferkette gemacht: Dort hat uns die Fair Wear Foundation dabei unterstützt, Audit- und Zertifizierungsprozesse aufzusetzen. Und dann muss es unsere Zielsetzung sein, dass wir nicht jeden einzelnen Zulieferer selbst auditieren und zertifizieren. Lieferanten könnten sich selbst zertifizieren lassen – etwa wie bei Ökolabeln im Lebensmittelbereich, einem System, auf das sich die Abnehmer verlassen können. Ähnliche Ansätze gibt es auch im Textilbereich; diese Ansätze werden sich weiterentwickeln und wir sehen, wo wir uns dabei mit unseren Ressourcen engagieren werden.
Wie überzeugen Sie ihre Lieferanten davon, sich auf diesen auch mit Kosten und Risiken verbundenen Prozess einzulassen? Verfügt ein Mittelständler wie Jack Wolfskin über die nötige Einkaufsmacht?
Wir wissen, dass das ein steiniger und langer Weg wird. Es ist mithin eine Herkulesaufgabe. Es liegt aber nicht allein am Einkaufsvolumen und an der Einkaufsmacht, ob uns das gelingt. Vielmehr liegt es auch daran, wie wichtig Sie als Kunde sind. Und Jack Wolfskin als führende Outdoorfirma ist für viele Lieferanten ein sehr, sehr wichtiger Kunde. Wir sind eine Leitindustrie, über die sich Lieferanten qualifizieren und in hochwertigere und auch profitablere Produktionsprozesse hineinwachsen können. Ich bin mir sicher, dass viele mitmachen werden. Wir brauchen Ausdauer, Klugheit und Entschlossenheit. All das besitzt Jack Wolfskin.
Auf der anderen Seite hat Jack Wolfskin ein sehr stabiles und exzellentes Verhältnis zu seinen Lieferanten. „Lieferantenhopping“ wie im Textilbereich vielfach üblich, können wir uns gar nicht leisten. Das Alter des Lieferantenportfolios liegt bei über sieben Jahren im Durchschnitt, mit einigen Lieferanten arbeiten wir seit mehr als 20 Jahren zusammen. Wir unterstützen Verbesserungen bei unseren Lieferanten mit unterschiedlichen Programmen. Wenn es jedoch Probleme gibt, und ein Lieferant entscheidet, nicht Teil der Lösung sein zu wollen, dann kann er auch nicht Teil unserer Lieferkette bleiben.
Wie weit werden Sie diesen Prozess transparent gestalten. In ihrem aktuellen Lieferanten-Sozialbericht sind ihre Produzenten hinter Schlüsselnummern versteckt. Werden Sie deren ‚Klarnamen‘ nennen?
Wir werden Sie – hoffentlich – überraschen, denn wir werden Lieferanten mit Klarnamen nennen. Wir werden so viel Transparenz ermöglichen, wie wir können. Das hängt aber auch davon ab, ob unsere Partner zustimmen, dass wir Daten über sie veröffentlichen. Ich glaube aber, da kommen wir vorwärts. Und ich habe keine Sorge, dass wir durch eine Bekanntgabe unseres Produzentenpools Know-how verlieren. Ganz im Gegenteil: Jack Wolfskin ist in der Entwicklung und mit dem, was wir in der Pipeline haben, so gut aufgestellt, dass wir nichts verlieren, wenn wir Transparenz schaffen.
Worin unterscheidet sich Ihr Programm von dem, was die Initiative führender Textilmarken, Zero Discharge of Hazardous Chemicals, plant?
In der Zielsetzung deckt sich das dahingehend, dass wir gemeinsam das Ziel haben, bis 2020 gefährliche Chemikalien aus der textilen Zulieferkette zu eliminieren. In der Umsetzung, den einzelnen Schritten sowie in den Zeithorizonten unterscheidet es sich: Die Gruppe als solches hat noch keinen gemeinsamen Weg definiert, sondern arbeitet stärker daran, Systeme, Methoden und Verfahren zu implementieren. Es werden Positiv- und Negativlisten erstellt und dann von der Industrie abgearbeitet. Da kann eine solch große Initiative natürlich viel mehr bewegen als ein einzelnes Unternehmen. Ansonsten ist jedes Mitgliedsunternehmen frei, seine eigenen Wege in Richtung des gemeinsamen Ziels zu gehen. Wir sehen die ZDHC als ergänzenden Baustein, der in einem viel größeren Kontext agieren kann und damit über unsere eigenen Produkte und Produktionen hinweg grundsätzliche Änderungen in der textilen Lieferkette bewegen sollte.
Wie wichtig ist die Vermeidung gefährlicher Chemikalien in der Lieferkette ihren Kunden? Messen Sie das?
Das können wir nicht direkt messen. Und ich glaube auch, dass dies nicht das ausschlaggebendes Kriterium für ein verantwortlich handelndes Unternehmen sein darf. Niemand sollte sagen: Erst wenn wir es messen, bewegen wir uns. Die Themen Umwelt und Verantwortung müssen Sie im Unternehmen für sich selbst definieren. Und dann bin ich überzeugt davon, dass der Kunde einer Marke und einem Produkt vertraut, das bewiesen hat, dass es seiner Verantwortung gerecht wird. Wie ausschlaggebend dies ist, weiß ich nicht. Aber wir müssen für uns Entscheidungen treffen und sie nicht an den Kunden delegieren. Wenn der Kunde diese belohnt, freue ich mich natürlich darüber.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Achim Halfmann.