Berlin (csr-news) > Ohne eine Beteiligung der Industrie ließen sich manche internationalen Projekte nicht erfolgreich verwirklichen, ist der Bundestagsabgeordnete Rolf Koschorrek überzeugt. Know How, Finanzen und das Wissen um die Umsetzung vor Ort seien wichtige Ressourcen, die Industrieunternehmen in internationale Projekte einbringen. Koschorrek sitzt für die CDU im Gesundheitsausschuss des Bundestages und war gestern in Berlin Gastgeber einer Veranstaltung, bei der das Engagement von Novartis zur Bekämpfung von Malaria vorgestellt wurde. In diesem Jahr hat Koschorrek das IFAKARA Health Institute in Tansania besucht und berichtet darüber als ein besonders gelungenes Beispiel einer Kooperation von Politik, Industrie (in diesem Fall Novartis) und medizinisch Verantwortlichen vor Ort.
Einen praxisnahen Einblick in die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung in Ostafrika gab Nathan Mulure, der für die Malaria Initiative von Novartis Pharma in Nairobi arbeitet. Etwa 5.000 Ärzte kommen in Kenia auf 38 Millionen Menschen. Wer eine Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen will, muss gerade auf dem Land zunächst einen Arzt oder ein Gesundheitszentrum erreichen und dazu oft weite Strecken überwinden. Und wer dann sein Ziel erreicht, steht in einer Schlange: Erst vor dem Behandlungszimmer und dann wieder vor der Apotheke. Gerade bei der Malaria ist es wichtig, innerhalb der ersten 12 Stunden eine Behandlung zu erfahren, weiß Mulure, der selber etwa 30 Mal diese mit Fieberschüben verbundene Krankheit durchlebt hat. Das Fieber kommt meistens nachts, wenn in Kenia viele ihre Häuser nicht verlassen können. Und so gehen durch den späten und oft langen Weg zu einer Behandlung und durch das Schlangestehen wertvolle Stunden verloren.
Die Geißel Malaria ist bis heute nicht besiegt. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in malariagefährdeten Regionen. Die Krankheit fordert eine Million Todesopfer jährlich, 90% davon in Afrika. Besonders betroffen sind Kinder: Alle 45 Sekunden stirbt ein Kind an Malaria. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents ist die durch Stechmücken übertragene Infektionskrankheit ein großes Hindernis und verursacht hohe Produktionsausfälle. Ein entscheidendes Problem ist, dass die im Kampf gegen Malaria zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend genutzt werden. Die Armut der Betroffenen, der Zustand der lokalen Gesundheitssysteme und Bildungsdefizite sind dafür mitverantwortlich. Denn durch das Versprühen von Insektiziden in Innenräumen, den Einsatz präparierter Moskitonetze, durch Schnelltests zur Malaria-Diagnose und die verfügbaren medikamentösen Kombinationstherapien ließen sich eine Infektion oder deren fatale Folgen wirkungsvoll bekämpfen.
Der wichtigste Beitrag von Novartis Pharma steckt dabei in einem unter dem Handelsnamen Coartem vertriebenen Kombinationspräparat auf Artemisinin-Basis. Die Pflanze Artemisia annua wird überwiegend in China angebaut, dort ist der Wirkstoff seit über 2000 Jahren bekannt. Die Entwicklung von Coartem begann 1994 mit einer Zusammenarbeit von Ciba-Geigy mit chinesischen Partnern. Nach der Integration von Ciba-Geigy in den Novartis-Konzern zeigte eine Bewertung der Geschäftsfelder, dass sich mit dem Malaria-Medikament auf einem Markt mit vielen Ländern der Entwicklungszusammenarbeit kein Geld verdienen lässt. 1997 legte sich der damalige Novartis -CEO Dr. Daniel Vasella aufgrund der hohen Bedeutung des Projektes trotzdem auf dessen Fortsetzung fest. Seit 2001 gibt Novartis Coartem im Rahmen einer Public-Private-Partnership mit der WHO zum Selbstkostenpreis an öffentliche Gesundheitsversorger in besonders von Malaria betroffenen Ländern ab. Waren es 2004 noch 4 Millionen Behandlungseinheiten, so stellte Novartis 2009 bereits 84 Millionen Behandlungseinheiten zur Verfügung. Durch die höheren Abnahmemengen konnten zudem die Preise um die Hälfte gesenkt werden. Tansania, Uganda, Äthiopien und Kenia gehören zu den Hauptabnehmern. Seit dem vergangenen Jahr steht das Medikament Kindern als süße, lösliche Tablette – Coartem Dispersible – zur Verfügung.
Nach Überzeugung von Novartis erfordern die Bemühungen um eine Eliminierung von Malaria eine neue Marschrichtung: an den Bedürfnissen von Patienten zugeschnittene Produkte, solide Vertriebsketten, ein Ende der resistenz-erzeugenden Monotherapien und strenge Zulassungsanforderungen an neue Präparate. Und natürlich müssen die Medikamente für Patienten erschwinglich sein. Dazu wiederum können globale Initiativen wie „Affordable Medicines Facility for Malaria (AMFm)“ beitragen, die das Engagement von internationalen politischen Organisationen, Einzelpersonen, NGOs und der Industrie bündeln.
Noch sind lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um den unter Malaria Leidenden zu helfen – vor allem nicht in Afrika. „AIDS ist in aller Munde, aber hier sterben noch mehr Menschen an Malaria“, klagte ein ägyptischer Journalist am Rande des gestrigen Treffens. Und Koschorrek meint: Was nützt die deutsche Entwicklungshilfe, wenn die so qualifizierten Menschen hinterher an Malaria sterben?