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Compliance Management – und jenseits von „Dienst nach Vorschrift“

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat den Bedarf nach neuen, strafferen Regelwerken klar aufgezeigt. Regeln alleine werden in Zukunft jedoch kaum neue Krisen verhindern können. Dafür muss sich von Grund auf etwas an unserer Einstellung zum Wirtschaften ändern. Gebraucht wird ein neuer Schlag von Führungskräften. Integrität und eine organisationale Verantwortungskultur sind für erfolgreiche Unternehmen unverzichtbar.

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat den Bedarf nach neuen, strafferen Regelwerken klar aufgezeigt. Regeln alleine werden in Zukunft jedoch kaum neue Krisen verhindern können. Dafür muss sich von Grund auf etwas an unserer Einstellung zum Wirtschaften ändern. Gebraucht wird ein neuer Schlag von Führungskräften. Integrität und eine organisationale Verantwortungskultur sind für erfolgreiche Unternehmen unverzichtbar.

Von Florian Wettstein und Thomas Beschorner (Content-Partnerschaft mit der Universität St. Gallen)

Keine Moral kommt ohne Regeln aus. Regeln verlangen nach Einhaltung, das heißt nach Compliance, und drohen im Negativfall mit Zwang und Strafe. Damit nehmen sie exzessivem Fehlverhalten schon mal die Spitze. «Vernünftigere» Menschen produzieren sie aber selten, denn wer sich nur zur Vermeidung persönlicher Nachteile am ethisch Richtigen orientiert, handelt deswegen noch lange nicht moralisch im eigentlichen Sinne. Und wer es sich zum Sport macht, die Regeln zu biegen, zu umgehen und zu untergraben, der wird das auch oder gerade dann tun, wenn das Regelwerk engmaschiger wird. Kurz: Werden Regeln nicht aus Einsicht in deren Notwendigkeit, sondern aus reinem Vorteilsdenken befolgt, verkommt Compliance schnell zum Opportunismus.

COMPLIANCE MIT INTEGRITÄT

Maßgebend für verantwortungsvolles Wirtschaften ist also nicht lediglich das Einhalten von Regeln, sondern die tiefere Einsicht in deren Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit für eine gelingende Gesellschaft. Was die Wirtschaft braucht, sind also nicht Menschen, die blind Regeln befolgen und damit «Dienst nach Vorschrift» machen, sondern solche, die diese kritisch zu reflektieren in der Lage sind. Zur Compliance gesellt sich in jenem Fall die Integrität.

Der eindimensional auf Effizienz getrimmte Technokrat an der Spitze der Unternehmung gehört als Ideal der Vergangenheit an. Als Manager müssen in Zukunft ganzheitliche Persönlichkeiten mit einem professionellen Selbstverständnis gefragt sein, das heißt Führungskräfte, die ihre Rolle in der Wirtschaft nicht von ihren handlungsleitenden Prinzipien und Tugenden im Alltag abspalten. So verstanden ist Integrität das genaue Gegenstück zum Opportunismus – sie ist Dreh- und Angelpunkt eines verantwortungsvollen, moralischen Wirtschaftens.

WERTEBASIERTE UNTERNEHMENSKULTUR

Was bedeutet dies nun für die Organisationsgestaltung und -entwicklung? Einerseits zeigt es, dass Unternehmensverantwortung mehr erfordert als das Ausarbeiten und Implementieren oder gar nur das reine Befolgen von Verhaltens- und Ethikkodizes. Sie erfordert darüber hinaus eine Verantwortungs- und Vertrauenskultur, welche Freiräume zur Förderung und Entwicklung ganzheitlicher und kritisch denkender Mitarbeiter und Führungskräfte schafft. In einer solchen Kultur steht nicht die Angst vor der Strafe im Falle des Regelbruchs im Vordergrund, sondern das Commitment zu übergeordneten Werten. In ihr wird das Wahrnehmen individueller Verantwortung kultiviert, sie fördert und belohnt moralische Orientierungen, anstatt sie mit überzogenen Zielvorgaben und verfehlten Anreizsystemen zu unterwandern. Eine moderne Unternehmenskultur ist erfolgsorientiert, aber nicht erfolgsversessen, denn sie macht auch das Gewinnstreben kategorisch von dessen Legitimität abhängig.

CEO COMMITMENT

Die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer werteorientierten Kultur steht und fällt mit dem vorbehaltlosen Commitment der obersten Instanz, das heißt des CEOs sowie des gesamten Top Managements. Werte und Ideale, wenn sie denn mehr als reine Lippenbekenntnisse sein sollen, müssen in partizipativer Weise entwickelt, dialogisch kommuniziert, und vom Top Management authentisch vorgelebt werden – und sie müssen sowohl in die Kernprozesse, als auch in die Anreiz-, Beurteilungs- und Entlöhnungssysteme der Unternehmung Eingang finden. Nur so werden sich Unternehmen herausbilden, die ihre Verantwortung in proaktiver Weise wahrnehmen, anstatt nur auf externe Anschuldigungen zu reagieren. Genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen, nicht nur hinsichtlich wohlverstandener Unternehmensverantwortung, sondern oftmals auch in Bezug auf den unternehmerischen Erfolg.

Prof. Dr. Florian Wettstein (oben) und Prof. Dr. Thomas Beschorner sind Direktoren des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St.Gallen. ethik@unisg.ch
www.iwe.unisg.ch


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