Berlin > Deutschlands Verwaltungsapparat und seine politischen Institutionen eigenen sich nicht, um mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeit und dem globalen Wandel Schritt zu halten. Davon sind die sieben Autoren des Gutachtens „Sustainability ‚Made in Germany‘ – We Kow You Can Do It“ überzeugt, das gestern bei der Jahrestagung des Rat für Nachhaltige Entwicklung übergeben wurde. In Deutschland fehle eine Vision – ein Grand Design – mit der weiten Perspektive bis zum Jahr 2050, so die internationalen Experten. Einzelinteressen bestimmter Gruppen spielten in Deutschland eine größere Rolle als in anderen Ländern. Und die Kooperation zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor müsse gestärkt werden. Zudem sein ein stärkerer parlamentarischer Einfluss auf die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wünschenswert.
„Parlamente kranken jedoch häufig genauso wie die Regierungen an einer starken Segmentierung und Kurzfristigkeit“, heißt es in dem Gutachten. Die Experten schlagen deshalb unter anderem einen ständigen Parlamentsausschuss zur nachhaltigen Entwicklung vor. Weiter regen sie eine stärkere Führungsrolle des Bundeskanzleramtes im Bereich der nachhaltigen Entwicklung mit einem eigenen Beauftragten zu diesem Themenkreis, die Schaffung eines Ministeriums für Energie und Klimaschutz, eine verbesserte Koordination zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie öffentlich-private Partnerschaften für nachhaltiges Handeln und Roadmaps für dessen Umsetzung in einzelnen Branchen an.
Der Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Volker Hauff, bezeichnete auf der Jahreskonferenz die Konjunkturpolitik der Bundesregierung als nicht geeignet, einer Wiederholung der Finanz- und Wirtschaftskrise vorzubeugen und Deutschland auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zu bringen. Deutschlands Konjunkturpolitik müsse viel entschiedener auf zukunftsfähige, kohlenstoffarme Wirtschafts- und Technologiezweige und auf Energieeffizienz konzentriert werden, so Hauff.
Auf der Jahrestagung des Nachhaltigkeitsrates wurden zudem Nachhaltigkeitsberichte deutscher Unternehmen ausgezeichnet. Das Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Unternehmensinitiative „Future – verantwortung unternehmen“ hatten über 100 solcher Berichte analysiert. Die höchste Punktzahl in der Kategorie Großunternehmen erhielt der Bericht der BASF, gefolgt von Siemens und BMW. Als bester Berichterstatter unter den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wurde das Spezialversandhaus für umweltfreundlichen Bürobedarf Memo ausgezeichnet, gefolgt von der Öko-Brauerei Neumarkter Lammsbräu und der Berliner Kommunikationsagentur Johanssen und Kretschmer. Seit 15 Jahren bewertet das IÖW/Future-Ranking die Nachhaltigkeitsberichte deutscher Unternehmen und trägt so zu deren Qualitätsverbesserung bei. Udo Westermann von Future konnte einen positiven Trend bei der Anzahl der Berichterstatter aus kleinen und mittleren Unternehmen vermelden. Anderseits geben ein Fünftel der 150 größten deutschen Unternehmen bisher überhaupt keine Nachhaltigkeitsinformationen bekannt.
Kritisiert wurde die Preisverleihung für Nachhaltigkeits-Berichte vom CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung. Weder die isolierte Betrachtung der Berichte noch das Setzen auf freiwillige Berichterstattung sei nach Überzeugung von CorA der richtige Weg, berichtet der Nachrichtendienst epo entwicklungspolitik online. In der Auszeichnung von Unternehmensberichten durch den Nachhaltigkeitsrat sieht CorA eine bedenkliche Entwicklung: Bei der zugrunde liegenden Bewertung würden Unternehmensangaben nicht auf ihre Richtigkeit überprüft. Auch fehle eine Antwort auf die Frage, ob das Verhalten der Unternehmen einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leiste. Auszeichnungen für Berichte stünden so in der Gefahr, in der Öffentlichkeit als vermeintliche Auszeichnungen der Unternehmen selbst missverstanden zu werden.
Das Gutachten Sustainability ‚Made in Germany‘ im Internet:
http://www.nachhaltigkeitsrat.de/uploads/media/RNE_Peer_Review_Report_November_2009_06.pdf