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Lernen und Wirken in anderen Lebenswelten – Entwicklungsperspektiven des Corporate Volunteering

Freiwilliges Engagement von Mitarbeitenden oder Führungskräften in einem sozialen Kontext ist in aller Munde. In der Unternehmenspraxis formieren sich dazu unter dem Schlagwort „Corporate Volunteering“ fortwährend neue Formen der Kooperation, die von einer hohen Dynamik und Expansion geprägt werden. Doch gerade in dieser Aufbruchsstimmung ist es notwendig, das Konzept weiterzudenken.

Freiwilliges Engagement von Mitarbeitenden oder Führungskräften in einem sozialen Kontext ist in aller Munde. In der Unternehmenspraxis formieren sich dazu unter dem Schlagwort „Corporate Volunteering“ fortwährend neue Formen der Kooperation, die von einer hohen Dynamik und Expansion geprägt werden. Doch gerade in dieser Aufbruchsstimmung ist es notwendig, das Konzept weiterzudenken.

Von Christoph Schank und Thomas Beschorner.

Die breit geführte Diskussion um die Verantwortung von Unternehmen hat enorm zur Popularität von Corporate Volunteering in der Praxis beigetragen. Unternehmen sollen Bestandteil, nicht außerhalb der Gesellschaft sein und sich als gute Bürger (Good Corporate Citizen) verstehen. Was liegt da näher als die Mitarbeitenden in Sozialprojekte zu schicken?

Corporate Volunteering 0.0

Die wissenschaftliche Diskussion begegnet einer solchen CSR-Strategie naturgemäß kritisch, da das Kerngeschäft des Unternehmens von einem rein karitativen Engagement unberührt bleibt. Dass Unternehmen ihre Mitarbeitenden in ihrem Engagement unterstützen oder aktiv dazu ermutigen dient – so die Argumentation – vordergründig der Pflege des öffentlichen Raumes und ist Ausdruck des Motives, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Folgt man dieser Argumentation, steht Corporate Volunteering in einer Reihe mit weiteren, bewährten Instrumenten unternehmerischen Engagements – neben Geld- und Sachspenden wird es zu einer Zeitspende. Das freiwillige Engagement wird damit zu einer Kostenstelle, deren Bedarf aus dem Gewinn gedeckt und deren Realisierung von den Umsatz- und Renditezahlen abhän-gig gemacht wird. CSR in einem solchen Sinne ist eine Spendenethik mit neuen Mitteln, aber nicht-integrativ. Aufgeklärte Unternehmensverantwortung freilich fragt nicht danach wie die Gewinne verwendet, sondern wie sie erwirtschaftet werden und wirkt integrativ nahe am Kerngeschäft des Unternehmens. Diese Anforderung ist auch an eine neue Generation von Corporate Volunteering zu richten.

Corporate Volunteering der neuen Generation

Wer Corporate Volunteering als Spendenethik versteht, wird in der Gesellschaft nur wenig bewegen und zudem innerhalb der eigenen Organisation stets mit Akzeptanz- und Begründungsproblemen ringen. Es drohen hierbei die bekannten Risiken klassischer Geldspenden und Sponsoringaktivitäten: Die Auswahl der konkreten Aktivitäten folgt allein den Gelegen-heitsstrukturen beziehungsweise dem von zivilgesellschaftlichen Organisationen unterbreiteten Angebot, sie weist kaum einen Bezug zum Kerngeschäft auf und muss von den darin engagierten Mitarbeitenden als reine Abwechslung vom Arbeitsalltag, nicht aber als dessen Re-flexion, verstanden werden.

Ist Corporate Volunteering damit per se abzulehnen? Wir denken nein, denn es gibt interes-sant Übergänge und Anknüpfungen an ein modernes CSR-Verständnis: als personalpolitisches Instrument und – einen Schritt weiter – als Tür zur Gesellschaft.

Mitarbeiter mit Kopf, Herz und Hand

Mit zunehmender Komplexität und Wissenbasierung gewinnen die Mitarbeitenden und deren fachliche Fähigkeiten, soziale Kompetenzen und Motivationen weiter an Bedeutung und kristallisieren sich mehr denn je als entscheidende Wettbewerbsfaktoren heraus. Aktivitäten des Corporate Volunteerings sind dabei weder Altruismus noch Kostenfaktor, sondern Ausdruck einer Investition in das Human- und Sozialkapital der Mitarbeitenden. Es sind hierbei vor allem die Schlüsselkompetenzen der Team- und Konfliktfähigkeit, der emotionalen Intelligenz und der Selbstorganisation, die sich im Rahmen des Engagements ausbilden sollen. Hinzu kommen erhoffte positive Effekte auf das Unternehmensimage und die Reputation als Arbeitgeber.

Wie sehr die Kompetenzentwicklung Treibfeder sein kann, verdeutlichen strukturierte Austauschprogramme mit zivilgesellschaftlichen Kooperationspartnern, die sich an bestimmte Zielgruppen wie Auszubildende und speziell Führungskräfte wenden und hier das Entwick-lungspotenzial systematisch erschließen möchten. Das in der Schweiz pionierhaft entwickelte Programm von SeitenWechsel© spricht ausdrücklich von einem Weiterbildungsangebot und einem Persönlichkeitstraining für Führungskräfte und offeriert eine Unterstützungsstruktur, die auch eine passgenaue Einbettung in bereits bestehende, unternehmenseigene Entwicklungsprogramme ermöglicht. Derart an den Bedürfnissen des Unternehmens ausgerichtet, stellen solche Initiativen den spiegelbildlichen Gegenpol zu den von den sozialen Organisationen geprägten Freiwilligentagen dar und versinnbildlichen damit einen zweiten Pfeiler des Corporate Volunteerings.

Corporate Volunteering als Tür zur Gesellschaft

Das Corporate Volunteering der Zukunft ist nun nicht einfach eine synergetische Ausschöp-fung der unternehmerischen Personalentwicklungsziele und der Bedürfnisartikulation der Zivilgesellschaft. Unternehmen und Zivilgesellschaft sollen sich nicht an der gemeinsamen Schnittstelle begegnen, sondern Unternehmen sollen sich durch ihr freiwilliges Mitarbeiterengagement als ein integraler Bestandteil des Gemeinwesens begreifen. Mitarbeitende und Führungskräfte sollen nicht allein in, sondern auch für andere Lebenswelten lernen. Ein wohlverstandenes Corporate Volunteering kann den Blick dafür schärfen, dass gesellschaftliche Prob-leme, wie sie auch durch Unternehmenstätigkeiten entstehen, nur gemeinsam reflektiert und gelöst werden können.

Damit eine solche Reflexion gelingen kann, müssen Kooperationen voraussetzungsvoll sein und sich von der Beliebigkeit verabschieden, die vielen heutigen Aktivitäten des Corporate Volunteerings noch zueigen ist. Dazu gehört, dass ein freiwilliges Engagement weder eine Bringschuld der Unternehmen ist, noch dass sich soziale Organisationen in der Rolle des Bittstellers wiederfinden. Wenn sich beide Partner auf Augenhöhe begegnen wollen, muss die Artikulation eigener Entwicklungsziele legitim sein und offen gewagt werden. Beide Parteien tun weiterhin gut daran, nicht vom Kerngeschäft des Unternehmens zu abstrahieren, sondern diese Vorerfahrungen, Kenntnisse und Netzwerke planvoll herauszuarbeiten und einen Social Case zu wählen, zu dessen Bewältigung die eigentliche Geschäftstätigkeit des Unternehmens beitragen kann. Der sinnvolle Kooperationsgegenstand eines freiwilligen Mitarbeiterengage-ments gestaltet sich demnach für eine Bank und ein Modehaus deutlich unterschiedlich.

In diesem Sinne ist Corporate Volunteering kein Ausdruck von Corporate Giving und erst recht kein Ausdruck einer Spendenethik. Vielmehr zeigt es einen Weg auf, der vermeintliche Gräben in der gewinn- und der gemeinwohlorientierten Handlungslogik zu überbrücken hilft und für ein gegenseitiges Verständnis wirbt. Durch diese neu gewonnene Kooperationsfähigkeit stellen Unternehmen in vielen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht länger allein einen Teil des Problems, sondern möglicherweise auch einen Teil der Lösung dar.

Dr. Christoph Schank, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsethik, Universität St.Gallen
christoph.schank@unisg.ch

Prof. Dr. Thomas Beschorner, Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik, Universität St.Gallen
thomas.beschorner@unisg.ch


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