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Theorie und Praxis: Siemens AG und Antikorruption

Die Siemens AG sah sich in den letzten Monaten schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Das führte zu erheblichen personellen Konsequenzen im Vorstand des Unternehmens. Am Dienstag gab es ein Geständnis vor Gericht beim Prozessauftakt gegen einen ehemaligen Siemens-Mitarbeiter. csr-news.net fragte nach bei Siemens.

Dass Siemens gegen Korruption ist geht schon daraus hervor, dass der Konzern Mitglied im UN Global Compact ist. Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, hatte 1999 zum Abschluss eines „Global Compact“ aufgerufen, einem weltumspannenden Pakt derer, die sich für den Aufbau sozialer und ökologischer Eckpfeiler zur Abstützung der neuen globalen Wirtschaft engagieren wollen. Mit seiner Mitgliedschaft unterstützt ein Unternehmen die zehn Grundsätze des Global Compact. Einer dieser Grundsätze ist die „Selbstverpflichtung, Korruption in allen Formen, einschließlich Erpressung und Bestechlichkeit, zu begegnen“. Die Siemens AG ist Mitglied im Global Compact, schon seit 2003. Und Siemens hatte, so zeigten es die Ereignisse der vergangenen Monate, anscheinend Schwierigkeiten genau damit: Korruption in allen Formen zu begegnen.

Am Dienstag hatte nach Angaben des Nachrichtenmagazins Der Spiegel ein ehemaliger Siemens-Bauleiter Schmiergeldzahlungen vor Gericht gestanden. Demnach hatte der Siemens-Konzern nicht nur korrupte Geschäftspartner im Ausland bestochen, sondern auch in Deutschland Schmiergelder dazu eingesetzt, Geschäfte anzukurbeln. Das zuständige Landgericht Frankfurt wollte die mündliche Verhandlung nicht kommentieren und veröffentlichte keine Erklärung dazu. Wie der Spiegel berichtete, habe ein Immobilienmanager einer Tochterfirma der Deutsche Bank zwischen 2001 und 2003 mindestens 185.000 Euro erhalten. Dafür sei Siemens mit Aufträgen für ein Bürohochhaus in Frankfurt berücksichtigt worden. Der ehemalige Bauleiter sagte aus, auch selbst Geld kassiert zu haben.

csr-news.net wollte von Siemens wissen, wie das Unternehmen diese Aussagen beurteilt. Die Antwort dazu war wenig aussagekräftig: „Wir haben weder Kontakt zu diesem ehemaligen Mitarbeiter, noch Kenntnisse über den laufenden Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Frankfurt – eine Kommentierung ist uns daher nicht möglich.“ Siemens erklärte gegenüber csr-news.net außerdem: „Wir sind an der umfassenden Aufklärung aller derzeit untersuchten Vorwürfe und Vorkommnisse und an voller Transparenz interessiert. Unser Ziel ist es, die bestehenden Herausforderungen als Chance zu nutzen und Siemens in Zukunft zu einem Vorbild in Sachen Transparenz und Compliance zu machen. Dabei gilt Null Toleranz für gesetzes- und regelwidriges Verhalten.“

Auf die Frage, wie denn dieses Ziel genau erreicht werden solle, antwortete Siemens: „Das Unternehmen hat als Reaktion auf die Korruptionsvorwürfe eine Reihe von Schritten unternommen, um Compliance-Verfahren und interne Kontrollen zu verbessern.“ Dazu zähle etwa, dass „der Vorstand einen externen Anwalt bestellt hat, um als unabhängiger ‚Ombudsmann‘ zu handeln und um einen geschützten Kommunikationskanal für Angestellte von Siemens und Dritte bereitzustellen.“ Das scheint ein vielversprechender Ansatz zu sein, wenn es hier möglich gemacht wird, vertrauensvoll und offen zu reden. Vorausgesetzt, der Ombudsmann ist wirklich unabhängig und der Kommunikationskanal wirklich geschützt. Außerdem arbeite das Unternehmen „an der Verbesserung der internen Kontrollen durch die Zentralisierung seiner Zahlungsverkehrs- und Barzahlungssysteme.“ Ob das hilft oder schadet, wird sich zeigen: Je kleiner der Kreis derer ist, die den Zahlungsverkehr abwickeln, desto eher könnten ja Absprachen getroffen und gesetzeswidrige Handlungen versteckt und verschleiert werden. Weiter erklärte Siemens gegenüber csr-news.net, dass „das Unternehmen ein offizielles Anti-Korruptionsprogramm sowie andere rechtsbezogene Compliance-Trainingsprogramme für die Geschäftsleitung, konzerninterne und regionale Compliance Officer sowie andere leitende Angestellte eingeführt“ hat. Ob das auch dabei hilft, einfache kleine Bauleiter vor Versuchungen zu bewahren, bleibt abzuwarten. Außerdem sind Regeln solcher Art ja nicht ganz neu. In der Vergangenheit scheint ihre Wirksamkeit überschaubar gewesen zu sein. Sprachlich etwas sperrig, aber im Kern vielversprechend erklärte Siemens abschließend, die Kontrollmechanismen selbst durch Dritte kontrollieren, überprüfen zu lassen: „Der Vorstand und der Prüfungsausschuss von Siemens haben einen unabhängigen Compliance-Berater beauftragt, um den Vorstand und den Prüfungsausschuss im Hinblick auf die zukünftige Struktur der Compliance-Organisation, der Überprüfung der Richtlinien und Kontrollmechanismen einschließlich deren Verbesserungsmöglichkeiten zu beraten.“

Alles in allem klingt das gut. Aber wie immer wird auch hier die Praxis mal wieder schwieriger sein als die Theorie. Und die Aufgabe ist groß, sehr groß, wenn auch nicht ganz neu. Lange vor 2006 hatte sich Siemens ja der Bekämpfung von Korruption verpflichtet. Die Verpflichtung allerdings reichte nicht aus, die Maßnahmen waren offensichtlich ungenügend: Sie haben die im November 2006 bekannt gewordenen Fälle von Korruption, die den ganzen Konzern erschütterten, nicht verhindern können.

Robin Keppel, Oldenburg


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