Das Handwerk als Wirtschaftsbereich verfügt über ein großes Potenzial, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Bislang wird CSR aber erst selten strategisch eingesetzt – das wollen mehrere Handwerkskammern nun ändern.
Von Hans-Dieter Sohn
„Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest haben wir gemacht“: Seit rund zwei Jahren soll eine Imagekampagne zeigen, dass das deutsche Handwerk die „Wirtschaftsmacht von nebenan“ ist. Aber ist diese Wirtschaftsmacht mit knapp einer Million Betrieben und einem Jahresumsatz von über 450 Milliarden Euro auch eine CSR-Macht? Handwerksberufe sind arbeitsintensiv. Ihre gesellschaftliche Bedeutung lässt sich vor allem an den über fünf Millionen Beschäftigten festmachen sowie an den jährlich 450.000 Auszubildenden, mit denen das Handwerk die Ausbildungsquoten der Industrie oder des Handels deutlich übertrifft.
Handwerksbetriebe sind oft klein. Im Durchschnitt hat ein Handwerksbetrieb in Deutschland weniger als zehn Mitarbeiter. Dennoch spielt das Handwerk eine zentrale Rolle bei großen gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsprojekten wie der Energiewende – und ist dabei stark abhängig von politischen Impulsen. Bei der energetischen Gebäudesanierung etwa löst jeder Euro an Fördermitteln heute Investitionen von 12 Euro aus. Das sichert und schafft jährlich bis zu 340.000 Arbeitsplätze, hat die Bundesregierung ausrechnen lassen, vor allem im Handwerk.
Aktuelle Zahlen über den eigenen Energie- und Ressourcenverbrauch gibt es aber kaum, zu divers ist der Wirtschaftsbereich. „Solche Zahlen hätten wir auch gerne“, bedauert der Zentralverband. Dass sich die Energiekosten für das Handwerk zwischen 1998 und 2005 fast verdoppelt haben, hat das Deutsche Handwerksinstitut vor ein paar Jahren ausgerechnet. Damals lagen sie mit im Schnitt 3,5 Prozent der Gesamtkosten „für die meisten Betriebe immer noch unterhalb einer kritischen Schwelle“, vermuteten die Forscher. Das dürfte sich seither für viele geändert haben.
Energieberatung, Fragen des betrieblichen Umweltschutzes und die Einführung eines Qualitätsmanagements „gehören heute zum Tagesgeschäft vieler Handwerksbetriebe“, berichtet die Handwerkskammer Berlin. Initiativen wie den in Mittelfranken entstandenen „Qualitätsverbund umweltbewusster Handwerksbetriebe“ gibt es schon seit 15 Jahren. Hersteller präsentieren den Handwerkern ihre technischen Nachhaltigkeits-Innovationen oft in Zusammenarbeit mit Fachverbänden oder Innungen. Was bislang meist fehlte, waren explizite CSR-Beratungsangebote. Und wenn es sie gab, dann oft möglichst „inkognito“.
Verantwortung im Verborgenen
„Wenn Sie mit einem Handwerker über CSR sprechen wollen, dann nennen Sie das besser nicht so“, empfiehlt Andreas Rönnau, CSR-Experte der Handwerkskammer Hamburg. Er spricht lieber von „unternehmerischer Verantwortung“. Groß ist die Furcht vieler Berater, mit abstrakten und akademisch klingenden Begriffen ihre Klientel zu verschrecken. Anglizismen passen nicht in die Welt der Handwerker, das betont auch die Dachmarkenkampagne: „Wir haben auch Chief Executive Officers, Executives for Labour Relations und Plant Managers. Nur bei uns heißen die Andrea, Frank und Matze.“
„Verantwortung zu übernehmen ist für viele Handwerker gelebte Praxis“, berichtet Rönnau – darüber zu sprechen ist für die meisten aber ungewohnt. Eine „Marketinglücke“ nennt er diesen Zustand. Hier und da spontan im unmittelbaren Umfeld des Betriebs zu helfen, ist für viele eine Selbstverständlichkeit: Stadtteilfeste und Sportveranstaltungen unterstützen oder Spielplätze modernisieren, Praktika für Schüler anbieten.
Seltener sind die Betriebe, die ihr gesellschaftliches Engagement bereits in die eigene Geschäftstätigkeit integriert haben und den Einsatz für das Gemeinwohl nicht als zusätzliche Aktivität verstehen, sondern als dauerhaften und damit langfristigen Bestandteil der Unternehmenskultur. Der Hamburger Goldschmied Thomas Becker etwa, der Gold verarbeitet, das ohne Quecksilber und Zyanid gewonnen und fair gehandelt wurde. Oder die Ofenbauer vom „Roten Hahn“, die seit rund zehn Jahren mit ihrer Aktion „Wärme für Kinder“ Kachelöfen an Kinderheime in Osteuropa verschenken und dort aufbauen. Der Westdeutsche Handwerkskammertag hat im vergangenen Jahr sogar einen eigenen „CSR-Report“ veröffentlicht, in dem er zeigt, wie Handwerker aus der Region unternehmerische Verantwortung leben.
Strategische Annäherung
CSR-Experte Rönnau und die Hamburger Handwerkskammer haben ebenfalls – gemeinsam mit anderen Handwerkskammern als Teil eines großen EU-Projekts – versucht, Vorbilder aus der Praxis in einem Leitfaden mit einer niedrigschwelligen, aber strategischen Annäherung an die unternehmerische Verantwortung zu verbinden. Diese „Handlungsanleitung“ widmet sich in fünf Kapiteln den Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Lieferanten, Kunden, der Nachbarschaft und dem Schutz natürlicher Ressourcen. „Wer diese Themen Stück für Stück angeht, wird einen betriebswirtschaftlichen Vorteil davon haben“, ist Rönnau überzeugt.
„Andocken“ konnte Rönnau bei den Betriebsinhabern meist mit zentralen „Schwarzbrotthemen“, wie er sie nennt: Wie komme ich an gute Kunden? Wie bin ich für Nachwuchs- und Fachkräfte interessant? „Wer sich auf einer Webseite glaubwürdig als verantwortungsvolles Unternehmen präsentieren kann, hat hier bessere Karten“, ist sich Rönnau sicher. Selbst das Honorar-Unterbieter-Portal myhammer.de gibt sich mittlerweile qualitätsbewusst. „Unsere langjährige Erfahrung zeigt: Kunden suchen nicht den billigsten, sondern den besten Handwerker“, räumte Myhammer-Chef Kichael Jurisch unlängst ein.
CSR-Spezialist Rönnau hat zudem versucht, Betriebsinhaber über das Thema Unternehmensübergabe und -nahme für unternehmerische Verantwortung zu sensibilisieren. Seine Message: „Wer bei einer Betriebsbewertung durch CSR-relevante Faktoren wie das Produkt- und Leistungsangebot, die Kundenabhängigkeit, die Beschäftigungsstruktur und die Personenabhängigkeit gut dasteht, kann Risikoabschläge vermeiden und so den Wert seines Betriebs steigern und tendenziell einen höheren Verkaufspreis erzielen.“ Doch auch er weiß, dass sich vor allem die ganz kleinen Betriebe schwer tun mit solchen „strategischen“ Fragen.
Beratungs- und Coachingangebote
Zum Jahresbeginn hat die Handwerkskammer Hamburg ihr neues dreijähriges Beratungs- und Coachingprojekt „allerhand!werk“ gestartet. Ein ähnliches Projekt in Berlin ist ebenfalls im Entstehen. Beide werden aus Mitteln des Förderprogramms „Gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand“ finanziert und haben sich zum Ziel gesetzt, „ein positives CSR-Klima“ mit mehr Wissen, Ideen und Aktivitäten zum Thema gesellschaftliche Verantwortung zu schaffen und Betriebe zu vernetzen.
„Wir wollen vermitteln, wie Handwerker in angemessener Weise zeigen, welche Werte sie leben, die über das reine Finanzielle hinausgehen“, berichtet die Hamburger Projektmitarbeiterin Stephanie Wöste. Experten und Coaches sollen Handwerker dabei unterstützen, ein „Wertemarketing“ in den vier CSR-Bereichen Gemeinwesen, Umwelt, Arbeitsplatz und Markt zu planen und umzusetzen – damit der stille Riese von nebenan auch als CSR-Macht erkennbar wird.
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