Von Gabrielle Grenz
Paris > Schätzungsweise 500 Tonnen winziger Plastikteilchen aus Abfällen schwimmen derzeit im Mittelmeer, dienen dem Plankton und damit Fischen als Nahrung und können so auf unseren Tellern landen. Dies sind die ersten Schlüsse einer bisher in Europa einmaligen Forschungsexpedition. Die Menge entspreche etwa 250 Milliarden Partikeln mit einem Durchschnittsgewicht von 1,8 Milligramm, die über das ganze Mittelmeer verteilt sind, erläutert François Galgani vom französischen Meeresforschungsinstitut Ifremer.
Mitglieder der Vereinigung Mittelmeer in Gefahr (MED) unternahmen im vergangenen Juli auf eigene Kosten eine Expedition entlang der Mittelmeerküsten von Frankreich, Norditalien und Spanien. „Wir haben Wasserproben bis zu einer Tiefe von 15 Zentimetern auf ihren Gehalt an Plastikteilchen untersucht und die Summe dann hochgerechnet“, berichtet der Leiter der Expedition, Bruno Dumontet. Das Ergebnis sei „besonders beunruhigend“ – auch wenn aus tieferen Wasserschichten bisher keine Proben entnommen worden seien. Ausgewertet wurden die Proben dann vom Ifremer und dem Meeresforschungsinstitut der Universität im belgischen Lüttich.
Der Wissenschaftler Jean-Henri Hecq vom Lütticher Meeresforschungsinstitut entdeckte bei der Analyse der Proben vor allem, dass Algen die Mikro-Partikel besiedeln. Diese stammten von allem möglichen Plastikabfall – etwa Verpackungen -, den Menschen auf den Stränden zurücklassen oder von Schiffen aus ins Wasser werfen. Ein großer Teil des Mülls wird auch von Flüssen angeschwemmt oder vom Wind ins Meer geblasen.
Noch in diesem Jahr wollen Forscher an die gleichen Stellen zurückkehren und untersuchen, ob sich die Verschmutzung verschlimmert hat. Außerdem sollen die Expeditionen unter anderem auf die Küsten Nordafrikas und Süditaliens ausgedehnt werden. Unter die Lupe wollen die Wissenschaftler zudem Wasserproben entlang der Küsten der Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien.
Die aktuelle Belastung des Mittelmeers durch die Mikro-Plastikteilchen sei nicht mehr rückgängig zu machen, warnt Dumontet. Um zu verhindern, dass das Mittelmeer eine regelrechte „Plastiksuppe“ wird, gebe es daher nur eine Lösung: Die Verschmutzung müsse an der Quelle eingedämmt werden.
Dazu haben die Initiatoren kürzlich unter dem Motto „un million de clicks pour la Méditerranée“ („eine Million Mausklicks für das Mittelmeer“) eine Internet-Petition lanciert. Ziel ist es, die erforderliche Zahl von einer Million Unterschriften für ein EU-Bürgerbegehren zu sammeln. Es soll die EU-Kommission auffordern, mit neuen Vorschriften umweltfreundlichere Verbraucherprodukte – vor allem Verpackungen – durchzusetzen. So soll der Verbrauch von Einwegverpackungen stärker eingeschränkt werden, als dies in der heute gültigen Verpackungsrichtlinie aus dem Jahre 1994 der Fall ist.
Möglich macht ein solches Bürgerbegehren der vor einem Jahr in Kraft getretene EU-Vertrag von Lissabon: Demnach können Bürger mit Petitionen, die mindestens eine Million Unterschriften erhalten, von der EU-Kommission Gesetzesvorschläge fordern. Die EU-Kommission ist zwar nicht an die Vorschläge gebunden, zumindest aber haben die Initiatoren das Recht auf eine öffentliche Anhörung. Und wenn die Kommission ihre Forderung ablehnt, muss sie das ausreichend begründen.