Seattle > In Kenia hat sich der Geldtransfer per Handy bewährt, fast die Hälfte aller erwachsenen Kenianer nutzt ihn heute. Mit Diensten wie M-PESA haben Mobilfunknutzer die Möglichkeit, Geldbeträge schnell in die entlegensten Regionen zu transferieren. Denn bei allen Grenzen der Wirtschaftsleistung: Kein modernes elektronisches Gerät ist in dem ostafrikanischen Land so verbreitet wie das Mobiltelefon. Der Geldtransfer per Handy funktioniert einfach und innerhalb von Sekunden und gilt als sicher. Was in Kenia gelingt, soll nun auch den Menschen in Haiti zugutekommen: Die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und die „U.S. Agency for International Development“ (USAID) kündigten an, in Haiti mit einem Fonds in Höhe von 10 Millionen US-Dollar Anreize für den Aufbau von Finanzdiensten per Mobiltelefon zu schaffen. Der Fonds bietet Unternehmen, die mobile Finanzdienste auf Haiti initiieren, Geldpreise. Das erste Unternehmen, das einen den Kriterien des Fonds entsprechenden „Mobile Money“-Dienst einführt, erhält 2,5 Millionen US-Dollar. Dem zweiten Betreiber winken 1,5 Millionen US-Dollar. Und weitere 6 Millionen US-Dollar werden vergeben, wenn die ersten 5 Millionen Transaktionen stattgefunden haben.
Mehr als ein Drittel der Bankfilialen des Landes, Geldautomaten und Geldtransfer-Stationen waren während des Erdbebens zerstört worden. Das führte zu enormen Engpässen bei der Barmittelversorgung der Haitianer. Aber auch ohne das verheerende Beben galt, dass mehr als 90 Prozent der Armen der Welt keinen Zugang zu sicheren und erschwinglichen Bankkonten besitzen. Geld wird im wahrsten Sinn des Wortes verbuddelt. Wirtschaftliche Perspektiven für die Betreuung armer Kunden mit geringen Einzahlungen entwickelte das Bankensystem bisher nur unzureichend. Denn die Kosten für Bankgebäude, Personal und Geldautomaten sind enorm und kommen gerade für abgelegene Regionen nicht in Frage. Dabei haben arme Haushalte mit Zugang zu Sparkonten eine höhere Wahrscheinlichkeit, in Bildung zu investieren, ihre Produktivität und ihr Einkommen zu steigern und die Anfälligkeit für Krankheiten sowie andere unerwartete Vorkommnisse zu senken, zeigt ein Bericht des „National Bureau of Economic Research“. Die „Bill & Melinda Gates Foundation“ arbeitet daher mit einer Vielzahl an öffentlichen und privaten Partnern zusammen, um grundlegende Finanzinstrumente – insbesondere Sparkonten – für die Armen in den Entwicklungsländern zugänglich zu machen.
Auch in Haiti sollen Menschen mit ihren Mobiltelefonen Geld versenden, empfangen und verwahren können. Nach Überzeugung der Stiftung birgt „mobiles Geld“ das Potential, deren Lebensqualität erheblich zu verbessern, und bietet statt mehr Sicherheit und Kosteneffizienz als konventionelle Bankmodelle. „Mobile Money“ senkt das Risiko und die Kosten finanzieller Transaktionen, hilft höhere Einsparungen zu erzielen und
schafft Arbeitsplätze, so die Stiftung. Zudem schaffe es einen Zugang zu schwer zugänglichen, grundlegenden Dienstleistungen wie Versicherungen. „Die Schaffung eines Zugangs zu Finanzdienstleistungen für die ärmsten Familien der Entwicklungsländer kann dabei behilflich sein, den Kreislauf der Armut zu unterbrechen, indem diesen Menschen ein sicherer Ort gegeben wird, an dem sie Vermögen sparen, gegen Risiken absichern und aufbauen sowie der nächsten Generation Chancen verschaffen können“, betont Mark Suzman, amtierender Präsident im „Global Development Program“ bei der Bill & Melinda Gates Foundation.
Wirtschaftlich armen Menschen einen Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen, ist auch in Deutschland eine wachsende Herausforderung, der sich gesellschaftlich verantwortlich handelnde Finanzdienstleister nicht entziehen können. Hierzulande sind Themen etwa der Zugang überschuldeter Menschen zu Girokonten und das sogenannte Guthabenkonto (ein Girokonto, das keine Überziehung zulässt) aktuell: Nach unterschiedlichen Schätzungen sind es zwischen 200.000 und einer Million Menschen, die in Deutschland ohne Zugang zu einem Girokonto leben und deren Perspektiven entsprechend eingeschränkt sind: Denn wer eine Arbeit oder eine Wohnung sucht und auf Barzahlung besteht, dessen Chancen sinken entsprechend.