Brüssel > Der Business Social Compliance Initiative (BSCI) ist keine Multistakeholder-Initiative, aber sehr am Dialog mit anderen gesellschaftlichen Gruppen interessiert. Das sagte BSCI-Geschäftsführer Lorenz Berzau bei einem BSCI Stakeholder Meeting gestern in Brüssel. Ein solcher Dialog sei unerlässlich für die Glaubwürdigkeit seiner Organisation, um Kritik zuvorzukommen und die Unterstützung gesellschaftlicher Gruppen zu gewinnen. Ein Dialogpartner der ersten Stunde ist Social Accountability International (SAI); die Einbindung der Clean Clothes Campaign (CCC) in den formellen Dialog gelang dagegen nicht. Um den Stakeholderdialog lebendiger zu gestalten und weitere Dialogpartner einzubeziehen, hat der BSCI seinen Stakeholder Board vor zwei Jahren neu aufgelegt. Für besonders wichtig hält Berzau die “Runden Tische” in den Produktionsländern Bangladesch, China, Indien, Marokko, der Türkei und Vietnam. Dabei wolle seine Organisation keinesfalls als Träger dieser Dialoge auftreten, vielmehr sei die Verankerung in den Ländern selbst wichtig. Hervorgegangen sind der BSCI und das Round-Table-Modell aus einer gemeinsamen Initiative der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) und der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ).
Zu den Gründungsmitgliedern des BSCI gehört die OTTO Group. Das Unternehmen ist zugleich eines der ersten SAI-Mitglieder. OTTO begann mit internen Audits und bezog später externe Auditoren ein, berichtete Sibylle Duncker für OTTO in einem Forum zum Thema “What will auditing look like in three years?” Auditierungssysteme hält Duncker heute für die richtige Lösung. Sie kann sich aber – über einen Zeitrahmen von fünf Jahren hinaus – auch eine Zukunft ohne Auditierungen vorstellen. Die Qualifizierung von Lieferanten und ihren Mitarbeitern, der Aufbau von lokalem Wissen und lokalen Fähigkeiten sowie die Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen besäßen bereits heute eine wachsende Bedeutung.
Christian Ewert von der ICTI CARE Foundation – eine Initiative des International Council of Toy Industries’ (ICTI) – beschrieb das Problem der Spielzeugindustrie und ihrer Zulieferer, jeweils kurz vor Weihnachten ein besonders Auftragsaufkommen bearbeiten zu müssen. Ein wichtiges Instrument des Supply Chain Managements sind für Ewert Schulungen für die Arbeitnehmer der Zulieferbetriebe. Hier will der ICTI gemeinsam mit der GTZ tätig werden. Wir brauchen den Aufbau von Vertrauen, betonte Ewert. Zwischen lokalen Zulieferern und ihren Auditoren dürfe es kein “Räuber-und-Gendarm-Spiel” geben. Manche Zulieferbetriebe seien heute noch sehr “kreativ” bei der Zusammenstellung ihrer statistischen Angaben. Ewert setzt auch darauf, dass diese Zulieferer den Wert eines verantwortlichen Umgangs mit ihrer Belegschaft für die Produktivität ihres Unternehmens entdecken.
Einen Trend hin zu “auditierungsfreien Zonen” sieht auch Dan Rees von der Ethical Trading Initiative (ETI). Stärker in den Blick genommen würden dabei die Bedeutung der Geschäftsbeziehung und die Stärkung des lokalen Managements. Der “Supertanker” Audits vollziehe eine Kurskorrektur, aufgrund ihrer Bedeutung für die Markenreputation würden Audits jedoch erhalten bleiben. Die Zulieferketten – und mit ihnen die Löhne in den Zulieferbetrieben – sieht Rees aufgrund der Wirtschaftskrise unter einem enormen Effektivitäts- und Preisdruck.
Einen praxisnahen Bericht von der Entwicklung des Stakeholderdialogs gab Bernardo Cruza Martos von der spanischen Handelskette El Corte Inglés. Das Thema habe sein Unternehmen über das Sponsoring einer Kulturveranstaltung in Barcelona entdeckt, wo der Stakeholderdialog zu den Rahmenbedingungen gehörte. Die Mitarbeiter von El Corte Inglés seien dann zu den Nichtregierungsorganisationen hingegangen, um deren Mitarbeit an einem solchen Dialog einzuwerben. Der Code of Conduct des Unternehmens und der CSR-Abschnitt im Geschäftsbericht seien erste Diskussionsthemen gewesen. Zum Vertrauen habe beigetragen, dass El Corte Inglés auf einige Empfehlungen des Gremiums eingegangen sei. Als besonders wichtig im Stakeholderdialog bezeichnet Martos die gemeinsame Identifizierung von Gesprächsthemen, das Erkennen und Anerkennen der Rollen der anderen Diskussionsteilnehmer und die Geduld miteinander. Drei bis vier Stakeholderdialoge finden bei El Corte Inglés pro Jahr statt. Ein Stakeholderdialog beflügelt auch die unternehmensinternen Herausforderung, etwa die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur und die Verantwortungsübernahme in der Einkaufsabteilung, befindet Martos.
Den etwa 40 Teilnehmern bot das BSCI Stakeholder Meeting jedenfalls vielseitige praxisnahe Anregungen und reichhaltig Diskussionsstoff.