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Reformbedürftig: OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen

Berlin > Seit gestern beraten die OECD-Mitgliedstaaten in Paris über eine Revision ihrer Leitsätze für multinationale Unternehmen. Die OECD-Leitsätze gehen auf das Jahr 1976 zurück und wurden im Jahr 2000 umfassend überarbeitet und erweitert. Sie enthalten Standards zur Verpflichtung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, zur Einhaltung von Arbeitsrechten, zum Umweltschutz sowie Empfehlungen zur Korruptionsprävention und Steuergerechtigkeit. Die Arbeiten an den OECD-Leitlinien sollen innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden und Unternehmen, Gewerkschaften und NGOs in den Beratungsprozess einbinden. Gegen die derzeitige Ausgestaltung der Leitsätze und ihre Umsetzung in der Praxis richtet sich heftige Kritik:

Germanwatch, Misereor und Transparency Deutschland fordern von den 31 OECD-Mitgliedstaaten und 11 weiteren Unterzeichner der OECD-Leitsätze, die Leitsätze zu einem wirksamen Instrument gegen unternehmerisches Fehlverhalten auszugestalten. In vielen Mitgliedsstaaten fehlt der politische Wille zur Umsetzung der Leitsätze, behauptet eine gestern veröffentlichte Studie des Netzwerk OECD Watch. Das Netzwerk kritisiert das Fehlen von Sanktionsmechanismen in den Leitsätzen. Auch in Deutschland sind nach Angaben von OECD Watch die meisten Beschwerden abgelehnt worden. Germanwatch fordert, dass gegen die Leitsätze verstoßende Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum keine staatliche Förderung wie Exportbürgschaften erhalten. Kritisiert wird von den NGOs auch das unterschiedliche Niveau der eigens zur Umsetzung der Leitsätze eingesetzten „Nationalen Kontaktstellen“. Das schaffe Willkür im Umgang mit Beschwerden. Erforderlich seien die Festsetzung von Mindeststandards für die institutionelle Struktur, Arbeitsweise, Aufgaben und Kompetenzen der Nationalen Kontaktstellen.

Als Beispiel für eine willkürliche Interpretation des Geltungsbereichs der Leitsätze verweisen die NGOs auf den Korruptionsskandal um das UN-Programm „Öl für Lebensmittel“ im Irak. Nach Auffassung der beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie angesiedelten deutschen Nationalen Kontaktstelle seien die Leitsätze nur bei Auslandsinvestitionen anwendbar. Dagegen habe es sich bei den Leistungen im Rahmen des UN-Programms um reine Liefergeschäfte gehandelt, weshalb die deutsche Nationale Kontaktstelle 2007 die Beschwerde von Transparency gegen 57 deutsche Unternehmen abgelehnte. Shirley van Buiren von Transparency Deutschland fordert daher: „In den revidierten Leitsätzen muss eindeutig festgehalten werden, dass sie für alle Geschäftstätigkeiten gelten“.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die geringe Verankerung der Menschenrechte in den OECD-Leitsätzen. Bislang findet sich lediglich im allgemeinen Grundsatzkapitel ein Hinweis darauf, dass Unternehmen die Menschenrechte der von ihrer Tätigkeit betroffenen Personen respektieren – und zwar soweit dies den internationalen Verpflichtungen des Gastlandes entspricht. „Diese einschränkende Formulierung widerspricht dem inzwischen weithin anerkannten Rechtsverständnis und jedem moralischen Gerechtigkeitsgebot“, erklärte Elisabeth Strohscheidt vom Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR. Menschenrechtliche Anforderungen an Unternehmen seien in einem eigenen Kapitel zu konkretisieren.

Die OECD-Leitsätze sind das weitest reichende Regelwerk zur Förderung von globaler Unternehmensverantwortung. Die OECD-Regierungen haben die Leitsätze 1976 erstmals verabschiedet und im Jahre 2000 umfangreich überarbeitet. Nichtregierungsorganisationen können seit 2000 Beschwerden gegen Unternehmen bei den Nationalen Kontaktstellen vorbringen. Die Leitsätze haben allerdings Schwächen in der Umsetzung und sind teilweise lückenhaft oder veraltet. Daher werden sie nun erneut überarbeitet.

Sehr ähnliche Kritikpunkte werden nicht nur von NGOs, sondern auch von Regierungsseite geäußert: S hat der Bundesrat in seinem Verhandlungsmandat für die Aktualisierung der Leitsätze festgelegt: Die Schweiz wird sich in den Verhandlungen für eine genauere Definition der Verantwortung von Unternehmen bei der Berücksichtigung der Menschenrechte und in der Zulieferkette einsetzen. Auch Rolle und Aufgaben der Nationalen Kontaktstellen seien zu klären. Aus Schweizerischer Sicht erfordern auch die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Kampf gegen die Klimaerwärmung eine Revision der Leitsätze.

Die OECD-Leitsätze zum Download im Internet:
http://www.oecd.org/dataoecd/37/38/42021472.pdf


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