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Compliance ist Anfrage an Führungsstruktur – offene Diskussion zu Vertriebspraktiken in der Pharmaindustrie

München > Eine offene Diskussion zu den Grenzen von Vertriebspraktiken in der Pharmaindustrie führten Referenten und Teilnehmer des 4. Arbeitskreises „Corporate Social Responsibility“ von Ernst & Young am Donnerstag in München (wir berichteten). Zum Thema „Compliance“ reichten die Meinungen in der Zuhörerschaft von „unkorrekte Vertriebspraktiken sind ein Problem von gestern“ bis zu „wir müssen dieser Herausforderung heute ins Gesicht sehen“. Einen erfrischend offenen Vortrag zum Thema hielt Carsten Clausen, Mitglied der Geschäftsführung der Fresenius Kabi Deutschland GmbH. „Wo viel Geld bewegt wird, gibt es Vorsatz und Fahrlässigkeit“, stellte der Jurist mit 10-jähriger Vertriebserfahrung fest. Das Thema Compliance gehöre nicht zuerst in ein Nachhaltigkeitsaudit mit seiner rückwärtigen Betrachtungsweise. Es gehe vielmehr zuerst um Prävention, um die Aufklärung fahrlässig handelnder Täter, damit die Grenze zwischen strafloser Absatzförderung und strafbarer Bestechung gewahrt bleibe. Dokumentation, Transparenz und Äquivalenz seien als wichtige Prinzipien im Verkauf zu beachten. Wo seitens der Kundschaft ungesetzliche Zusatzleistungen eingefordert würden, da gelte es zu vermitteln: „Bei der Korruption machen sich immer beide Seiten strafbar.“

Eine sorgfältige Analyse der Risiken und eine glaubwürdige Kommunikation mahnte Transparency International Vorstand Caspar von Hauenschild an. Korruptionsvermeidung sei auch eine Frage der Führungskultur. Dazu gehörten die regelmäßigen Durchführung von Mitarbeitergesprächen und die Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit. Es gebe Unternehmen mit hervorragenden Regelwerken, gegen die fortlaufend verstoßen werde, kritisierte von Hauenschild. Zudem seien Chief Compliance Officer in ihren Unternehmen oft zu isoliert. Zudem widersprach der Transparency Vorstand der These, dass Verkauf in manchen Regionen ohne Bestechung unmöglich sei. „Wer ein miserables Produkt anbietet, der wird es auch in China nicht los“, so von Hauenschild.

Was Unternehmen selber leisten können, um unsauberen und gefährlichen Praktiken in der Pharmaindustrie zu begegnen, davon berichtete Dr. Ruth Keppel, Corporate Communication Director der Celesio AG. Das pharmazeutische Handels- und Dienstleistungsunternehmen engagiert sich mit der Nichtregierungsorganisation „Ärzte für die Dritte Welt“ in Kalkutta / Indien. Der Beitrag von Celesio ist es dabei, Labortechnik und Personal für die Erkennung gefälschter Medikamente zu stellen. Falsifikate sind besonders in Drittweltländern zu einem echten Problem geworden, bleibt doch die Behandlung mit ihnen im besten Falle wirkungslos. Durch die Programme von Celesio und „Ärzte für die Dritte Welt“ konnte der Anteil der Medikamentenfälschungen von 31% auf 4% reduziert werden. Für die Partnerschaft mit dieser Nichtregierungsorganisation entschied sich Celesio unter anderem deshalb, weil „Ärzte für die Dritte Welt“ einen verantwortlichen Umgang mit Finanzen nachweisen konnte und lediglich 7% der Gelder für Verwaltungskosten ausgibt.

Angesichts der wachsenden Zahl von Medikamentenfälschungen sieht Rudolf X. Ruter, Partner und CSR-Experte bei Ernst & Young, einen erheblichen Verbesserungsbedarf in der Dokumentation der Produktions- und besonders der Distributionsketten der Pharmaindustrie. Dies stelle die Unternehmen angesichts sehr komplexer und globaler Vertriebsketten vor große Herausforderungen. Wer aber bei auftauchenden Falsifikaten „nicht in kürzester Zeit auf den Knopf drücken und Informationen auswerfen kann“, der gerate schnell an den Pranger. Es müsse den Unternehmen möglich sein, den „Bösewicht“ innerhalb der Distributionskette in kürzester Zeit zu identifizieren. Bei der Umsetzung von CSR-Programmen forderte Ruter Unternehmen auf, die Höhe der insgesamt dafür zu veranschlagenden Kosten zu ermitteln und die Fragen zu beantworten: Wer entscheidet über die Höhe der eingesetzten Mittel und deren Verwendung?


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