Von Jutta Hartlieb
Straßburg > Schauplatz ist das Büro des spanischen Europaabgeordneten Pablo Zalba Bidegain: Eine vermeintliche Lobbyistin bietet dem 36-jährigen Konservativen Bares an, damit er in einem geplanten EU-Gesetz zu Entschädigungen für geprellte Anleger einige „kleine Änderungen“ einbringt. Zalba Bidegain sagt zu, sichtlich erfreut. Sein Pech: Er ist einer Journalistin der britischen „Sunday Times“ auf den Leim gegangen. Die Szene wurde mit einer versteckten Kamera gefilmt und ist nun im Internet auf Youtube zu sehen.
Die Zeitung hat nach eigenen Angaben 60 EU-Volksvertretern eine Falle gestellt. Mindestens vier von ihnen zeigten sich demnach bestechlich. Zwei von ihnen, der österreichische Christdemokrat Ernst Strasser und der slowenische Sozialist Zoran Thaler, legten mittlerweile ihr Mandat nieder. Der ebenfalls ertappte rumänische Sozialist Adrian Severin und Zalba Bidegain wollen ihren Sitz hingegen behalten – und damit auch die äußerst großzügigen Diäten und Spesen.
Im Europaparlament sorgt der neue Skandal für helle Aufregung. Schließlich ist das Parlament schon öfters in Verruf geraten, weil Abgeordnete mit falschen Einträgen in Anwesenheitslisten Tagegelder erschummelten oder die großzügige Mitarbeiterpauschale von über 21.000 Euro im Monat zweckentfremdeten.
Präsident Jerzy Buzek zog nun die Notbremse. Angesichts des „enttäuschenden Verhaltens“ einiger Abgeordneter würden die Spielregeln für Lobbyisten und Abgeordnete verschärft, kündigte der polnische Konservative an. Außerdem gab Buzek seinen Widerstand gegen Ermittlungen der EU-Behörde zur Betrugsbekämpfung OLAF auf. OLAF dürfe gegen die verdächtigten Abgeordneten ermitteln, teilte er mit. Dazu habe er der Behörde Unterlagen der „Sunday Times“ zur Verfügung gestellt.
Durchsuchungen der Abgeordnetenbüros durch OLAF-Ermittler lehnt Buzek aber weiterhin ab – unter Hinweis auf die parlamentarische Immunität der 636 Mitglieder des Parlaments. Diese kann zwar aufgehoben werden, aber nur auf Antrag einer Staatsanwaltschaft.
Der Parlamentspräsident schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, die Bestechung von Angeordneten erschweren sollen. So sollen sich Vertreter von Lobby-Verbänden künftig obligatorisch in ein Register eintragen. Bislang ist dieser Eintrag freiwillig. Außerdem sollen Abgeordnete verpflichtet werden, alle Kontaktpersonen von außen anzugeben, die ihnen während eines Gesetzgebungsverfahrens als „Berater“ zur Seite standen. „Das ist höchste Zeit“, betont die belgische Grüne Isabelle Durant. Zumal die Lobbyisten immer aktiver würden.
Die rund 5000 in Brüssel akkreditierten Interessenverbände haben in der Tat schon lange erkannt, dass das Europaparlament inzwischen alles andere ist als ein zahnloser Tiger. Immerhin verabschiedet das Parlament über 80 Prozent der EU-Gesetze gemeinsam mit den Regierungsvertretern im Ministerrat. Entsprechend hartnäckig versuchen Lobbyisten im Europaparlament auf die Gesetzgebung – etwa zu Autoabgasen oder Zusatzstoffen in Kosmetika – einzuwirken.
Im Prinzip müssen sich die Lobbyisten im Parlament durch ein rotes Abzeichen kenntlich machen. Manchen Abgeordneten reicht dies aber nicht aus. Der CDU-Politiker Werner Langen etwa fordert deutlich strengere Regeln: Interessenvertreter sollten nur noch auf Einladung eines Abgeordneten und für einen „konkreten Anlass“ Zugang zum Parlament bekommen.
Der deutsche Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim hält denn auch die ganze Aktion Saubermann für unzureichend. Derzeit gebe es für Bestechlichkeit von Parlamentariern keinen „wirksamen Straftatbestand“, erläutert der Verfassungsrechtler. Dies gelte auch für Deutschland. Zwar mache sich ein Abgeordneter strafbar, wenn er sich sein Abstimmungsverhalten bezahlen lasse. „Wenn ihm aber jemand einen Sack Geld hinstellt und er das annimmt, etwa für eine wohlwollende Haltung, bleibt er straflos“. Die Zahlung unterliege nur der Schenkungssteuer.