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Grüne Ché Guevaras: Modedesigner als Revolutionsführer

Bio-Rohstoffe und recycelte Materialien sind schon lange kein Trend mehr – eher Einstellungssache. Deswegen schießen grüne Modelabels wie Pilze aus dem Boden und Branchenriesen setzen zunehmend auf ethische Mode. Während immer mehr Produkte aus zertifizierten Ökostoffen über die Ladentheke gehen, bleibt dem Verbraucher eine Frage: War´s das schon, oder kommt noch mehr?

Von Maximilian Metzner

Modedesigner sind die heimlichen Anführer einer neuen grünen Revolution. Sie haben die Fähigkeit, die Begierden und Sehnsüchte der Menschen zu erkennen. Indem sie Mode entwerfen, stillen sie unser Bedürfnis nach Identifikation mit Themen, die uns am Herzen liegen, noch bevor wir auf die Strasse gehen oder uns einer Partei anschließen. Wenn sich die Modeschöpfer verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und dem Mensch auf die Fahne – pardon – das T-Shirt heften, ist das für die CSR-Bewegung ein echter Glücksfall. Ihre Labels sind mehr als nur ein kurzlebiger Trend – sie stehen für gelebte Werte und überzeugte Haltung. So ähnlich ist das auch bei Parteien der Fall – nur kaufen sich eben mehr Menschen ein neues Kleidungsstück als einer Partei beitreten.

Diese Erkenntnis scheint banal, aber sie verdeutlicht doch das Potential, das in der Branche schlummert. Auch wenn bei weiten Teilen der Konsumenten CSR einen unterschiedlichen Stellenwert hat, so bietet sich hier eine Chance für die Modewirtschaft. Diese hat längst ihr Interesse in Code of Conducts oder Nachhaltigkeitsberichten bekräftigt, durch verantwortungsvolles Engagement zu mehr Integrität zu gelangen. Denn nach wie vor sind Informationen über Produktionsbedingungen für den Verbraucher nicht leicht oder teilweise gar nicht nachzuvollziehen.

Die Branchenriesen geloben Besserung – und lassen Taten folgen. CSR–Themen müssen glaubwürdig, einfach und zutreffend sein. In der Modewelt wird das in erster Linie durch die Marke ausgedrückt. Deswegen entstehen firmeneigene Labels wie z.B. „Bio Cotton“ von C&A. Das Design, der Schnitt und der Preis unterscheiden sich kaum von denen anderer Kleidungsstücke. Lediglich das Angebot der grünen Ware ist im Vergleich zum Gesamtsortiment begrenzt. An diesem Beispiel lässt sich gut belegen, dass Preis und Biokleidungsstücke einander nicht immer gegenüberstehen und diese Produkte für viele Konsumenten erschwinglich sind.

So wie C&A haben auch andere Unternehmen eine grüne Linie eingeführt und sind dabei in der Produktion auf Biobaumwolle ohne den Einsatz von Pestiziden umgestiegen. Dies ist ein Fortschritt für Umwelt und Arbeiter, denn Baumwolle wird, wie jeder weiß, von Menschen aus Schwellen- und Entwicklungsländern mit der Hand gepflückt. So setzt z.B. das US-Label Timberland seit 2007 auf recycelte Materialien bei der Herstellung seiner Earthkeepers-Kollektion. Biobaumwolle und wiederverwerteter Kunststoff aus PET-Flaschen machen den Rohstoffmix für den Schuh perfekt. Verbraucher, die sich nun genötigt sehen, ihre Pfandflaschen in Zukunft zu Timberland zu schicken, anstatt sie bei Aldi oder Lidl zu entsorgen, seien beruhigt: Es genügt, den Schuh zu kaufen.

Aber war´s das schon? Modekonsum kann den Markt verändern und Kunden finden grüne Ware anziehend. Dadurch erhält die Branche neuen Schwung. Die Einführung von zertifizierten Ökostoffen ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Andere CSR-Informationen müssen aber in Zukunft noch detaillierter und transparenter an die Verbraucher gelangen.

Probleme bekommen die Unternehmen immer wieder durch Berichte über Kinderarbeit und die Bezahlung von Hungerlöhnen. Auch bei der Weiterverarbeitung der Biobaumwolle herrscht nicht gerade Transparenz. Viele Unternehmen verwenden noch immer Chemikalien beim Waschen, Färben oder Bedrucken ihrer Produkte. Über deren gesundheitliche Folgen ist noch zu wenig bekannt. Aber es gibt Verbesserungsansätze: Wascheffekte lassen sich inzwischen auch mit Essig, Salz, Zitronensaft oder anderen Naturprodukten erzielen. Der Dämpfer folgt auf dem Fuß. Ökologische Waschungen kosten zwischen 30 und 60 Prozent mehr und werden von den Herstellern deswegen weniger nachgefragt. Aber immerhin, es gibt das vorbildliche Kleidungsstück, das nicht nur ökologisch, sondern auch sozialverträglich produziert wird. Überprüft wird dies z.B. durch Global Organic Textile Standard (GOTS), dem weltweit führenden Standard für umweltverträgliche Textilien. Er enthält Anforderungen an ökologischen Anbau, die gesamte Produktionskette und die Übereinstimmung mit sozialen Kriterien. In Deutschland sind 106 Unternehmen aufgelistet, Tendenz steigend.

Wie sich Mode und Moral zusammenbringen lassen, zeigen Marken wie Hess Natur, Edun, American Apparel, Slowmo, Armedangels oder Kuyichi. Sie räumen mit dem verstaubten Vorurteil auf, dass Öko-Mode langweilig aussehe, und treffen dabei voll den Nerv der Zeit. Ihre Philosophie: Bio ist kein Trend, sondern Einstellung. Der deutsche Hersteller Slowmo etwa kann sich rühmen, dass seine Produktpalette zu 100% kontrolliert-biologisch und fair gehandelt, frei von Kinderarbeit, Ausbeutung, Genmanipulation und Umweltverschmutzung ist. Es lebe das gute Gewissen beim Öffnen des Geldbeutels!

Die kleinen Labels zeigen, wie es geht. Ihre Verve zahlt der Kunde in barer Münze und Wertschätzung für die Marke zurück. Dabei profitieren sie nicht von einem weit verzweigten Filialnetz, sondern nutzen den Onlinehandel. Ganz selbstverständlich können sich die Kunden via Internet direkt beim Hersteller über die Ware informieren oder Zertifikate einsehen, während sie sich für Größe und Farbe entscheiden und das Produkt dann in den Warenkorb legen. Dazu laden die Designer zum Stakeholderdialog über Facebook oder Twitter ein. Der Point of Sale als Marktplatz der Informationen. Aber während es die einen schier herausposaunen, wie grün und verantwortungsvoll sie sind, hält sich die Werbung für Ökoware bei den Marktriesen noch in Grenzen. Zu groß scheint das Risiko, dass doch noch der ein oder andere kritische Konsument nachhakt.

Und trotzdem hat ein Umdenken in der Modewirtschaft begonnen. Die Anhänger einer neuen grünen Revolution belohnen zunehmend avantgardistische Marken mit Gewissen. Auch wenn die Marken unterschiedlich sind, bleibt die Botschaft die gleiche: du kannst Kleidung tragen, die nicht zum Klimawandel beiträgt oder Kinder ausbeutet – und dabei auch noch gut aussehen! Damit nutzen die Labels die Klaviatur des Marktes. Viele spielen darauf so gut, dass man sich als gewissenhafter Verbraucher die Frage stellt: Gibt es noch eine Alternative zum Umstieg auf sozialverträgliche Mode?


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