Hannover > Wie berichten Tageszeitungen zur Corporate Social Responsibility? Tanja Stelzer, heute Kommunikationsberaterin bei Johanssen + Kretschmer, ging der Frage im Rahmen ihrer Masterarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover nach. Dazu durchforstete sie für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2007 die elektronischen Archive des Handelsblatt, der Financial Times Deutschland, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau nach Artikeln mit CSR-Bezügen. Für ihre Untersuchung identifizierte sie dabei 303 CSR-relevante Beiträge, deren Analysen einen Blick in den Umgang der Zeitungsredaktionen mit dem Thema gesellschaftliche Unternehmensverantwortung gewähren.
Über den Untersuchungszeitraum hinweg konnte Tanja Stelzer keinen kontinuierlichen, sondern einen sprunghaften Anstieg von CSR-Artikeln feststellen: Das Interesse am Thema stieg überraschend deutlich im zweiten Halbjahr 2004 und dann nochmals zu Beginn des Jahres 2007. Aktuell wäre ein Blick auf das Jahr 2009 und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die CSR-Berichterstattung interessant. Mit 64 Prozent erscheint CSR am häufigsten in tatsachenbezogenen Beiträgen. Meinungsbetonte Beiträge zur CSR machen 20 Prozent der untersuchten Artikel aus. In 81 Prozent werden die Artikel von für die Zeitungen schreibenden Journalisten verfasst, 14 Prozent der Verfasser sind Gastautoren, und zwar überwiegend CSR-Praktiker. Die Beiträge fanden sich zur Hälfte in den regulären Teilen der Zeitung und zur Hälfte in Beilagen, wobei die Bedeutung der Beilagen im Untersuchungszeitraum zunahm.
Die deutliche Mehrzahl der Beiträge (77 Prozent) beschäftigt sich dabei mit wirtschaftlichen Hauptthemen. Gesellschaftliche Hauptthemen machen dagegen 14 Prozent und politische lediglich 9 Prozent aus. Interessant ist: Die Bedeutung der wirtschaftlichen Perspektive auf CSR nahm im Zeitverlauf deutlich zu, ebenso die der zivilgesellschaftlichen Perspektive, die der politischen dagegen deutlich ab. 26 Prozent der Beiträge bieten CSR als Fachthema und erläutern, was darunter zu verstehen ist. In 62 Prozent der Artikel wird die Verantwortungsübernahme im Kerngeschäft und in 57 Prozent die zivilgesellschaftliche Dimension von CSR angesprochen, ordnungspolitische Komponenten kommen dagegen nur in 3 Prozent der Artikel zu Wort.
Eine echte Überraschung bietet die Untersuchung in Bezug auf die Akteure der CSR: Produzierende und rohstoffabbauende Unternehmen kommen nur in 10 Prozent der Beiträge als Akteure vor, obwohl CSR-Themen in diesem Unternehmenssektor eine besonders hohe Bedeutung besitzen. Die am häufigsten genannten Akteure (26 Prozent) stammen aus Dienstleistungsunternehmen und hier insbesondere aus Beratungsfirmen sowie Banken und Versicherungen. Bei den unternehmerischen Akteuren spielen unternehmensnahe Stiftungen mit 5 Prozent und Unternehmensverbände mit 4 Prozent eine wichtige Rolle. In der zivilgesellschaftlichen Sphäre stechen die Wissenschaftler mit 16 Prozent hervor, während NGOs mit 5 Prozent überraschend selten als Akteure genannt werden. In den Beiträgen aus wissenschaftlicher Sicht spielen auch kritische Anmerkungen zur CSR eine wichtige Rolle. Politische Akteure zur CSR wie die UN oder die Bundesregierung bleiben in den Berichten relativ unbedeutend.
Die Untersuchung ist nun als Buch erschienen. Tanza Stelzer: Corporate Social Responsibility in der Berichterstattung deutscher Tageszeitungen. Berlin/München/Brüssel (polisphere) 2009.
Dass Artikel zum Thema CSR den Begriff selbst vermeiden, schreibt Kristina Läsker, Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, in ihrer Einleitung zu diesem Buch: „Ob Zeitung, Zeitschrift, TV oder Radio – in deutschen Medien wird das Schlagwort konsequent gemieden. (…) CSR mag vielen Redakteure zu englisch, zu unkonkret und zu schönfärberisch klingen.“