Die gute Nachricht über ihr Unternehmen verkehrt sich in eine schlechte und die Glaubwürdigkeit ist zerstört. In Zeiten von Internet und Smartphone sind halbwahre Botschaften schnell enttarnt. Drei entscheidende Schritte bewahren Unternehmen vor der Greenwashing-Falle.
Von Hans-Dieter Sohn
Für ein Lehrbuch zum Thema „Greenwashing“ wäre der „grüne Energieriese“ aus dem RWE-Imagefilm ein heißer Kandidat: 2009 streifte der größte CO2-Emittent Europas in Gestalt eines knuffigen grasgrünen Riesen durch sonnige Täler, pflanzte kleine Windräder und Gezeitenkraftwerke, rollte saftig grünen Rasen aus und pustete graue Wolken beiseite. Die Realität sah anders aus: Der Anteil erneuerbarer Energien im RWE-Strommix lag bei knapp über zwei Prozent und Gezeitenkraftwerke gab es bei RWE nur auf dem Papier. Eine „plumpe Kampagne“ und ein „besonders gutes Beispiel für Greenwashing“, kommentierte „Der Spiegel“.
Doch nicht mehr nur kritische Journalisten identifizieren, sammeln und kommentieren Beispiele für Greenwashing. Dank Internet und Smartphones können sich Verbraucher über „Transparenzmaschinen“ wie „We Green“ oder Smartphone-Applikationen wie „Barcoo“ oder „Codecheck“ für Produktinformationen oder mit der „Good Guide Transparency Toolbar“ für den Online-Einkauf bei Amazon in den USA immer schneller ein Bild von der Nachhaltigkeit der Firmen und ihrer Produkten machen. Und via Social Media erwarten auch andere Stakeholder, dass Unternehmen zu ihren Nachhaltigkeits-Bemühungen Stellung beziehen. „Statt ‚Tue Gutes und rede darüber‘ muss es heute eher heißen: ‚Tue nachhaltig Gutes und stelle Dich immer wieder der Diskussion darüber’“, erklärt Sven Griemert, CSR-Experte der Berliner Agentur Johanssen + Kretschmer.
Aus Unwissenheit am Pranger
Wo genau die Grenze zwischen dem „Guten“ und dem Greenwashing verläuft, dazu gibt es keine allzu klare Definition. Die Autoren des Greenwashing-Blogs „Klima-Lügendetektor“ etwa berufen sich unter anderem selbstgerecht auf ihre „Wut“ darüber, „dass sich Unternehmen als Klimaschützer präsentieren“. Schwammige Kriterien machen es für Firmen schwierig, das Risiko einzuschätzen, selbst an den Pranger gestellt zu werden.
Wie Unternehmen glaubwürdig ihre CSR-Aktivitäten kommunizieren, „ist in Wissenschaft und Praxis noch wenig erforscht“, beklagt Martina Hoffhaus, Inhaberin der Agentur messagepool-Nachhaltigkeitskommunikation und Leiterin des Arbeitskreises CSR-Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Public Relations (DPRG.) Häufig fehlt Orientierung: „Greenwashing passiert meist aus Unwissenheit, unternehmerische Verantwortung so zu verorten und zu kommunizieren, dass sie ihrem Anspruch gerecht wird“, ist sich Martina Hoffhaus sicher. Thomas Melde, Geschäftsführer der Münchner Agentur akzente, empfiehlt als Grundsatz: „Die Kommunikation sollte ihre Botschaften klar entlang der Wertschöpfungskette definieren und mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens abgleichen“.
7 Sünden des Greenwashing
Klar ist: je strenger die Greenwashing-Regeln definiert werden, desto höher ist das Risiko für Unternehmen, gebrandmarkt zu werden: „Über 98 Prozent der von uns untersuchten 2200 Produkte auf dem nordamerikanischen Markt verstoßen gegen mindestens eine Greenwashing-Sünde“, brüstete sich 2009 die britische CSR-Marketingagentur Terrachoice, die sieben „Sünden des Greenwashing“ identifiziert hat. Diese entsprechen weitgehend den – allerdings positiv formulierten – Empfehlungen, die das britische Umweltministerium DEFRA in diesem Jahr für die verantwortungsvolle Umweltkommunikation veröffentlicht hat:
Als ersten Schritt rät DEFRA, sicherzustellen, dass die Botschaft relevant ist und einen tatsächlichen Nutzen für die Umwelt bringt. Vergleichen Sie dazu den Inhalt Ihrer Botschaft mit der gesamten Bilanz Ihrer unternehmerischen Nachhaltigkeit, rät das Ministerium. „Wenn ein großes Industrieunternehmen eine kleine Solaranlage auf dem Firmendach installiert, bringt das keinen bedeutsamen Fortschritt“, gibt auch Thomas Melde zu bedenken.
Achten Sie zudem darauf, den zusätzlichen Nutzen deutlich zu machen, der über die branchenüblichen Leistungen und über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus geht, lautet ein weiterer Rat. Als Nespresso im Frühjahr ankündigte, die Recycling-Quote seiner Aluminium-Kapseln bis 2013 auf 75 Prozent verdreifachen zu wollen, wetterte der „Klima-Lügendetektor“ über diesen „lausigen Wert“, verglichen mit dem deutschen Durchschnitt von mehr als 80 Prozent aller Alu-Verpackungen, die wiederverwertet werden. Auch Vergleiche mit anderen Produkten oder Unternehmen müssen laut DEFRA auf einer fairen und nachvollziehbaren Grundlage angestellt werden. Der Verweis auf eine bessere Leistung als „herkömmliche“ Konkurrenzprodukte reicht hier also nicht aus.
Als zweiten Schritt empfiehlt das Ministerium, die Botschaft klar und präzise zu formulieren und zu illustrieren. Mögliche positive Umwelteffekte dürften nicht übertrieben werden, ebenso verpönt seien das Weglassen von Informationen und die Möglichkeit der Missinterpretation. Vattenfall warb 2007 mit seiner „Pilotanlage für ein CO2-freies Braunkohlekraftwerk“ – bei dem aber CO2-Emissionen erst entstehen und dann abgetrennt und gespeichert werden.
Der genaue Inhalt der Botschaften müsse immer deutlich erkennbar sein, rät DEFRA. Wird von der Herstellung gesprochen? Vom ganzen Produkt oder nur einem Teilaspekt? Für Sven Griemert müssen Botschaften stets die Haltung des Unternehmens transportieren. Im Umkehrschluss gelte: „Themen mit der Kommunikation oder werblich in den Vordergrund zu stellen, die nicht der tatsächlichen Haltung des Unternehmens entsprechen, ist eine Todsünde in der CSR-Kommunikation“. Das Ministerium rät zudem, eine einfache Sprache zu verwenden und Worthülsen zu vermeiden, die Raum für Interpretation lassen, wie etwa ein „umweltfreundliches Produkt“.
Bilder bergen Risiken
Bei der Frage, ob Zusatzinformationen notwendig sind, empfiehlt DEFRA: Prüfen Sie zunächst, ob die Hauptbotschaft so klar gemacht werden kann, dass weitere Infos verzichtbar werden. Bianca Wiedemann, Geschäftsführerin der Münchner Unternehmensberatung fair society, empfiehlt, auf weiterführende Informationen entweder in einem Nachhaltigkeitsbericht einzugehen, oder solche Informationen auf Nachfrage bereit zu halten.
Prüfen Sie, ob alle Bilder und Symbole exakt zur Botschaft passen und nicht Raum für Missinterpretation lassen, rät das Ministerium weiter. Shell etwa wurde 2007 für eine Anzeigenkampagne gerügt, in der eine Raffinerie gezeigt wurde, aus deren Schornsteinen keine Abgase strömten, sondern Blumen wuchsen.
„Stellen Sie sicher, dass Ihre Botschaften überprüfbar sind“, empfiehlt das Ministerium als dritten Schritt. „Wer seinen Nachhaltigkeitsbericht nach den Richtlinien der Global Reporting Initiative erstellt, wird merken, dass die meisten Aspekte messbar sind“, erläutert Sven Griemert. Mit periodisch erscheinenden Nachhaltigkeitsberichten müssen die Botschaften stets neu überprüft werden. Besondere Glaubwürdigkeit erhalten Nachhaltigkeitsberichte zudem, wenn sie testiert sind. „Wer künftige Leistungen und Vorhaben verspricht, muss auch klar sagen, wie er das erreichen will“, ergänzt Bianca Wiedemann. Auf Worte müssen Taten folgen, die transparent gemacht werden. „Machen Sie Ihre Annahmen, Hintergründe und Informationen Ihrer Botschaft nachvollziehbar und stehen Sie für Rückfragen Rede und Antwort“, rät das Ministerium. Mut zum Zwischenergebnis gehört dazu: Das „Dilemma-Reporting“ spielt eine wichtige Rolle für die Glaubwürdigkeit, ist Thomas Melde überzeugt, „Unternehmen sollten nicht nur offen damit umgehen, in welchen Bereichen sie schon Fortschritte erzielt haben, sondern auch wo sie noch Handlungsbedarf sehen.“ Eine Gratwanderung, räumen Kommunikations-Experten ein. „Stakeholder wollen auf Augenhöhe beteiligt werden und einen ‚Return on Involvement‘ sehen“, betont Martina Hoffhaus, „aber niemand muss schlafende Hunde wecken“.
Autor: Hans-Dieter Sohn
Der Beitrag ist zuerst erschienen im CSR MAGAZIN Nr. 3 (3/2011)