Von Martin Achter
Bonn > Am Ende muss ein einzelner Abteilungsleiter die Verantwortung für einen der größten Datenschutz-Skandale in der jüngsten deutschen Geschichte alleine tragen: Im Prozess um die Spitzelaffäre der Deutschen Telekom verurteilte das Landgericht Bonn am Dienstag den Hauptangeklagten, den Ex-Abteilungsleiter der Telekom-Konzernsicherheit, Klaus T., zu dreieinhalb Jahren Haft. Die frühere Telekom-Spitze um Ex-Konzernchef Kai-Uwe Ricke und den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Zumwinkel kam ungeschoren davon. Das Gericht deutete aber an, dass in dem Verfahren womöglich nicht alle bestraft wurden, die für die Affäre Verantwortung trugen.
Mit dem Prozess geht die juristische Aufklärung der Vorfälle bei der Telekom in den Jahren 2005 und 2006 weitgehend zu Ende. Bei der Begründung seines Urteils betonte der Vorsitzende Richter, Klaus Reinhoff, die besondere Schwere des Geschehenen: Die Vorkommnisse als Affäre zu bezeichnen, sei womöglich „noch zu tief gegriffen“, sagte Reinhoff. „Das sind massivste Straftaten, das ist keine Affäre.“
Bekannt geworden war der Datenschutzskandal 2008, nachdem die Telekom Strafanzeige erstattet hatte. Sie hatte systematisch Telefonverbindungen zwischen Arbeitnehmervertretern und Journalisten auswerten lassen. Betroffen waren bis zu 60 Menschen, darunter prominente Gewerkschaftsvertreter wie der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer. Ziel war es, Lecks im Konzern zu finden, über die sensible Informationen über das Unternehmen in die Medien und damit in die Öffentlichkeit gelangten.
Ex-Konzernsicherheitchef T. wurde wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis, Betruges und Untreue gegen die Telekom verurteilt. Die Vorwürfe standen im Zusammenhang mit der Spitzelaffäre. Der 60-Jährige hatte sich vom Konzern rund 175.000 Euro auf sein Privatkonto überweisen lassen. Das inoffzielle Geld sollte dazu dienen, auf dunklen Kanälen an Informationen im Zusammenhang mit dem Geheimnisverrat im Konzern zu kommen. T. veruntreute das Geld jedoch und kaufte davon Unterhaltungselektronik oder Möbel. Der von Ex-Konzernchef Ricke als zuverlässiger Beamter charakterisierte Abteilungsleiter steckte schon seit Jahren in Finanznöten.
Besonders aber T.s Verstöße gegen das Fernmeldegeheimnis wögen schwer, sagte der Vorsitzende Richter. Der Ex-Abteilungsleiter habe sich teils Methoden bedient, „die nicht einmal dem Staat zustehen.“ Dazu habe die Speicherung von Telefondaten der Betroffenen gehört. Dies sei höchstrichterlich verboten.
Aber auch mit Kritik an der Telekom sparte der Richter nicht. Angesichts des Betrugs von T. müsse „berücksichtigt werden, dass es ihm die Telekom mehr als einfach gemacht hat“, sagte Reinhoff. Bei den Methoden zur Aufklärung des Geheimnisverrats im Telekom-Konzern wiederum habe sich Ex-Konzernchef Ricke nicht über die Einzelheiten ins Bild setzen lassen. „So kann man sein Amt auch wahrnehmen“, sagte der Vorsitzende Richter kritisch über Ricke.
Reinhoff deutete an, dass in dem Verfahren nicht alle möglichen Verantwortlichen belangt worden seien. Ex-Aufsichtsratchef Zumwinkel hatte seine Zeugenaussage verweigert und sein Zeugnisverweigerungsrecht genutzt. Dies sei zwar rechtlich zulässig, führe aber dazu, „dass die Wahrheit hinter dem zurückbleibt, was eine Kammer feststellen kann“, kritisierte Reinhoff.
Auch die Gewerkschaft Verdi kritisiert, dass am Ende T. wie ein Bauernopfer in dem großen Datenschutzskandal dasteht. Nach Ansicht der Gewerkschaft hätte in dem Verfahren auch ein Manager der Telekom belangt werden müssen. „Uns fehlt der Glaube, dass es keine Mitverantwortung im Management gegeben hat“, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied und Telekom-Aufsichtsratvize Lothar Schröder.