Berlin > Von den großen Öl- und Gaskonzernen berichten 65% über Standards, Organisationsstrukturen und Partnerschaften, 43% berichten über ihre Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, aber nur 16% berichten über das technische und wirtschaftliche Engagement in den Förderländern. Das zeigt eine gestern von Transparency International vorgestellte Untersuchung von 44 Unternehmen, die in 73 Ländern weltweit tätig sind und zusammen 60% des weltweiten Öls und Gas produzieren.
Öl- und Gaskonzerne transferieren enorme Geldbeträge in die Förderländer, indem sie Lizenzgebühren, Steuern und Dividenden zahlen oder lokale Kommunen unterstützen. Jedoch verwandelt lange nicht jedes Förderland seinen Ressourcenreichtum in Wohlstand für seine Bevölkerung. Die Kombination von hohen Gewinnmargen im Öl- und Gasgeschäft und einer sehr armen Bevölkerung in vielen Förderländern lässt die zur Korruptionsbekämpfung notwendige Transparenz besonders wichtig werden. Öl- und Gaseinnahmen können die sozioökonomische Situation einer Bevölkerung stärken – oder regierende Minderheiten an der Macht erhalten. Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, verweist in diesem Zusammenhang auf die aktuellen Ereignisse in Libyen: „Vielleicht steigt durch die aktuellen Vorkommnisse in Libyen das Interesse von Investoren und Analysten, viel genauer als bisher zu erfahren, wie viel Geld auf welchem Weg an welche Regierungen fließt. Zur Beurteilung des Risikos einer Investition ist das sicher nicht unwesentlich.“
Mit den Einnahmen aus der Ausbeutung natürlicher Ressourcen könnten Regierungen Ausbildung und Gesundheitsvorsorge stärken, eine Wasserversorgung aufbauen oder Kleinunternehmer fördern. Die Bürger ihrer Staaten haben ein Recht zu erfahren, was mit den Einnahmen geschieht, heißt es in dem Transparency-Bericht mit dem Titel PROMOTING REVENUE TRANSPARENCY – 2011 REPORT ON OIL AND GAS COMPANIES. Transparency setzt bei den Unternehmen an und fordert dort Transparenz ein.
Eine wichtige auf diesem Gebiet tätige Initiative ist die „Extractive Industries Transparency Initiative“ (EITI). Ihr Ziel ist es, die Korruption in rohstoffreichen Ländern zu bekämpfen, indem Zahlungen der rohstofffördernden Unternehmen an Staaten und deren Verwendung transparent gemacht werden.
Die Zahl der Öl- und Gasunternehmen, die über ihre Antikorruptionsstrategien berichten, steigt. Eine kleinere Gruppe an Unternehmen verweigert hier jedoch beständig eine Berichterstattung. Ebenso steigt die Zahl der Unternehmen, die detailliert und auf das jeweilige Land bezogen über ihre Aktivitäten in Förderländern berichten. Mit 16% ist sie insgesamt jedoch noch viel zu gering. Einige Unternehmen verweigern jegliche Berichterstattung über Transferleistungen an die lokalen Regierungen.
Hier setzen Forderungen von Transparency International an: Die Unternehmen der Öl- und Gasindustrie sollten differenziert über ihr Engagement in Förderländern und ihre Antikorruptionsprogramme berichten und diese Informationen Stakeholdern leicht zugänglich auf ihren Websites zur Verfügung stellen. Zudem sollten Unternehmen über ihre Antikorruptionsprogramme unabhängig zertifizieren lassen. Ratingagenturen und Analysten sollen die Transparenzmaßnahmen in ihre Risikoevaluierungsmodelle aufnehmen.
Als einziges Unternehmen aus Deutschland wird Wintershall im Bericht bewertet. Das Unternehmen hat sich im Gegensatz zu vielen anderen aus den USA und Europa bisher nicht der EITI angeschlossen.
Der Bericht im Internet:
http://transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Internationales/TI_PRT_2011_report_FINAL_EN.pdf