Frankfurt > Nachhaltige Umstrukturierungen der Banken- und Finanzwelt werden über kurz oder lang eine Folge der Finanzkrise sein. Davon waren Vertreter öffentlicher und privater Banken, Organisationen, Medien und Berater der Finanzwelt überzeugt, als sie gestern mit über 100 Teilnehmern in Eschborn zum fünften CSR-Arbeitskreis von Ernst & Young zusammen kamen. Deutschland liegt im internationalen Vergleich mit seinem CSR-Engagement im Finanzsektor zurück, es mangelt noch an Transparenz und einer ausreichenden Bedeutung des Social Responsible Investment (SRI).
Nicht nur die aktuelle Finanzkrise treibt die Banken bei ihrer Suche nach Stabilität und Zukunftsfähigkeit an, auch der Druck durch die Öffentlichkeit und die Nachfrage an nachhaltigen Reputationen wachsen weiterhin. In der ersten Veranstaltungsrunde sprachen Podiumsteilnehmer über eine Verankerung von CSR im Risikomanagement sowie im Kerngeschäft des Finanzmarktes. Die aktuellen Existenzbedrohungen im Bankensystem seien „eine perfekte Grundlage für Nachhaltigkeit“ und der Einführung von CSR, so Peter Mayer, verantwortlich für Corporate Sustainability der Landesbank Baden-Württemberg (LBW). Deutschland stehe ganz am Anfang einer CSR-Implementierung und habe im Vergleich zu Ländern wie den Niederlanden, Spanien, USA und Australien große Aufholarbeit zu leisten, ergänzte Joachim Asbrede von der Asset 4 AG.
Nach den Worten von Stefan Löbbert, CSR-Leiter der HypoVereinsbank, sind im deutschsprachigen Raum bisher nur vereinzelt Nachhaltigkeitsstrategien eingeführt, der Branchenweite CSR-Boom jedoch stehe noch bevor. Insbesondere im Retailbereich mangele es an Kenntnis über CSR und Nachhaltigkeit und Kunden werden bisher nicht proaktiv auf nachhaltige Finanzeinsätze angesprochen. „Die elementare Krise führt wohl zu einer Umstrukturierung. Wir sollten jetzt anfangen zu definieren und Kompetenzen zu schaffen, im Hinblick auf das, was wir tun sollen und was nicht. Dadurch gewinnen wir wieder Kundenvertrauen“, fügte Tobias Weller an, verantwortlich für das Reputationsrisiko der Dresdner Bank AG. Im Vergleich zu anderen Branchen erstellen die wenigsten Finanzinstitute Nachhaltigkeitsberichte, erklärte Leene Wokeck, Koordinatorin der Global Reporting Initiative (GRI). Auch im Klimawandel erkennen Banken scheinbar das Ausmaß ihrer eigenen Verantwortung nur ansatzweise. „Tut etwas, werdet transparenter und messt, was passiert“, so Wokeck.
Bisher bewegten moralische Gründe das Handeln einer Aktiengesellschaft nur in Einzelfällen, und das durch öffentlichen Druck. In den vergangenen Jahren haben deutsche Geldunternehmen gesellschaftlichen Einsatz gebracht durch Ablasshandlungen, beispielsweise Kunst- und Social-Sponsoring, meinte Tobias Weller von der Dresdner Bank AG. Nun sei es an der Zeit, ‚Leitplanken‘ aufzurichten, also Guidelines beispielsweise darüber, welche Fonds man auflege. Das sei Führungsaufgabe und müsse jetzt auch in Deutschland zum Tragen kommen, waren sich Tobias Weller, Stefan Löbbert und Peter Mayer einig.
Kann man auch in schlechten Zeiten nachhaltig und verantwortungsvoll Handeln, oder ist es ein Luxus? Mit dieser Frage nach der Rechtfertigung von CSR begann am späten Nachmittag das SRI-Plenum „Vision oder Illusion“. „Wenn wir das die Holländer fragen würden, wären sie fassungslos“, entgegnete der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Rolf Nagel der Frage. Mit Abstand zu anderen Ländern weltweit investieren die Niederlande, Spanien, Norwegen und die USA beispielsweise in Umweltprojekte – auch mit Blick darauf, dass sie direkt von Auswirkungen der Klimaveränderung betroffen. sind.
Generell sollte SRI zum Kern eines Unternehmens gehören und keine Imagefrage sein. Viele deutsche Unternehmen teilen diese Ansicht jedoch noch nicht.
Die SRI-Penetrationsrate liegt unter anderem in England und Australien zwischen 80 und 90 Prozent. Deutschland dagegen ist „unterentwickelt, und wir werden auch in den nächsten zwei bis drei Jahren in Deutschland keinen Boom erleben“, so Frank Klein, Manager bei DB Advisors. Investitionen in zukunftsfähige Umweltprojekte seien zwingend notwendig, mahnt Max Dehml vom Öko-Invest Verlag. Heutige Öko-Fonds, im deutschen Raum etwa 200 an der Zahl, haben sich im Vergleich zu den ersten Öko-Fonds der 90er Jahre professionalisiert, erklärt Dehml, der zu den Pionieren dieser Branche gehört.
Oft stehen Finanzunternehmen nicht hinter ihren eigenen sozial und ökologisch verträglichen Produkten, denn sie investierten beispielsweise bei der Versorgung ihrer Mitarbeiter meist nicht in SRI-Projekte. Kein Investor ist bereit, den Return on Invest für SRI zurückzustecken, so anwesende Bankenvertreter. Insbesondere der kurzfristige Gewinn sei durch SRI nicht zu erreichen. Weltweit setzten viele Investoren auf SRI-basierte Aktien für mittel- und langfristige Einsätze. Zwar gibt es Kriterien für SRI, Nachhaltigkeit jedoch ist nicht gleich Nachhaltigkeit, das gilt auch für Fonds-Portfolios. Die Auswahl der Investitionen erfolgt generell nach dem „Best-in-Class“Ansatz. Im Gegensatz dazu schreibt der österreichische World Wildlife Fund (WWF) in seinen eigenen Portfolios wesentlich strengere Kriterien vor. Jede ausgewählte Investition hat direkt einen positiven Einfluss auf die Umwelt und ILO-Bestimmungen dürfen nicht verletzt werden, betonte Armand Colard vom WWF Österreich.
Nur wenn Politik und Gesellschaft ihren Anforderungen für nachhaltige Nachfrage erhöhen, und wenn die Finanzbranche den Worten Taten folgen lassen, kann ein Sprung in die zukunftsfähige deutsche Finanzwelt realisiert werden, lautete ein Fazit der Tagung. Ein nächster Schritt könnte die Konzeption eines Reputationsmanagements sein, zu dessen Design Rudolf X, Ruter, Partner und CSR-Experte von Ernst & Young, aufrief.