Frankfurt > Christoph Dänzer-Vanotti ist Mitglied des Vorstandes der E.ON AG und dort für die Bereiche Personal und Corporate Responsibility verantwortlich. Am vergangenen Donnerstag stellte er in Frankfurt das Projekt “Leuchtpol”, eine Kooperation der E.ON mit der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e.V. (ANU), vor. Das Projekt kann sich der Aufmerksamkeit in Fachkreisen sicher sein, weil hier ein Energieversorger und eine Umweltorganisation über den Dialog hinaus in gemeinsames Handeln finden. Mit Christoph Dänzer-Vanotti sprach über dieses Projekt, die Corporate Responsibility-Strategie von E.ON und Perspektiven für die gesellschaftliche Unternehmensverantwortung in wirtschaftlichen Krisenzeiten Achim Halfmann für CSR NEWS.
CSR NEWS: “Leuchtpol” ist ein spannendes Projekt, in dem Sie und der ANU neue Wege gehen. Wie stellen Sie den Erfolg des Projektes sicher? Und was geschieht, wenn Ihre Erwartungen nicht erfüllt werden?
Christoph Dänzer-Vanotti: Für dieses gemeinsame Engagement haben wir klare Ziele vereinbart. Wir haben gemeinsam festgelegt, wie viele Fortbildungen durchgeführt und wie viele Kindergärten erreicht werden sollen. Daran orientieren wir uns. Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass Leuchtpol mit ihrer sehr professionellen Arbeit diese Ziele nicht erreichen wird. Für das Gelingen unserer Kooperation sind solche klaren und verbindlichen Ziele wichtig.
CSR NEWS: Wie passt das Leuchtpol-Projekt in die übergeordnete Corporate Social Responsibility-Strategie von E.ON?
Dänzer-Vanotti: In Deutschland sprechen wir von Corporate Responsibility und lassen das “Social” weg. Das “S” wird manchmal falsch verstanden, als ginge es dabei vorrangig um soziale Projekte und nicht um die gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Leuchtpol ist gegenwärtig unser größtes gesellschaftsbezogenes Einzelprojekt. Dennoch ist Leuchtpol Teil der größeren Initiative „Energie für Kinder“ und letztlich eingebettet in ein Verantwortungsverständnis, dass alle Dimensionen unseres Handelns umfasst. Denn wir sind uns bewusst: CR kann nur als integrierter Teil der gesamten Unternehmensstrategie erfolgreich sein. Deshalb haben wir
z. B. 2007 ein konzernweites ambitioniertes CO2-Ziel vereinbart und nehmen damit unsere Verantwortung in unserem Kerngeschäft wahr. Und deshalb führen wir mittlerweile regelmäßige Dialoge mit Nichtregierungsorganisationen auf Augenhöhe. Unsere Erfahrung dabei ist: Es gibt gemeinsame Schnittstellen. Im Leuchtpol-Projekt gehen wir nun noch einen Schritt weiter und handeln gemeinsam.
CSR NEWS: Das Jahr 2009 ist von der Wirtschaftskrise geprägt, Unternehmen erleben einen enormen Kostendruck. Was wird da aus der Corporate Responsibility bei E.ON?
Dänzer-Vanotti: Budgetanpassungen haben wir zunächst im klassischen Sponsoring beschlossen. So werden wir unser Sponsoringkonzept auf ein Thema konzentrieren: den Familienfußball. Auch aus dem Profisport-Sponsoring werden wir uns ein Stück zurückziehen. Und wir werden in Zukunft natürlich genau hinsehen, welche Projekte wir beginnen. Aber unsere CR-Strategie wird ganz klar weitergeführt
CSR NEWS: Sie tragen bei E.ON die Personalverantwortung. Welche Schnittstellen gibt es zwischen der Corporate Responsibility und dem Bereich Human Resources?
Dänzer-Vanotti: Wir führen alle zwei Jahre eine Befragung unserer gesamten Mitarbeiterschaft durch und in den Jahren dazwischen jeweils eine repräsentative Umfrage. Daher wissen wir: “Weiche” Themen wie Corporate Responsibility, aber auch Work-Life-Balance oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, besitzen für unsere Mitarbeiter eine große Bedeutung. Und das gilt zunehmend auch für Bewerber.
CSR NEWS: Welche Corporate Responsibility-Themen werden Sie in Zukunft besonders herausfordern?
Dänzer-Vanotti: Der Umwelt- und Klimaschutz ist für uns natürlich das zentrale Dauerthema. Aber es gibt auch Themen, die nicht sofort mit E.ON in Verbindung gebracht werden und die trotzdem wichtig für uns sind. Das Thema Biodiversität etwa. Denn die Masten unserer Leitungsnetze sind zugleich Gefahrenpunkte und Nistplätze für manche Vogelarten. In Bezug auf das konkrete gesellschaftliche Engagement in den Regionen hat für uns die Förderung der Energie- und Umweltbildung sowie parallel hierzu das freiwillige Mitarbeiterengagement Priorität. Zu allen Themen ist uns zudem der Stakeholderdialog wichtig. So sind wir z. B. mit Greenpeace und Bündnis 90/Die Grünen im Gespräch und wollen diesen Austausch intensivieren. Mit Greenpeace sprachen wir dabei über deren “Plan B”, den sie für die Energieversorgung der Zukunft haben, und haben diesen mit unseren Planungen verglichen. So können wir Missverständnisse ausräumen und mehr gegenseitiges Verständnis erzeugen. Für diese Gespräche ist es natürlich keine Voraussetzung, dass Greenpeace seine Aktionen wie aktuell die Proteste gegen unser in England geplantes Kohlekraftwerk einstellt.
CSR NEWS: Sie engagieren sich in England auch im Bereich Corporate Responsibility. Worin unterscheidet sich die gesellschaftliche Situation dort von unserer deutschen Situation – und was bedeutet das für Ihr Engagement?
Dänzer-Vanotti: Den angelsächsischen Raum kennzeichnet eine viel längere Geschichte des gesellschaftlichen Unternehmensengagements. Dort hat der Sozialstaat nie die Vorsorgefunktionen übernommen, die wir aus Deutschland kennen. Man denke nur daran, dass Unternehmen in den USA noch vor 15 Jahren dafür als vorbildlich ausgezeichnet wurden, dass sie für ihre Mitarbeiter eine Krankenversicherung einführten. Von daher können wir uns in England offensiver in Themenfeldern wie etwa “energy for vulnerable customers” engagieren. Auch in Deutschland bieten wir einen Sozialtarif an, aber das tun wir eher “leise”. In England engagieren wir uns daneben ebenfalls im Bildungsbereich. Unternehmensmitarbeiter werden im Rahmen von Corporate Volunteering-Programmen freigestellt und gehen in Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Da sind wir in Deutschland vorsichtiger, das könnte hier falsch verstanden werden.
CSR NEWS: Aber auch in Deutschland ist angesichts der explodierenden Verschuldung der öffentlichen Hand damit zu rechnen, dass der Staat sich zunehmend aus der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens und der Krisenabsicherung zurückzieht und neue Verantwortungsträger gesucht werden.
Dänzer-Vanotti: Als Unternehmen engagieren wir uns deshalb bereits heute in der beruflichen Integration junger Menschen. So bereiten wir im Rahmen des Projekts „Mit Energie dabei“ derzeit 550 arbeitslose junge Menschen mit einem einjährigen Trainingsprogramm auf den Berufseinstieg vor. Das tun wir sehr erfolgreich, denn 80 Prozent der Teilnehmer finden nach diesem Jahr einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Wenn es uns nicht gelingt, solche jungen Menschen zu integrieren, fällt unsere Gesellschaft auf Dauer auseinander. Deshalb sind wir auch als Unternehmen gefordert – und zwar gemeinsam mit dem Staat, der sich an diesem Programm über die Bundesanstalt für Arbeit beteiligt.
CSR NEWS: Wie zufrieden sind Sie mit den Rahmenbedingungen, die Ihnen die Politik für Ihr Engagement vorgibt?
Dänzer-Vanotti: Diese Rahmenbedingungen sind noch nicht ausreichend durchdacht. Das neue Energie- und Umweltprogramm zeigt nicht den Mut, in die Bereiche zu gehen, wo sich mit geringem Aufwand deutliche Erfolge erzielen lassen. Ich denke etwa an die Wärmeisolierung von Gebäuden. Da ist der Privatmann betroffen und die Politik reagiert zurückhaltend. Unsere Regierung setzt zum Beispiel auf Offshore-Windparks. Wir sind auf diesem Gebiet stark engagiert. Ich glaube aber nicht, dass wir hier in Deutschland kostengünstige Lösungen finden werden. Die Verankerung von Windrädern vor unseren Küsten in 40 Metern Wassertiefe ist sehr aufwendig. In der Themsemündung planen wir einen großen Windpark in einem Bereich mit einer Wassertiefe von 10 Metern. Das ermöglicht eine kosteneffektivere Winderzeugung. Deshalb setze ich gerade im Bereich der regenerativen Energien auf europäische Lösungen, unsere Projekte und Planungen müssen nationalstaatliche Grenzen überwinden.
Foto: Christoph Dänzer-Vanotti am vergangenen Donnerstag in Frankfurt (CSR NEWS)