Berlin > Berichte über eine deutlich gesunkene Lebenserwartung von Geringverdienern haben am Montag für Wirbel gesorgt. Auslöser waren von der Linksfraktion im Bundestag veröffentlichte Zahlen der Deutschen Rentenversicherung, wonach männliche Arbeitnehmer mit geringem Einkommen 2010 im Schnitt bis zu zwei Jahre früher starben als noch 2001. Dies steht im Kontrast zur immer älter werdenden deutschen Bevölkerung.
Laut der Erhebung der Rentenversicherung wurden wurden Geringverdiener, die weniger als drei Viertel des Durchschnittseinkommens bezogen, 2001 im Schnitt 77,5 Jahre alt. 2010 starben sie demnach schon mit 75,5 Jahren. In den neuen Ländern starben Geringverdiener im selben Zeitraum sogar durchschnittlich 3,8 Jahre früher, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, über die zuvor die „Saarbrücker Zeitung“ berichtet hatte.
Der Deutsche Rentenversicherung Bund bestätigte die Zahlen. Allerdings dürften sie aus statistischer Sicht „nicht als Trendaussage interpretiert werden“, da sie nur auf einer „sehr geringen Fallzahl“ beruhten, erklärte die Behörde.
Auch das Bundesarbeitsministerium wies den Bericht zurück, wonach Menschen mit sehr geringem Verdienst eine sinkende Lebenserwartung haben. Vielmehr zeigten die Erhebungen des Statistischen Bundesamtes seit Jahren in allen Bevölkerungsgruppen einen eindeutigen Trend zu „einer kontinuierlich steigenden Lebenserwartung“, erklärte ein Sprecher. Das Statistikamt berücksichtigt dabei nach eigenen Angaben allerdings nicht die unterschiedlichen Einkommensgruppen.
Aus früheren Untersuchungen ist freilich ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitseinkommen und der Lebenserwartung bekannt. Studien zufolge sterben Menschen mit einem niedrigen Einkommen früher als Menschen mit höherem Einkommen. Als Ursachen dafür gilt unter anderem eine ungesundere Lebensweise von Geringverdienern.
„Schlechte Arbeitsbedingungen und Niedriglohn machen krank, verursachen Altersarmut und lassen die Menschen früher sterben“, erklärte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher. Die Politik müsse hier gegensteuern.
Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken geht weiterhin hervor, dass der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten 60- bis 64-Jährigen seit vergangenem Jahr um 3,3 Prozent stieg. Waren im März 2010 etwa 23,1 Prozent dieser Altersgruppe in Beschäftigung, so lag die Quote im März 2011 bei 26,4 Prozent. Vollzeit arbeiteten nur 18,7 Prozent, ein Plus von 1,1 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Den Daten zufolge nimmt die Beschäftigung mit jedem Jahrgang ab.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen forderte die Linksfraktion erneut das Aus für die Rente mit 67 Jahren. Die Rente erst ab 67 „befördert die Altersarmut“, erklärte der Rentenexperte der Linksfraktion, Matthias Birkwald. Sie gehöre deshalb „in die Schublade sozialpolitischer Grausamkeiten. Er kündigte für den kommenden Donnerstag einen Antrag seiner Fraktion im Bundestag an, den für 2012 geplanten Start der Rente mit 67 auszusetzen. Auch die SPD hatte auf ihrem jüngsten Parteitag beschlossen, dass mit der Anhebung des Renteneintrittsalters nicht begonnen werden dürfe, solange nicht 50 Prozent der Älteren in Beschäftigung seien.