Berlin > Was ist in der Wirtschaftskrise aus den LOHAS-bewegten Konsumenten geworden? Darf den Freunden eines „Lifestyle of Health and Sustainability“ die Nachhaltigkeit auch etwas kosten? Erreichen gesellschaftlich verantwortlich handelnde Unternehmen diese Menschen mit ihren Produkten – und kommen die NGOs mit ihren Themen dort an? CSR NEWS fragte dazu Claudia Kerns, deren Agentur stratum derzeit im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zu einer LOHAS-Infotour quer durch Deutschland unterwegs ist.
CSR NEWS: Wie hat sich die Zielgruppe der LOHAS in den zurückliegenden Monaten entwickelt? Wer gehört alles dazu?
Claudia Kerns: Die heterogene Zielgruppe der LOHAS weitet sich aus, wobei wir heute eher von LOHAS-affinen Zielgruppen sprechen. Denn LOHAS kommen in verschiedenen Milieus vor – insbesondere dem postmateriellen, dem etablierten und der bürgerlichen Mitte. Moderne Performer und das konservative Milieu weisen ebenfalls eine – wenn auch relativ geringere – LOHAS-Affinität auf.
CSR NEWS: Schrumpfen die LOHAS in der Wirtschaftskrise?
Claudia Kerns: Nein. Untersuchungen haben ergeben, dass durch die Krise das Vertrauen der Konsumenten noch kaum beeinflusst worden ist, der Konsumklimaindex ist stabil. Man beobachtet sogar, dass die Reaktion der Konsumenten auf die Finanzkrise in einem erhöhten Qualitäts-, Service- und Wertebewusstsein besteht. Man muss auch sehen, dass die LOHAS-affinen Zielgruppen ein überdurchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen zur Verfügung haben, das durch die Finanzkrise derzeit kaum geschmälert wird.
CSR NEWS: Sind denn die Angebote für die LOHAS und die Zielgruppe selbst kongruent?
Claudia Kerns: Es gibt eigentlich keine Konsumgüter, die unter dem Label „LOHAS“ vermarktet werden. Die LOHAS-Affinen würden dieses Etikett auch nicht verstehen bzw. akzeptieren. Bio-Produkte, Produkte aus der Region und Produkte, die ein Quantum ökosozialer Verantwortung als Zusatznutzen aufweisen, haben einen hohen LOHAS-Faktor. Dazu gehören jedoch so weit voneinander entfernte Produkte wie der FairTrade-Kaffee und der Kasten Bier aus der Krombacher-Regenwaldaktion.
CSR NEWS: Welche Themen der Zivilgesellschaft erreichen die LOHAS, und welche Themen gehen unter?
Claudia Kerns: Unsere Untersuchung zeigt, dass der Ego-Nutzen für LOHAS immer im Vordergrund steht. Das heißt zum Beispiel, dass das CSR-Engagement von Unternehmen vor allem in Bezug auf die Sauberkeit und ökologische Unbedenklichkeit der Produkte und Produktionsprozesse sowie „fühlbare“ Sozialfaktoren wie „Ausbildungsplätze für Jugendliche“ oder „Produktion am Standort Deutschland“ wahrgenommen und estimiert wird. Was ein Unternehmen aber zum Beispiel intern für die Gesundheits- oder Frauenförderung tut, erscheint nicht so interessant.
CSR NEWS: Was können NGOs tun, um ihre Themen bei den LOHAS zu platzieren?
Claudia Kerns: Sie sollten akzeptieren, dass die LOHAS-Zielgruppen eher unpolitisch und harmonie-orientiert sind. LOHAS wollen nicht missioniert werden und auch niemanden missionieren. Sie wollen das Gefühl bekommen, dass sie gut leben, genießen und trotzdem gute Menschen sein können. NGOs sollten also zum einen Lifestyle-Themen platzieren und zum anderen sich als aktive Garanten des sozialen und ökologischen Friedens darstellen können, um bei LOHAS Imagepunkte zu gewinnen. Aktive Mitarbeit oder das Unterschreiben von Protestbriefen werden sie aber nicht erwarten können. Und Spenden nur projektbezogen, wenn die genannten Bedingungen erfüllt sind.
CSR NEWS: Werden nachhaltigkeitsorientierte Programme und Produkte in der Gruppe als glaubwürdig wahrgenommen? Wo können Unternehmen besser werden?
Claudia Kerns: Ja, allerdings ist dies auch abhängig von der kommunikativen Inszenierung. LOHAS erwarten eine intelligente Inszenierung von Authentizität und Verantwortung, die jedoch über ein gewisses Maß an Kreativität und Stimulanz nicht hinaus gehen sollte. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie in dieser Inszenierung auf Augenhöhe mit den Konsumenten gehen und die gemeinsame Verantwortung herausstellen.
CSR NEWS: LOHAS wollen sicher nicht die “öffentliche Hand” als den “billigen Jakob”. Aber wären sie auch bereit, für ein nachhaltiges Verwaltungshandeln höhere Steuern und Abgaben zu zahlen?
Claudia Kerns: Wohl kaum. Sie sind, wie die große Mehrheit der Deutschen, der Meinung, dass sie schon genug Steuern zahlen. LOHAS definieren ihr Nachhaltigkeitsgewissen in erster Linie als Konsument, nicht als Staatsbürger.
CSR NEWS: Besten Dank!
Die Berliner Nachhaltigkeitsagentur stratum startete im Mai die stratum LOHAS-Infotour, die quer durch die Republik ein gutes Dutzend Stationen vorsieht. Auftraggeber ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die nachhaltigen Konsum stärken will. Die Roadshow startete am 27. Mai in Stuttgart und endet voraussichtlich am 20. August in Dresden. Heute wird die Tour in Bremen und morgen in Oldenburg zu Gast sein.
Weitere Informationen dazu im Internet:
http://www.stratum-consult.de/news/lohas-infotour-gegen-die-krise.html