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Nachhaltigkeitsbeauftragte sind Change-Manager

Frankfurt > Zum Erfahrungsaustausch über Status und Entwicklungen des wachsenden und an Bedeutung gewinnenden Berufsfeldes eines Nachhaltigkeitsbeauftragten kamen am Donnerstag knapp 80 Firmen- und Organisationsvertreter auf den AGRION-Kongress „Nachhaltigkeitsbeauftragte berichten“. Es ging um Herausforderungen und individuelle Wege einer praktischen, ökologischen und sozialen Unternehmensverantwortung im operativen Geschäft und in der Kommunikation.

Die Teilnehmer der Tagesveranstaltung im Frankfurter Finanzviertel hörten Vorträge von Dieter W. Horst (PricewaterhouseCoopers AG – PwC) und Anke Steinbach (Steinbach Strategien) über den veränderten Berufsstand eines Nachhaltigkeitsmanagers, der vom Grenzgänger zum Change-Manager avanciert. Sie verfolgten bei Podiumsgesprächen Karrieren, Erfolge, Strategien und Hindernisse der berichtenden Kollegen aus globalen Konzernen wie der Deutschen Telekom, Osram, der Otto Group oder der Deutschen Lufthansa. In Pausen und den abschließenden vier thematisch aufgeteilten Gruppengesprächen konnten Details vertieft und individuelle Fragen erörtert werden.

Keynotespeaker Dieter W. Horst, Leiter Sustainable Business Solutions bei PwC, sprach über die Historie des Berufes. Oft kämen Nachhaltigkeitsbeauftragte aus Umwelt- oder Kommunikationsabteilungen oder entwickelten ihre Karriere durch einen Quereinstieg aus dem Einkaufs- oder Finanzwesen. Mittlerweile gibt es studierte Nachhaltigkeitsmanager, die zudem ein verändertes Jobumfeld vorfinden. So wird das „Improvisationstalent vergangener Tage“, in denen Nachhaltigkeitsbeauftragte notwendige Informationen selbständig zusammentragen mussten, heute immer mehr abgelöst, u.a. durch integrierte Planungsprozesse, erklärte Horst. Dies und der Fakt, dass Nachhaltigkeitsbeauftragte immer mehr in operativen Einheiten berücksichtigt werden, also eine „Anleitungs- und Stützungsfunktion“ nachhaltiger Aspekte quer durch alle Abteilungen erhalten, sind nach Sicht des erfahrenen Beraters der ersten Stunde die wichtigsten Veränderungen des Berufsstandes. Nachhaltigkeitsbeauftragte, Sustainabilitymanager sind Menschen mit persönlichen Überzeugungen und sehr guter Dialogfähigkeit, die mit Begeisterung sich und das Unternehmen mit den wichtigen Anforderungen künftiger Generationen konfrontieren, verortete Horst und prognostizierte: Unternehmen investieren weiter in Nachhaltigkeit, Berichterstattung und Dialoge, denn sie haben erkannt, dass Megathemen wie Ressourcennutzung, Klimawandel und sozialer Wandel mit der Krise nicht an Bedeutung verlieren.

Dies bestätigte auch Anke Steinbach in ihrem Impulsvortrag. Sie bezeichnete das Nachhaltigkeitsmanagement als die Kür des Change-Managements, stellte Beispiele aus der praktischen Arbeit strategischer, nachhaltiger Veränderungen in Unternehmen vor und informierte über Changeprozesse. So lautet von Mitarbeiterreaktionen auf Veränderungsprozesse nach einer generellen Regel: 20% Veränderer, 60 % Unentschlossene (so genannte Fence Sitter) und 20% Bewahrer. Steinbach empfahl „Setzen sie auf die Fence Sitter, denn das ist die Masse der Mitarbeiter, die man bewegen kann. Mitarbeiter werden als Ressource im Veränderungsprozess zu wenig genutzt.“

Das Plenum am Vormittag beschäftigte sich mit Anforderungen und Herausforderungen des Berufes. Moderatorin Heike Leitschuh fragte die Referenten eingangs auch nach Handlungsspielräumen und aktuellen Projektarbeiten im Unternehmensalltag. Auf dem Podium: Dr. Heinz-Gerd Peters, Leiter Nachhaltige Entwicklung & Umwelt der deutschen Telekom AG, Christian Merz, Director Sustainability bei Osram, Sylke Freudenthal, Geschäftsführerin der Veolia Stiftung und Beauftragte für gesellschaftliche Verantwortung bei der Veolia Wasser GmbH und Andreas Streubig, Bereichsleiter Umwelt- und Gesellschaftspolitik der Otto Group. Alle Unternehmensvertreter berichteten über eine interne Bewegung der CSR-Abteilungen hin zur Managementebene. Unternehmensverantwortung wird Chefsache, denn ökologische Ressourcennutzung, energieeffiziente und menschenrechtsbeachtende Produktionen beeinflussen mittlerweile Marktpositionen.

Dr. Peters, promovierter Betriebswirt, setzte sich schon im Einkauf für die Beachtung nachhaltiger Momente ein und entwickelte eine Nachhaltigkeitsstrategie für diese Abteilung. Osram-Vertreter Dieter Merz, gelernter Kaufmann und Ingenieur, begann vor drei Jahren mit der Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit bei Osram. Seit Australien 2007 die Abschaffung der Glühbirnen durchsetzte, sah sich der Leuchtmittelhersteller mit den ökologischen Entscheidungen eines neuen Marktes konfrontiert. Zwar gibt es seit 2008 eine Zentralabteilung Nachhaltigkeit, die Veränderung im Konzern und eine Einleitung nachhaltiger Prozesse befinden sich noch in der Planung.
Als Meilensteine bezeichneten die Referenten beispielsweise Strategieentwicklungen im operativen Geschäft (Telekom), die Einführung und flächendeckende Umsetzung der ISO-Norm 14001 (Veolia) oder den Beginn der praktischen Umsetzung einer Klimastrategie, die vor zwei Jahren entwickelt wurde (Otto).

Eine konstante Herausforderung ihrer Arbeit ist das beständige Kommunikations- und Verhandlungsgeschick, da ihre eingeschränkte Handlungsposition und der Umgang mit sehr unterschiedlichen Charakteren dies täglich erfordern. Zu ihren Aufgaben zählt somit neben dem Management ökologischer und sozialer Komponenten eines zeitgemäß agierenden Konzerns auch die Förderung von Bewusstsein durch Information und Kommunikation – intern sowie extern. Letzteres setzten sie mit unterschiedlichen Schwerpunkten um: mal mit mehr Gewicht auf Mitarbeiterschulungen, Informationen im Intranet, Broschüren und die gezielte Auswahl von Führungskräften.

Aktuelle Schwerpunkte liegen derzeit bei der Arbeit an möglichen CO2-Reduktionen und einer Prüfungen der Lieferketten durch Audits und Kommunikationsentwicklungen. Generelle Schwierigkeiten sehen die Experten unter anderem im Zusammenwirken faktischer Ressourcenendlichkeit und mangelnder Kausallösungen, einem noch sehr weit verbreiteten fehlenden Bewusstsein und scheinbaren Dilemmata zwischen nachhaltigen (so genannten weichen Faktoren) und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Die Argumentation „Generierung von Geschäftsfeldern“ ist ein wichtiger Entscheidungsfaktor, der jedoch insbesondere dann nicht genügt, wenn es um Kosten der nachhaltigen Umstrukturierung geht.

Auf Heike Leitschuhs Abschlussfrage „Was glauben Sie, woher die Impulse für noch mehr Einfluss auf Entscheiderebene kommen werden?“ fielen Stichworte wie: Sharholdervalue Index zur Erschließung von Investorenpotentiale, stärkerer Einsatz auf kommunaler Ebene, erweiterte Darstellung globaler Entwicklungen und der dadurch folgende Druck von NGOs.

Um strategisches Nachhaltigkeitsmanagement ging es im zweiten Plenum, das Wolfgang Scheunemann von dokeo moderierte. Die Referenten, Monika Rühl (Leiterin Change Management und Diversity der Deutschen Lufthansa AG), Stefan Löbbert (Leiter Corporate Sustainability der Hypo Vereinsbank – HVB) und Dr. Bernhard Bauske (Leiter Strategische Unternehmenskooperationen des WWF Deutschland) sprachen über allgemeine strategische Momente ihrer Arbeit. So zählen zur Strategieentwicklung neben der Überarbeitung und Implementierung einer nachhaltigen Corporate Identity, Aufklärungszielen und Berichterstattungen auch die Wahl der Partnerschaften zwischen Unternehmen und Organisationen und weitere Instrumente der Kommunikation, beispielsweise Stakeholderdialoge. Die Praxisdetails waren hierbei recht gering. Über die Lufthansa erfuhren die Teilnehmer, dass die gesamte Unternehmensstrategie in Form eines Sustainability 2.0 neu aufgelegt werden soll, da Prozessschwächen erkannt wurden, die nun intern diskutiert werden.

Kaum ein Unternehmen wird mehr um eine Nachhaltigkeitsstrategie herum kommen, denn Teile der globalisierten und informierten Gesellschaft fordern Rechenschaft von Unternehmen. Organisationen wie der WWF können durch ihre ökologische und soziale Prinzipientreue heutzutage Unternehmen dadurch motivieren, dass sie nur Partnerschaften mit denjenigen eingehen, die sich entsprechend aufstellen und verhalten. Auch im Kreditgeschäft, so Löbbert, wirken allgemein bekannte Themen wie Klimawandel oder Investitionen in der Waffenindustrie mittlerweile auf die Geschäftsfelder ein. Dies schlage sich auch in veränderten Zinssätzen für Kredite nieder. Für Strategien des Nachhaltigkeitsmanagement gibt es keinen Königsweg, resümierte Scheunemann, der Nachhaltigkeitsbeauftragte muss in seinem Unternehmen jeweilige Informationen und Daten zusammentragen und jeweils spezifische Prozesse eingehen können.

Der letzte Vortrag des Kongresses behandelte den interkulturellen Faktor im Management der Nachhaltigkeit. Mareke Wieben, Leiterin Umwelt & Qualität der IKEA Deutschlang GmbH & Co. KG, berichtete aus ihren Erfahrungen auf internationalen Konzernmeetings und grundsätzlichen Unternehmenswerten, die bei IKEA als „Testament eines Möbelhändlers“ seit 1976 unverändert existieren. Im Rahmen dieser codes of conduct, die alle ILO-Normen berücksichtigen, wurde der Umgang mit knapp 1.300 Lieferanten behandelt. Sie werden dazu verpflichtet, sich an die Arbeitsschutzmaßnahmen und den Verzicht auf Kinderarbeit zu halten. Ihre Sub- und weitere Sub-Sub- Unternehmer jedoch können nicht kontrolliert werden.

In abschließenden Gruppengesprächen konnten sich die Teilnehmer mit Frau Wieden (IKEA) und den Herren Dr. Bauske (WWF), Peters (Telekom), Merz (Osram) und Löbbert (HVB) über Detailfragen einzelner Bereiche des Nachhaltigkeitsmanagements unterhalten.

Im Prozess des globalen nachhaltigen Wandels gibt es kein endgültiges Fazit, so auch nicht in diesem Kongress. Vielversprechend jedoch ist die aufkommende Dialogkultur, die es vermag, einen weiteren Austausch zwischen erfahrenen und neuen Persönlichkeiten in der Arbeit des Nachhaltigkeitsmanagements zu geben. Wie wird argumentiert, wenn es um Entscheidungen in der Lieferkette geht? Wie können Verantwortungen festgelegt und umgesetzt werden?
Die Branche entwickelt ein hohes Potential für zukunftsfähige Unternehmen und sie arbeitet aktiv an der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft. Wir können nicht mehr über Jahrzehnte auf einen Generationenwechsel warten, dafür bleibt im Hinblick auf die globale Ressourcennutzung nicht mehr genügend Zeit. Darum ist es nicht nur vor dem Hintergrund der Marktentwicklung und der Konkurrenzfähigkeit wichtig, dass viele Unternehmen nun Mitarbeiter in diese neuen Positionen bringen, sie auf Kongresse zum Erfahrungsaustausch schicken und dadurch neue Entwicklungen erarbeiten. Die Bilanz von Leitschuh zu diesem Kongress: „Dieser Beruf, in dem viele neue Gesichter und eine hohe Frauenquote zu sehen sind, garantiert Arbeitsfreude und Sinnstiftung.“

Foto: Teilnehmer am zweiten Panel (CSR NEWS)


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