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Mit Twitter, Facebook und Blogs gegen die soziale Ungleichheit

Die wachsende Protestbewegung in den Vereinigten Staaten gegen die soziale Ungleichheit sieht sich in der Tradition der Revolten in der arabischen Welt. In mindestens einem Punkt ähneln sich der arabische Frühling und der heiße Herbst in den USA: der Rolle des Internets und vor allem der sozialen Netzwerke bei der Organisation der Unzufriedenen.

Von Gregor Waschinski

Washington > Die wachsende Protestbewegung in den Vereinigten Staaten gegen die soziale Ungleichheit sieht sich in der Tradition der Revolten in der arabischen Welt. Dabei laufen Demonstranten in New York anders als in Damaskus kaum Gefahr, wegen ihrer Forderungen erschossen zu werden. Doch in einem Punkt ähneln sich der arabische Frühling und der heiße Herbst in den USA durchaus – der Rolle des Internets und vor allem der sozialen Netzwerke bei der Organisation der Unzufriedenen.

Mit dem Schlachtruf „Occupy Wall Street“ (Besetzt die Wall Street) haben die Proteste Mitte September im Finanzdistrikt New Yorks begonnen, unter diesem Namen hat die Bewegung auch ihre Internetseite eingerichtet. Dort veröffentlichen Teilnehmer Videos von den Kundgebungen, informieren über die nächsten geplanten Protestaktionen und debattieren in Foren über ihre Ziele. Die lesen sich bislang wie ein breiter Wunschkatalog für eine bessere Welt: In einer Diskussionsgruppe auf der Webseite reichen die Forderungen von einer stärkeren Regulierung der Banken über mehr direkte Demokratie und Umweltschutz bis zu höheren Ausgaben für die Bildung.

Von dem Protestcamp im Zuccotti-Park unweit der Wall Street hat sich die Bewegung in den vergangenen Wochen auf Städte im ganzen Land ausgebreitet, unter anderem die Hauptstadt Washington, Chicago, Boston und Los Angeles. Die Internetseite „Occupy Together“ (Zusammen besetzen) gibt den Demonstranten an den verschiedenen Orten eine gemeinsame Plattform. Die Betreiber sehen sie als „inoffizielle Drehscheibe“, um jene „99 Prozent der Bevölkerung“ zu vernetzen, die gegen die „Gier und Korruption des einen Prozents“ kämpfen wollen – in den USA und weltweit. Hier können Anhänger der Protestbewegung miteinander in Kontakt treten, Fotos ihrer Aktionen hoch- oder Protestplakate herunterladen.

Ein herausragender virtueller Sammelplatz der Bewegung sind die sozialen Netzwerke. Bei Meetup, über das sich Nutzer online zu Treffen in der realen Welt verabreden können, sind Protestgruppen in mehr als 1300 Städten auf der ganzen Welt entstanden – allerdings vereinen die Ableger in vielen Fällen kaum mehr als eine Handvoll Anhänger. Zehntausende Nutzer verfolgen die Facebook-Seite von „Occupy Wall Street“, daneben sind auf dem beliebtesten sozialen Netzwerk dutzende weitere Besetzer-Seiten für andere Städte entstanden – darunter auch eine nicht ganz ernst gemeinte Variante, die zur Besetzung der Sesamstraße aufruft.

Die Protestbewegung verbreitet ihre Anliegen auch über den Online-Kurznachrichtendienst Twitter, alleine mehr als 45.000 Nutzer haben den Kanal „@OccupyWallStNYC“ abonniert. Der „New York Times“ zufolge dominieren Menschen aus New York die US-Debatte über die Protestbewegung auf Twitter, immerhin fast die Hälfte der Kommentare stamme aus anderen Landesteilen. Am vergangenen Freitag seien auf Twitter im Schnitt 10.000 bis 15.000 Kommentare pro Stunde zu diesem Thema abgegeben worden, schrieb das Blatt unter Berufung auf das auf die Analyse von sozialen Netzwerken spezialisierte Unternehmen Trendrr.

Die Menschen, für die sich die Protestbewegung einsetzen will, erzählen ihr Schicksal auf der Mikroblogging-Seite Tumblr. Hunderte Nutzer haben dort bereits in dem kollektiven Internet-Tagebuch „We are the 99 percent“ (Wir sind die 99 Prozent) Fotos und persönliche Beiträge über ihre Alltagssorgen in der Wirtschaftskrise hinterlassen. Viele, die sich hier eintragen, sind junge Akademiker, die von hohen Schulden wegen der Studiengebühren und fehlenden beruflichen Perspektiven berichten. Doch auch ältere Semester melden sich zu Wort. Eine Frau etwa beklagte sich in Stakkato-Form: „Job verloren. Haus verkauft. Bei der 87-jährigen Mutter eingezogen.“


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