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CSR im Tourismus: Thema angekommen – Aktionen selten

Zwei Ereignisse der letzten Jahre verdeutlichen die Entwicklung des nachhaltigen Tourismus: die „Ablösung“ der Nischenmesse Reisepavillon, 20 Jahre lang Plattform für die Vorreiter nachhaltiger Reisen, durch die CSR Days auf der der weltgrößten Reisemesse, der Internationalen Tourismusbörse Berlin (ITB), und die Entwicklung eines weltweiten Standards für nachhaltigen Tourismus, der Global Sustainable Tourism Criteria (GSTC).

Von Stefan Raich

Die Beschäftigung der Branche mit dem Thema CSR passt zu den gesellschaftlichen Entwicklungen in Richtung Nachhaltigkeit. Fraglich bleibt, inwieweit CSR im Kerngeschäft der Tourismusanbieter angekommen ist. Die Branche hat es dabei mit besonderen Herausforderungen zu tun: der persönlichen Anwesenheit des Kunden am Produktionsort und einer zumeist internationalen und schwer durchschaubaren Wertschöpfungskette.

Reisen zeichnet sich aus durch den vorübergehenden Aufenthalt an dem „zentralen Ort der touristischen Produktion“, der Destination. Wesentliche Bestandteile des Produktes Reise – die natürlichen, sozio-ökonomischen und kulturellen Bedingungen – erlebt der Besucher hautnah: Die einzigartige Tierwelt auf den Galapagos Inseln, die Kreidefelsen auf Rügen, das Flair von Paris und die Kultur der Tuareg werden zu einem Qualitätsfaktor. Wenn Tourismus nachhaltig sein will, dann muss er diese Grundlagen, auf denen er aufbaut, dauerhaft erhalten und entwickeln.

Schlüsselrolle der Veranstalter und Verbände

Bei der Umsetzung von CSR in der touristischen Wertschöpfungskette kommt Reiseveranstaltern eine Schlüsselrolle zu. Als Koordinatoren der touristischen Leistungen bilden sie eine Brücke zwischen den Anbietern vor Ort und dem Quellmarkt. Wichtige Akteure in der Branche sind außerdem die Verbände. Der einflussreiche Deutsche ReiseVerband (DRV), der 80% des Umsatzes von Reiseveranstaltern und Reisebüros vertritt, konnte sich bislang nicht auf ein eindeutiges Bekenntnis zu einem Nachhaltigkeitsstandard durchringen. Ein weiterer Verband, die Allianz selbstständiger Reiseunternehmen (asr), möchte nach internen Reformen ihren Mitgliedern die freiwillige Einführung eines Nachhaltigkeitsstandards erleichtern und sie dabei unterstützen.

Das Forum anders Reisen (far), Vorreiter in Sachen nachhaltige Entwicklung in der Branche, verwendet seit der Gründung im Jahr 1998 einen Kriterienkatalog, der im Laufe der Jahre von einer Art Absichtserklärung zu einem validen Instrument für nachhaltiges Reisen wurde. Seit 2011 wird von allen Mitgliedern eine Zertifizierung verlangt, die bislang von knapp der Hälfte durchgeführt wurde. Die gesamte Branche steht hier in den nächsten Jahren vor spannenden Veränderungen.

Auswirkungen grenzenlosen Wachstums

Rund eine Milliarde Auslandsreisen werden derzeit jährlich unternommen, für das Jahr 2020 werden 1,6 Milliarden erwartet. Die Tourismusbranche verzeichnet seit Jahren weltweit und vor allem in Schwellenländern hohe Wachstumsraten. Die rasante Entwicklung der letzten Jahrzehnte brachte gravierende Folgen für die Umwelt, die lokale Kultur und die Wirtschaft in den Urlaubsgebieten: Konflikte mit der lokalen Landwirtschaft um Wasser sind bereits in Spanien oder der Türkei zu beobachten. Die Bedrohung von Tier- und Pflanzenarten und Veränderungen im sozialen Gefüge der Destinationen sind weitere Herausforderungen. Darüber hinaus geriet im Zuge der Klimadebatte vor allem der globale Flugverkehr in die Kritik. Der Flug macht bei Fernreisen etwa 70% des CO2-Aufkommens der Reise aus. Freiwillige CO2-Kompensationen von Anbietern wie Atmosfair haben zwar zugenommen, bleiben aber im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Tourismusforschung verstärkt mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus.

Themen, Trends und die Umsetzung

Wenn es in Krisenzeiten politisch einfacher erscheint, an Veränderung und Wandel zu appellieren, dann könnte in guten Zeiten die Umsetzung leichter fallen. So gesehen wäre jetzt ein guter Zeitpunkt zu handeln. Vielleicht der bedeutsamste Aspekt ist die Konsolidierung von Standards und Siegel, da sich dabei Nachhaltigkeitskriterien und Marketing treffen. Standards und Siegel für nachhaltigen Tourismus wurden in den letzten Jahren vielfach entwickelt. Eine wahre Flut von weltweit über 100 Nachhaltigkeitssiegeln mit unterschiedlicher Qualität ist auf dem Markt. Kein Wunder, dass der Kunde in diesem Label-Dschungel nicht durchblickt

Vier NGO haben deshalb einen „Wegweiser durch den Labeldschungel“ erstellt und darin die Gütesiegel miteinander verglichen. Qualitätsmaßstäbe sind dabei die Berücksichtigung aller Dimensionen nachhaltiger Entwicklung, die externe Prüfung der Kriterienerfüllung sowie Transparenz und Berichterstattung. Der Blick auf den Verpflichtungsgrad und die Anzahl und Qualität der (Kern-) Indikatoren würde inhaltliche Aspekte zudem weiter schärfen.

Erster weltweiter Benchmark

Die Schaffung eines einzigen weltweit gültigen Standards erscheint angesichts der Interessen von Standardisierungsorganisationen und der Bedeutung für das Marketing nicht wahrscheinlich. Allerdings wurde mit der Entwicklung der Global Sustainable Tourism Criteria (GSTC) als weltweiter Benchmark erstmals ein gemeinsames Verständnis für nachhaltigen Tourismus geschaffen. Die 37 Kriterien werden alle zwei Jahre in einem Multistakeholderprozess weiterentwickelt. Sie bieten eine gute Orientierung für alle Aktivitäten im nachhaltigen Tourismus. Zukünftig können Einzelstandards die Qualität ihrer Indikatoren über einen Abgleich mit den GSTC überprüfen und zugleich ihr Siegel für das Marketing beibehalten. Für Reiseveranstalter gut geeignet erscheinen derzeit unter anderen der internationale Standard Travelife und der deutsche Standard Tourcert, der für die far-Mitglieder Reisen entwickelt wurde. Beide gehen bereits über die Kriterien der GSTC hinaus und entsprechen weitgehend den erwähnten Qualitätsmaßstäben.

Bei aller Bedeutung von Standards für Unternehmen und unternehmerischer Verantwortung: Die Regierungen in den Zielländern sind ebenso gefordert, die Einhaltung von Menschenrechten zu gewährleisten und einen Tourismus ohne ausbeuterische Arbeit und mit Mindestlöhnen einzufordern, Umweltzerstörungen zu verhindern und die einheimische Bevölkerung an den Einnahmen teilhaben zu lassen.

Mit gutem Beispiel voran

Ob die Vorreiter in Sachen CSR so erfolgreich sind, weil sie nachhaltiger als andere handeln, oder sich Nachhaltigkeit leisten können, weil sie so erfolgreich sind, bleibt dahingestellt. In jedem Fall kommt neben dem nötigen geschäftlichen Interesse ein großer Schuss Überzeugung dazu.

Einer der Pioniere auf dem Weg zu einem nachhaltigen Tourismus ist Studiosus Reisen. Das eigentümergeführte Unternehmen wurde bereits 1998 als erster Reiseveranstalter in Europa nach EMAS validiert und nach ISO 14001 zertifiziert und hat soziale und ökologische Kriterien in das betriebseigene integrierte Managementsystem aufgenommen. Das Berliner Hotel der schwedischen Hotelkette Scandic wurde nach dem Green Globe, dem EU Ecolabel und dem DGNB für Öko-Bauweise zertifiziert. Darüber hinaus bietet es ein transparentes Online-Monitoring-System. Es werden 100% erneuerbare Energien verwendet, 95% Energiesparlampen eingesetzt und 97% der Zimmereinrichtung sind nach eigener Aussage wieder verwendbar. Besonders auf dem lukrativen Konferenz- und Geschäftsreisemarkt wird dies zunehmend zu einem Wettbewerbsvorteil, da große Firmen auf die Umweltbilanz achten.

Diese Unternehmen liegen im Trend, das zeigt das Wachstum „nachhaltiger“ Anbieter. Der Branchenzeitschrift FremdenVerkehrsWirtschaft zufolge stiegen die Umsätze der far-Unternehmen im Jahr 2011 um 11%, im Vergleich zu 1,2 % des Gesamtmarktes. Eine Studie der Bank Sarasin schätzt den Marktanteil nachhaltiger Spezialveranstalter allerdings auf nur 1%. Von der Vorstellung, mit Nischenprodukten lasse sich Umweltschutz im großen Stil betreiben, kann man sich also verabschieden. Laut einer Onlinebefragung der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen haben bislang 8% der deutschen Bevölkerung nachhaltige Reiseangebote genutzt. Einer Studie der Hochschule Luzern zufolge gehört Nachhaltigkeit sogar für 22% der Befragten zu den Top 3-Faktoren für die Reisebuchung. Dagegen besteht nur eine geringe Bereitschaft, für Urlaubsreisen einen Aufschlag für Nachhaltigkeitsaspekte zu bezahlen.

Die Marke Allgäu

Entwicklungen des nachhaltigen Tourismus in Destinationen lassen sich am Beispiel der Allgäu GmbH ablesen. Dort kann nur Markenpartner werden, wer Nachhaltigkeitskriterien einhält. Verbunden ist das Ganze mit einem Verbesserungsprozess und der Kontrolle der Leistungen über ein Online-Nachhaltigkeitstool, das zugleich zur Berichterstattung dient. Darüber hinaus werden regionale Wirtschaftskreisläufe und die Vernetzung gefördert. Laut Stefan Nitschke, Markenmanager bei der Allgäu GmbH, ist die Verknüpfung der Marke mit Nachhaltigkeitsaspekten „bislang einmalig im deutschsprachigen Raum“.

Nachhaltiger Tourismus ist als Thema im Massenmarkt angekommen und die Nachfrage nach „nachhaltigen Produkten“ steigt. CSR als strategisches Konzept findet man im Tourismus dennoch vorerst nur in Nischen oder bei einigen Vorreitern der Branche. Dabei zeigen diese, dass kein Widerspruch zwischen nachhaltigem und erfolgreichem Handeln bestehen muss.

Vielversprechend sind Entwicklungen einzelner Verbände und Destinationen, die sich aus pragmatischen oder ethischen Gründen an Nachhaltigkeitskriterien orientieren wollen. Dort bestehen gute Chancen, durch Unterstützungsmaßnahmen und kontinuierliche Verbesserungen zu einem attraktiven und sozial- und umweltverträglicheren Tourismus zu gelangen. Ob es zu einer neuen Kultur des Wirtschaftens kommt und CSR als strategischer Ansatz verfolgt wird oder Unternehmen nur vereinzelt Maßnahmen ergreifen, werden die Fragen der Zukunft sein.


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