Paris (csr-news) > Auch wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch immer zur Messung des Wohlstands einer Gesellschaft herangezogen wird, entwickeln sich neue Ansätze, mit denen sich die Zufriedenheit der Menschen besser erfassen lässt. Im Gegensatz zu den meist akademischen Lösungen fragt die OECD für ihren „Better Life Index“ die Betroffenen selbst.
Paul Schreyer, stellvertretender Leiter Statistik bei der OECD ist mit dem aktuellen Fazit zufrieden: „Rund 850.000 Menschen aus mehr als 180 Ländern haben bisher teilgenommen“ und ihr persönliches Votum abgegeben. Heraus kommt ein Bild über die wichtigsten Aspekte der eigenen Lebenszufriedenheit – und das sieht anders aus, als man erwarten könnte. Einkommen und materieller Wohlstand rangieren eher im Mittelfeld, angeführt wird das Zufriedenheitsranking von eher weichen Präferenzen wie einer allgemeinen Lebenszufriedenheit, Bildung und Gesundheit, und zwar in allen teilnehmenden Ländern. Auf den hinteren Plätzen rangiert hingegen beispielsweise die politische Situation. Den Teilnehmern stehen insgesamt elf Faktoren zur Verfügung, die jeweils einzeln mit einer persönlichen Präferenz versehen werden. Der daraus resultierende Index führt je nach Gewichtung zu neuen Ergebnissen und Sichtweisen. Bei gleicher Gewichtung aller Faktoren wären Amerikaner, Australier, Schweden, Dänen und Schweizer die zufriedensten Menschen. Deutschland bewegt sich im Mittelfeld zwischen Frankreich und Österreich. Die niedrigsten Werte wurden in der Türkei, in Mexiko, Chile, Brasilien und Russland erreicht.
„In Deutschland fällt die leicht unter dem OECD-Schnitt liegende Lebenszufriedenheit auf, obwohl der materielle Wohlstand überdurchschnittlich ist“, so Schreyer. Außerdem fällt die soziale Ungleichheit auf – in Deutschland verdienen die reichsten 20 Prozent fünf mal soviel wie die ärmsten 20 Prozent. Dagegen fallen hier die Zufriedenheitswerte zwischen den Geschlechtern vergleichsweise gering aus. Erstmals hat die OECD für das aktuelle Zwischenfazit die Zufriedenheitswerte nach Geschlechtern getrennt untersucht. Dabei fällt auf, dass in den meisten Ländern die Frauen etwas zufriedener sind als die Männer. Schreyer sieht als Gründe unter anderem die durchschnittlich gesündere Lebensweise von Frauen und ihre ausgeprägtere soziale Verankerung. Werden dagegen verstärkt die materiellen Faktoren gewichtet, übernehmen die Männer das Ruder und weisen, teilweise deutlich, höhere Zufriedenheitswerte auf.
Bleibt die Frage, wozu ist das alles gut? „Unmittelbarer Einfluss auf Politik und Wirtschaft lässt sich sicher nicht feststellen“, so Schreyer. „Unser Index ist allerdings eine Art Katalysator in der Diskussion um Wohlstandsindikatoren“. Schreyer verweist in diesem Zusammenhang auf die Enquete-Kommission der Bundesregierung und ähnliche Maßnahmen anderer Regierungen. Auch eine Korrelation zwischen dem BIP und dem „Better Life Index“ wurde untersucht und festgestellt – allerdings gibt es laut Schreyer beim direkten Vergleich ungefähr gleichstarker Länder eine hohe Unschärfe, der „Better Life Index“ kann dann im Detail bessere Informationen liefern.