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Erfolgreich auf Sand gebaut? – Tourismusentwicklung in den Golfstaaten

Berlin > Der Tourismus bietet den Vereinigten Arabischen Emiraten eine große Chance für eine nachhaltige Entwicklung. Der im Westen bestaunte Bau-Boom ist nicht alles, was die Staaten am Golf zu bieten haben. Wie wird jedoch die Wirtschafts- und Finanzkrise die Emirate treffen? Und war wird sie verändern? Darüber diskutierten Tourismusexperten und Kenner der Emirate am Freitag auf Einladung des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung e.V. auf der ITB Berlin. „Erfolgreich auf Sand gebaut? – Tourismusentwicklung in den Golfstaaten“ lautete der Titel der gut besuchten Veranstaltung.

Als Prof. Dr. Fred Scholz vom Institut für Geographische Wissenschaften der Freien Universität Berlin die Region 1974 zum ersten Mal bereiste, fand er dort eine beduinische, stammesorientierte Gesellschaft vor. Die Bevölkerungszahl ist seitdem von damals 200.000 Menschen auf 4,5 Millionen Menschen hochgeschnellt. Drei Viertel der Einwohner sind Nicht-Emirati, überwiegend Arbeitsimmigranten. Einen großen Teil ihrer Entwicklung verdanken die Emirate dem Öl. Das kommt allerdings nicht in allen Emiraten gleich häufig vor, und in zehn bis fünfzehn Jahren wird das „schwarze Gold“ verbraucht sein. Deshalb sucht die Region nach Alternativen – und hat den Tourismus entdeckt.

In den Jahren 2002 bis 2004 besuchten 260.000 Reisende die Vereinigten Arabischen Emirate für einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen; in den Jahren 2005 bis 2007 waren es bereits 430.000. Nach den Erfahrungen von Dr. Volker Böttcher, dem Vorsitzender der Geschäftsführung der TUI Deutschland GmbH, sind das eher reiseerfahrende Touristen mittleren Alters mit überdurchschnittlichem Einkommen. Viele nutzen eine Reise nach Asien oder auf die Malediven für einen Zwischenaufenthalt in den Emiraten. Etwa ein Fünftel aller Baukräne weltweit stehen heute dort, sagt Böttcher. Das Bauwesen in der Region boomt – noch. Jedoch werden noch nicht begonnene Projekte hinausgezögert oder aufgegeben, berichtet Dr. Iskandar El-Dick, Redakteur im arabischen Hörfunk-Programm der Deutschen Welle. Ausländischer Investoren halten sich zurück, Immobilienpreise fallen, es gibt Entlassungen. Bietet die Krise eine Chance für mehr Nachhaltigkeit in der Tourismusbranche der Emirate?

Es geschah bereits einiges in Sachen nachhaltige Entwicklung, berichtet Scholz. Die Infrastruktur und das Gesundheitswesen der Region haben sich verbessert, es sind Wasserversorgungssysteme und Agrarprojekte entstanden. Für Sheik Sultan Bin Ahmed Bin Sultan Al Qassimi liegt die Zukunft seines Emirats Schardscha in der Bildung. So entstanden in Schardscha mit seinen etwa 700.000 Einwohnern gleich zwei Universitäten: die „American University Sharjah“ und die „University of Sharjah“. Viel Wert legt Sheik Al Qassimi auch auf die Familienfreundlichkeit seines Staates und verweist auf die vielen Spielflächen und Grünanlagen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch Schardscha getroffen. 15 Prozent Umsatzrückgang im Tourismus beklagt Sheik Al Qassimi; das ist moderat. Aus den Erfahrungen von TUI bestätigt Böttcher, dass der Buchungsrückgang in Bezug auf diese Region weniger dramatisch ausfällt als in anderen Regionen. Schwierigkeiten sieht er besonders auf Seiten der Investoren. Das überwältigende Wachstum der Emirate beruhte auch auf risikofreudigen Finanzierungskonzepten – für die es nun keinen Platz mehr gibt. Böttcher rechnet deshalb mit einer Verlangsamung des weiteren Infrastrukturausbaus. Die Region bezeichnet er als politisch stabil, wobei der wirtschaftliche Fortschritt ein wichtiger Garant für die politische Stabilität war. Deshalb werden die Regierungen der Emirate alles daran setzen, den Lebensstandard ihrer Bürger in der Krise zu schützen. Das „ausfloaten“ der Fremdarbeiter hält Böttcher dabei für eine realistische Option.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist der Tourismus ein gewaltiger Motor für gesellschaftliche Veränderungen. Das wird er auch durch die Wirtschaftskrise hindurch bleiben. Sheik Al Qassimi erwartet, dass der Familien- und Kulturtourismus in Schardscha die kommenden Monate relativ unbeschädigt überstehen wird. Haben die Emirate mit ihrer Tourismusförderung wirtschaftlich erfolgreich auf Sand gebaut? Die Antwort der Diskussionsteilnehmer lautete eindeutig ja. Unter welchen Bedingungen diese Entwicklung aber auch nachhaltige Erfolge zeigt und wie es um die Corporate Social Responsibility der Handelnden steht, konnte diese Diskussion nicht erhellen.

Foto: Teilnehmer der Podiumsdiskussion (CSR NEWS)


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