Paris (csr-news) > Der Fabrikeinsturz Rana Plaza im Jahr 2013 war das bislang folgenschwerste Unglück in der Textilindustrie Bangladeschs. Nie wieder sollte es zu ähnlichen Vorfällen kommen. In den folgenden Monaten drängten Gewerkschaften und NGOs Textilunternehmen aus aller Welt, sich für höhere Sicherheitsstandards in ihrer Lieferkette einzusetzen. Der Bangladesh Fire and Building Safety Accord wurde ins Leben gerufen und bis heute von über 200 Unternehmen unterzeichnet. Das Ziel war, innerhalb der kommenden fünf Jahre verlässliche Gesundheits- und Sicherheitsstandards in den Textilfabriken Bangladeschs sicherzustellen. Seit der Rana-Plaza-Tragödie hat die Bekleidungsindustrie in Bangladesch einen Jahresumsatz von 6,6 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Nach zähen und langwierigen Verhandlungen einigten sich nun die internationalen Gewerkschaftsverbände IndustriALL und UNI mit Modeunternehmen und Textilhändlern auf eine Verlängerung. „Die Verlängerung habe besonders gegen die Regierung in Bangladesch und die lokalen Unternehmer durchgesetzt werden müssen“, sagte Amirul Hague Amin, Vorsitzender der größten Bekleidungsgewerkschaft von Bangladesch (NGWF).
Um Arbeitnehmerrechte erweitert
Das neue Abkommen wurde beim OECD Global Forum on Responsible Business Conduct in Paris vorgestellt. Laura Ceresna-Chaturvedi von der Kampagne für Saubere Kleidung: „Der Accord ersetzt freiwillige Versprechen durch rechtlich verbindliche Verpflichtungen, sieht wirtschaftliche Sanktionen für Zulieferer vor, die gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen und erwartet, dass die Mitgliedsunternehmen ihren Zulieferern bei den Kosten der nötigen Reparaturen unter die Arme greifen.” Das neue Abkommen, erweitert um den Aspekt Arbeitnehmerrechte, tritt nach Anlauf der aktuellen Vereinbarung im Mai 2018 in Kraft und hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Er ist eine Verlängerung des bestehenden Abkommens. Das bedeutet, dass wichtige Baumaßnahmen und Sicherheitsinspektionen fortgesetzt und auf diese Weise an Fortschritte des ersten Accord angeknüpft werden kann. Der Accord hat mit über 100.000 Maßnahmen, wie dem den Einbau von Brandschutztüren und der Behebung von Statik Problemen, in 1.500 Fabriken den Arbeitsplatz von insgesamt 2,5 Millionen Textilarbeiterinnen sicherer gemacht. Wie sein Vorgänger ist der neue Accord ein Abkommen zwischen Gewerkschaften, Textilunternehmen und Einzelhändlern, dem vier Nichtregierungsorganisationen als sogenannte “Witness Signatories” beiwohnen. Dazu zählen die Clean Clothes Campaign, das International Labor Rights Forum, das Maquila Solidarity Network und das Worker Rights Consortium. Der neue Accord beinhaltet aber auch einige Fortschritte, z.B. die Verpflichtung der Fabriken Abfindungen an die Arbeiter zu zahlen, wenn die Fabrik wegen Sicherheitsmängeln schließen muss oder verlegt wird, Schutz von Gewerkschaftsmitgliedern, die bisher negative Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie sich für bessere Sicherheitsstandards einsetzen und eine Verbesserung des Beschwerdemechanismus. Zu den Unternehmen, die den neuen Vertrag bereits unterzeichneten, gehören unter anderem die Modeketten H&M, Inditex (Zara), der deutsche Textildiscounter Kik, C&A, das Versandhaus Otto sowie Lidl und Tchibo, wie die Kampagne für Saubere Kleidung mitteilte. Weitere acht Unternehmen wie Esprit hätten bereits versprochen zu unterschreiben. Die Gewerkschaftsverbände rechnen mit weiteren Unterzeichnern in den nächsten Tagen.
Erstunterzeichner bekräftigen Bedeutung des Abkommens
C&A bekräftigte die Bedeutung des neuen Abkommens. Als eine der ersten Marken hatte das Unternehmen bereits das erste Abkommen unterzeichnet und war bei den Verhandlungen für die Verlängerung einer der stellvertretenden Verhandlungsteilnehmer. „Die Vereinbarung hat große Fortschritte bei der Sensibilisierung für wichtige Sicherheitsmaßnahmen, die Stärkung und Einbeziehung der Arbeitnehmer und die Durchführung von echten Veränderungen in der Feuer-und Gebäude-Sicherheit in der Bangladesch Bekleidungsindustrie“, so ein Sprecher von C&A. „In diesem Licht hat C & A das neue Abkommen unterzeichnet und engagiert sich für die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und der Industrie, um dauerhafte Veränderungen in der Brand- und Gebäudesicherheit in Bangladesch zu schaffen. Das neue Accord ist wichtig für C & A, weil es für drei weitere unabhängige, fachkundige Gebäudesicherheitsprüfungen verlängert, um sicherzustellen, dass die im Rahmen der ersten Vereinbarung erzielten Sicherheitsverbesserungen beibehalten werden und dass neue Erkenntnisse in jeder Fabrik angesprochen werden.“ Auch Tchibo bekräftigt die Bedeutung des neuen Abkommens: „Damit ist sichergestellt, dass die Verbesserungsmaßnahmen für die Sicherheit in den Fabriken auch künftig von unabhängigen Stellen überwacht wird.“ Wie das Unternehmen mitteilte, habe man in der Vergangenheit vom Accord profitiert. „Wir konnten eine einsturzgefährdete Fabrik in unserem Portfolio identifizieren und schließen, bevor es Schaden für die Beschäftigten gegeben hat.“ Auch die Unternehmensgruppen ALDI SÜD und ALDI Nord haben mit als erste Lebensmitteleinzelhändler den Folgevertrag des Bangladesch-Abkommens unterzeichnet. “Wir sind mit dem bisher Erreichten zufrieden und sehen zweifelsohne die Notwendigkeit, mit dem Folgevertrag unser Engagement konsequent fortzusetzen. Wir möchten dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen weiterhin kontinuierlich zu verbessern”, sagt Rayk Mende, Geschäftsführer Corporate Responsibility der Unternehmensgruppe ALDI Nord. Mit der Unterzeichnung des Folgevertrags sei dafür ein weiterer wichtiger Schritt getan. „Wir hoffen, dass sich viele Unternehmen dem Abkommen anschließen”, sagt Sven van den Boomen, Geschäftsführer Corporate Responsibility International der Unternehmensgruppe ALDI SÜD.
Ausdehnung auf andere Länder
In den vergangenen Jahren konnten bereits viele Verbesserungen in den Fabriken erreicht werden, sagte Christy Hoffman, stellvertretende Generalsekretärin der UNI Global Union. Noch vier Jahre schienen die Probleme teilweise unlösbar. „Viele sagten, dass Veränderung nicht möglich sei. Wir haben ihnen das Gegenteil bewiesen.“ Gleichwohl gibt es noch viel zu tun, beispielsweise die Kontrolle der Sicherheitsstandards mittelfristig an den Staat zu übergeben. Doch davon ist noch nicht viel zu sehen, die Behörden kontrollieren die Fabriken nur sehr unzureichend. Unklar ob dies in den nächsten drei Jahren gelingt. Unter Beteiligten überwiegt die Skepsis. Dann müsste die beschlossene Verlängerung erneut verlängert werden. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger forderte von den Unterzeichnern eine energische Umsetzung des neuen Accords. „Es darf keine Verzögerungen geben.“ Für Amirul Hague Amin von der NGWF wäre es zudem wünschenswert, wenn der Accord auch auf andere Länder, beispielsweise Indien, Sri Lanka, Myanmar, Pakistan und Vietnam, ausgeweitet würde. So könne er zu einem Modell für bessere und sichere Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie in Süd- und Südostasien werden.
Der “2018 Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh” zum Download.