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Ölbohrung in der Ostsee: Naturschutz und Blowout Prevention

Pudagla kannten bis vor kurzem nur wenige Naturfreunde und Urlauber. Nahe dem knapp 450 Einwohner zählenden Ort inmitten des Naturparks Insel Usedom wird nun nach Öl gebohrt. Naturschützer protestieren dagegen. CSR NEWS hat die Bohrstelle besucht und mit Experten gesprochen.

Usedom (csr-news) – Pudagla kannten bis vor kurzem nur wenige Naturfreunde und Urlauber. Nahe dem knapp 450 Einwohner zählenden Ort inmitten des Naturparks Insel Usedom wird nun nach Öl gebohrt. Naturschützer protestieren dagegen. CSR NEWS hat die Bohrstelle besucht und mit Experten gesprochen.

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Die Skepsis vor Öl- und Gasbohrungen beruht auf Erfahrungen: Vor 24 Jahren, am 6. Juli 1988, zerstörte ein Feuer die Nordsee-Bohrinsel Piper Alpha. 167 Menschen fanden dabei den Tod. Die nordöstlich von Schottland gelegene Plattform förderte Gas – so wie die ebenfalls vor der schottischen Küste liegende Elgin PUQ. Dort tritt heute unkontrolliert Gas aus, die 300 Arbeiter wurden in Sicherheit gebracht. Die Abdichtung der Lecks kann Wochen oder Monate dauern, so wie vor zwei Jahre im Golf von Mexiko. Dort nahm am 20. April 2010 ein anderes schweres Unglück seinen Lauf: Bei einer Erkundungsbohrung nach Öl kam es auf der Deepwater Horizon zu einem Blowout: Eine Fontaine aus Bohrschlamm, Gas und Öl trat aus und setzte die Plattform in Brand. Sie sank zwei Tage später. Elf Arbeiter starben. Die durch das Unglück ausgelöste Ölpest gilt als eine der folgenschwersten Umweltkatastrophen in der Geschichte. Wenig erstaunlich erscheint es also, dass Öl- und Gasbohrungen auf Skepsis stoßen – noch dazu, wenn sie in Schutzgebieten stattfinden.

WWF: Meeressäuger in der Ostsee gefährdet

Zu den Skeptikern gehört Cathrin Münster vom Stralsunder Ostseebüro der Umweltstiftung WWF. „Die Natur ist unser Kapital“, so Münster gegenüber CSR NEWS. Für die Ölsuche gebe es eine ganz einfache Formel: Schutzgebiete sind tabu. Und an Naturschutzgebieten und sogenannten FFH-Schutzgebieten ist die Ostsee reich. Dort siedeln sich wieder Schweinswale und die vor 100 Jahren ausgerotteten Kegelrobben an. Diese Meeressäuger reagieren extrem empfindlich auf Schall. Die mit enormem Überdruck durchgeführten seismologischen Untersuchungen zur Vermessung des Bohrgrundes zerstören alle mit Luft gefüllten Organe dieser Tiere: Sie verlieren die Orientierung und verenden. Münster weiter: „Die paar Meeressäuger, die wir noch haben, die haben keine Chance mehr.“ Das kanadisch-deutsche Unternehmen Central European Petroleum (CEP) hat vom Bergamt Stralsund eine sogenannte Aufsuchungserlaubnis für weite Gebiete in der Ostsee erhalten. Diese sogenannten Claims überdecken sich teilweise mit Schutz- und Naturschutzgebieten. „Das Bergrecht in Deutschland hebelt einfach alles aus“, so die Naturschützerin. Wenn ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ nachgewiesen werden kann, ist eine wichtige Voraussetzung für Eingriffe in Schutzgebieten erfüllt.

Hohe Standards und der Mensch als Risiko

Das übliche Verfahren bei der Ölsuche kann die Natur gefährden, so die WWF-Expertin. Welches Unfallrisiko besteht darüber hinaus bei der Suche nach Öl und Gas in der Ostsee? „Wir bohren nicht erst sein vorgestern“, sagt Prof. Kurt M. Reinicke. Der Clausthaler Wissenschaftler ist auf Bohrtechnologien spezialisiert. Durch eine konsequente Anwendung der bestehenden Standards ließen sich Schäden verhindern. Jedoch stelle menschliches Versagen eine Gefahr dar, wenn etwa Anzeichen für Fehlfunktionen nicht ernst genommen würden. Dass Mitarbeiter die Vorgaben der Unternehmensführung falsch einschätzten, sei eine Hauptursache von Unfällen. Aus der Praxis kenne er dazu den Satz: „Ich weiß, was sie sagen. Ich weiß aber auch, was sie meinen.“ Mitarbeiter müssten zweifelsfrei wissen, dass in unklaren Situationen die Sicherheit Vorrang besitze. Bohrungen müssten sorgfältig ausgeführt werden: die Materialauswahl, die Entscheidung über Wandstärken und die Art der Verbindungen setze eine gute Kenntnis der Verhältnisse vor Ort voraus. So ließen sich auch Risiken wie flachliegende Gaslagerstätten rechtzeitig erkennen. Vor Inbetriebnahme der Bohrung müsse sich der Betreiber von deren Sicherheit und der ordnungsgemäßen Umsetzung der Planung überzeugen. Und wenn es Probleme gebe, dürfe das Unternehmen darüber nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern müsse sich auf Ursachenforschung begeben.

Bürger in Pudagla gelassen

Die Gefahren hat in Pudagla vor allem Bürgermeister Fred Fischer im Blick. Für ihn ist die Ölbohrung in einer Region, die vom Tourismus lebt, ein „Spiel mit dem Feuer“. Fischer: „Die kleinste Störung, die negative Presse, das können Sie sich vorstellen.“ Viele Menschen am Ort seien für solche Gefahren nicht sensibilisiert. Das Auftreten des Unternehmens CEP lobt Fischer: Es gebe sich große Mühe um ein gutes Miteinander. Der 85-jährige Klaus Luchterhand kann von seinem Grundstück aus den Bohrturm sehen. Hören kann er von dort nichts. In den 60er und 70er Jahren habe es rund um Pudagla Bohrtürme gegeben, da sei qualitativ hochwertiges Öl gefördert worden. Dass selbst Mitarbeiter aus diesen Tagen den Bohrungen heute skeptisch gegenüber stehen, kann er nicht verstehen: „Die wollen doch auch mit dem Auto fahren“, sagt Luchterhand. Und Kremserfahrer Peter Schnurr findet die Aufregung um die Bohrung völlig übertrieben. „Vom Tourismus alleine hat das Hinterland nichts“, so Schnurr. CEP habe gut über das Vorhaben informiert und die Leute aus der Gegend zu Besichtigungen auf das Bohrgrundstück eingeladen. Er selber führte Kremserfahrten für Vereine zum Bohrturm durch, die CEP bezahlte.

Die Region profitiert wirtschaftlich

Dass die Region selbst von den Bohrarbeiten profitiert, ist dem Geologen Thomas Schröter, Vizepräsident bei CEP, besonders wichtig. 60 Millionen Euro hat das Unternehmen bisher in seine europaweiten Bohrungen investiert, davon 45 Millionen Euro in Deutschland und 12 Millionen Euro in die Pudagla-Bohrung. 15 Prozent dieses Investments gingen in die unmittelbare Region, etwa für den Bau der Infrastruktur oder die Übernachtungen der Mitarbeiter. Von Pudagla aus wird in Richtung Ostsee gebohrt: Die Bohrstrecke ist 3.600 m lang und erreicht eine Tiefe von 2.680 m. Durch den Einsatz elektrischer Antriebe sei die Lärmentwicklung gering. Schröter: „Das nächste Gehöft in Pudagla hört von uns absolut nichts.“ Sollte sich die Erwartung von CEP erfüllen und eine Lagerstätte mit fünf Millionen Tonnen Öl unter der Ostsee angetroffen werden, sei das „eine gute Nachricht für Europa und weltweit“. Denn in ganz Europa würden jährlich sonst etwa sieben Millionen Barrel neu entdeckt. Allerdings ließen sich aus einer solchen Lagerstätte nur etwa 30 Prozent des Fundes tatsächlich an die Oberfläche holen. Gefördert würde über einen Zeitraum von 20 bis zu 50 Jahren. „Das sind ganze Arbeitsleben, die davon profitieren können“, so Schröter. Und in Pudagla wäre dann an der Bohrstelle nicht mehr als eine Doppelgarage zu sehen.

Nicht gegen die öffentliche Meinung

Kritikern des Bohr-Projektes bietet Thomas Schröter den Dialog an: „Wir können das nicht durchhalten, wenn wir gegen die öffentliche Meinung Tätigkeiten entfalten würden.“ Und so ist ihm zuerst die Klärung der rechtlichen Situation wichtig: CEP besitze eine Aufsuchungserlaubnis für Kohlenwasserstoffe, die möglichen Vorkommen seien damit vor dem Zugriff anderer Unternehmen gesichert. Jede einzelne Maßnahme – die Erstellung einer Seismik oder einer Bohrung – müsse sich das Unternehmen genehmigen lassen. „Wir haben keine Seismik beantragt, weil wir über 4.000 Kilometer Linienseismik haben“, sagt Schröter. Das Gebiet sei in den 80er Jahren durch die DDR ausführlich vermessen worden. Bei seinen Arbeiten berücksichtige das Unternehmen Abläufe in der Natur wie etwa den Vogelflug. Besonders aufwendig würden die Genehmigungsverfahren, wenn CEP tatsächlich fündig werde und eine Förderbewilligung beantrage. Schröter: „Da wird dann das ganz große Rad gedreht.“

Blowout Preventer und Ölabscheider

Sicherheit und Umweltschutz spielen auf der Bohrstelle eine große Rolle, im Kleinen wie im Großen: Umgeben ist das Gelände von einem Krötenschutzzaun für die ungebetenen kleinen Gäste. Die ungebetenen Großen soll eine Security abhalten, die den Eingang bewacht. Das für die Bohrung verwendete Wasser wird in einem Kreislaufverfahren wiederverwertet, der Erdaushub aus dem Bohrloch fachmännisch entsorgt. Austretendes Gas wird während einer Probebohrung abgefackelt, später könnte es ein nahegelegenes Hotel beheizen oder für die Stromgewinnung genutzt werden. Ein Labor auf dem Gelände erlaubt die sofortige Untersuchung der Proben. Und ein Herzstück der Anlage ist der Blowout Preventer: Er hatte bei der Deepwater Horizon versagt und zu der Katastrophe beigetragen. Auf der Pudagla2 ist er mehrfach gesichert und soll das Bohrloch auf jeden Fall schnell und zuverlässig verschließen können. Bleibt der Risikofaktor Mensch. Und da bietet die Transparenz nach außen zumindest eine gewisse Gewähr für eine verantwortungsbewusste Unternehmenskultur nach innen.

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