Ein Büro wird angemietet, Presseerklärungen werden verschickt und die Rede von neuen Märkten und Absatzmöglichkeiten macht die Runde. Doch im Alltag wird der Mittelstand mit einer der Schattenseiten des internationalen Geschäfts konfrontiert: der Korruption.
Von Anke Butscher
„Natürlich gibt es korruptionsfreies Geschäft, aber in einer Menge von Ländern läuft nichts ohne Korruption“, sagt Caspar von Hauenschild, Vorstand von Transparency International. Obschon in den meisten Ländern offiziell strenge Anti-Korruptionsgesetze gelten, sind Bestechungsgelder an Geschäftspartner oft allgemeine Praxis. Nach wie vor ist Korruption ein Bestandteil bei der Auftragsakquisition auf dem internationalen Parkett. Auch Formen von politischer Korruption sind in vielen Zielmärkten des Mittelstands eine nicht zu unterschätzende Größe. Diese negativen Begleiterscheinungen der neuen Märkte betreffen immer mehr mittelständische Unternehmen. Denn die Öffnung der Märkte, sinkende Transportkosten, der technische Fortschritt und das zunehmende Aufbrechen der Wertschöpfungskette ermöglichen dem Mittelstand internationale Geschäfte.
Deutsche führen bei Internationalisierung
Insgesamt sind deutsche Mittelständler bereits wesentlich stärker auf dem globalen Markt präsent als vergleichbare Unternehmen aus anderen europäischen Ländern. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erwartete für 2010, dass sich rund 900.000 kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten im Ausland engagieren. So stellt auch Günther Enger, Geschäftsführer Landesverband Hamburg des Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), fest: „Für den Mittelstand sind die neuen Märkte zunehmend interessanter, da die Konjunktur hier durch den demographischen Wandel nachlässt und global eine hohe Nachfrage nach deutschen Produkten besteht. Damit tun sich neue Möglichkeiten für den Export auf.“ Und neue Probleme: Im „Gefahrenbarometer 2010“ von Corporate Trust bezeichnen immerhin 66,4 Prozent der 5.154 befragten mittelständischen Unternehmen Korruption, Industriespionage und organisierte Kriminalität als die größten Risiken im Ausland.
Korruption ist teuer
Dennoch setzen sich zu wenige Mittelständler systematisch mit korruptiven Machenschaften und Mechanismen auseinander und ergreifen wirksame Präventiv-Maßnahmen. Das mag auch daran liegen, dass sich mittelständische Firmen gemäß der Studie „Wirtschaftskriminalität in Deutschland 2010“ der Beratungsgesellschaft KPMG für weniger gefährdet halten als Großkonzerne. Aufgrund der persönlichen Strukturen und des Vertrauensverhältnisses zu ihren Mitarbeitern vernachlässigen sie interne Kontrollsysteme. „Die Risiken sind dem Mittelständler meist nicht so präsent, es fehlt schlicht an der mangelnden Sensibilisierung für die Risiken und an der Information“, stellt Günther Enger fest. Am Anfang stünden häufig Unerfahrenheit und die Angst vor den Kosten. Dabei gilt das Motto: „If you think anti-corruption is expensive, try corruption.” Sowohl die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsdelikten als auch die Mehrkosten durch Korruption können Unternehmen teuer zu stehen kommen. Laut „Corruption Report 2009 – Corruption and the Privat Sector“ von Transparency International zahlen Firmen bis zu 40 Milliarden US-Dollar jährlich an Regierungsbeamte und Politiker in Entwicklungs- und Transformationsländern. Doch entgegen der landläufigen Meinung ist Bestechung kein notwendiges Übel, ohne das die Aufträge ausbleiben würden. „Wer ein gutes Produkt hat, muss nicht bestechen“, stellt Caspar von Hauenschild fest. „Auch in China und Russland zeigt sich, dass Geschäfte ohne Korruption möglich sind.“
Was ist zu tun?
Die Korruptionsprävention sollte nicht nebenbei erledigt werden. Für das Aufstellen der internen Richtlinien sind der Inhaber selbst oder seine Führungskräfte zuständig, denn ohne Führungskultur funktioniert Korruptionsprävention nicht. Angepasste Strategien bzw. Regelwerke für den Mittelstand, quasi Compliance Management Systeme „light“, die die Bereiche Personal, Recht und Organisation umfassen, stellen eine weitgehende Risikoabdeckung sicher. Als erste Schwachstellenanalyse zur Erkennung möglicher Risikofelder im Unternehmen können interne „Self-Audits“ auf Grundlage von Checklisten dienen, wie sie beispielsweise Transparency International anbietet. „Die Risiken sind genau abzuwägen. Das mittelständische Unternehmen sollte das Land, den Markt und sein eigenes Geschäftsgebaren in der Vergangenheit genau analysieren“, empfiehlt Caspar von Hauenschild. „Wer das nicht will, ist ein Weggucker, dem ist es egal, wie das Geschäft zustande kommt.“ Bei der Analyse von Zielmärkten und Standorten unterstützt der Corruption Perception Index von Transparency International, der den Korruptionslevel in 178 Ländern misst. Anregungen für eigene Aktivitäten bietet der Verhaltenskodex „Korruption bekämpfen“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Grundsätzlich sind die Trennung von Planung, Vergabe und Abrechnung und das Vier-Augen-Prinzip unternehmensintern Pflicht. Durch „Collective Actions“ wie die gemeinsame Entwicklung von Antikorruptionsleitlinien im eigenen Verband oder in der eigenen Branche gewinnen Mittelständler Koalitionspartner beim Kampf gegen Korruption. Der Erfahrungsaustausch sollte insbesondere von den Verbänden des Mittelstandes und den Industrie- und Handelskammern organisiert werden. „Bewusstsein für Trends und Themen schaffen, das ist unsere Aufgabe. Hier tragen lebendige und praktische Beispiele und der Austausch über diese zur Aufklärung bei“, sagt Günter Enger.
Mitarbeiter sind der Schlüssel
Und ganz wichtig bei der Prävention von Korruption sind die Mitarbeiter selbst. Sie können über „Audits from Below“ in die Entwicklung unternehmenseigener Antikorruptionsleitlinien einbezogen und im Umgang mit und im Erkennen von Korruptionsfallen geschult werden. Dies schafft Sensibilisierung und Akzeptanz. Instrumente für Beschwerdeverfahren wie Ombudsmänner oder Vertrauensanwälte, die Korruptionsanzeigen von Mitarbeitern aufnehmen und anonym weiterverfolgen, runden die Implementierung eines konsequenten Programms zur Korruptionsbekämpfung ab.
Autorin: Dr. Anke Butscher
Der Beitrag erschien zuerst im CSR MAGAZIN Nr. 2 (2/2011)