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Deutschland auf dem Prüfstand – Umsetzung der “UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte”

Das Thema Menschenrechte hat in den letzten Jahren zwar stark an Bedeutung gewonnen, dennoch geraten deutsche Unternehmen im Ausland immer wieder in Konflikt mit ihnen, so das Fazit eines aktuellen Prüfberichts von Germanwatch und Misereor. Importe von Kupfer, Steinkohle und Textilien sind nur einige Beispiele, die in dem Bericht angeführt werden. Die Menschenrechte müssen mehr Beachtung finden, freiwillige Initiativen reichen dafür nicht aus.

Aachen/Berlin (csr-news) > Das Thema Menschenrechte hat in den letzten Jahren zwar stark an Bedeutung gewonnen, dennoch geraten deutsche Unternehmen im Ausland immer wieder in Konflikt mit ihnen, so das Fazit eines aktuellen Prüfberichts von Germanwatch und Misereor. Importe von Kupfer, Steinkohle und Textilien sind nur einige Beispiele, die in dem Bericht angeführt werden. Die Menschenrechte müssen mehr Beachtung finden, freiwillige Initiativen reichen dafür nicht aus.

Mitverantwortlich ist nach Ansicht der Autoren auch die Politik: “Der deutsche Staat wird seiner völkerrechtlichen Verpflichtung bislang nicht gerecht, die Menschenrechte vor Verstößen durch deutsche Unternehmen im Ausland effektiv zu schützen”, resümiert Armin Paasch, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei Misereor und Mitautor der Studie. “Es ist unbegreiflich, dass Deutschland fast drei Jahre nach Verabschiedung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte immer noch keinen Aktionsplan zur Umsetzung erarbeitet hat“. “Der Koalitionsvertrag bekennt sich zur Umsetzung der Leitprinzipien – aber bis heute hat die Bundesregierung nicht geklärt, welches Ministerium für die Koordination eines Aktionsplans zuständig ist”, ergänzt Cornelia Heydenreich, Teamleiterin Unternehmensverantwortung von Germanwatch und Mitautorin der Studie. Ein grundlegender Politikwechsel sei im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte bisher nicht erkennbar.

Starke Weltmarktorientierung deutscher Unternehmen

Auf Grundlage einer Umfrage unter den DAX-30-Unternehmen kommen Germanwatch und Misereor zu einem insgesamt ernüchternden Befund. “Bei einem Teil der Unternehmen sehen wir Fortschritte. Aber die meisten DAX-30-Unternehmen erfüllen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bislang nur in Ansätzen”, erklärt Heydenreich. “Abgesehen von Fresenius und Fresenius Medical Care bekennen sich zwar alle DAX-Unternehmen öffentlich zu den Menschenrechten”, so Heydenreich. “Die menschenrechtlichen Folgen ihrer Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen im Ausland untersuchen sie bislang aber nur oberflächlich. Inwieweit sich ihre Einkaufspraktiken negativ auf Arbeitsstandards bei ihren Zulieferern auswirken, scheint bislang kein Unternehmen systematisch zu überprüfen und erst recht nicht zu verändern“. Dabei spielt Deutschland als derzeit drittgrößte Exportnation aber auch als Importeur sowie Herkunftsland ausländischer Direktinvestitionen im globalen Wirtschaftsgefüge eine herausragende Rolle, heißt es im Report. Unter den 30 größten transnationalen Konzernen ist Deutschland mit sechs Unternehmen vertreten. Einen besonders hohen Globalisierungsgrad weisen dabei die DAX-30-Unternehmen auf, die 2012 nur noch ein Viertel ihrer Umsätze in Deutschland erwirtschafteten und 60 Prozent ihrer Arbeitskräfte im Ausland beschäftigten. „Diese starke Weltmarktorientierung birgt für viele deutsche Unternehmen zwar ein hohes Wachstumspotenzial, stellt sie aber zugleich vor besondere Herausforderungen gerade auch hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte“ so die Autoren. „Dies gilt insbesondere für ihre Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen in Niedriglohnländern mit schwachen, autoritären oder korrupten staatlichen Institutionen“.

Keine umfassende Erklärung

Von den 30 befragten Unternehmen hat nur knapp die Hälfte eine eigene Grundsatzerklärung zu den Menschenrechten verabschiedet, davon haben sieben Unternehmen das Thema im Rahmen einer allgemeinen Sozialcharta mitbehandelt. Nur zwei Unternehmen greifen in ihrer Grundsatzerklärung auch Dilemma-Situationen auf, also Fälle, in denen z. B. das lokale Recht weniger weit reicht als internationale menschenrechtliche Standards. Nur eine benennt explizit die Verantwortung für die Auswirkungen auf die umliegenden Gemeinden. Zusammenfassend entspricht keine der Erklärungen vollständig den UN-Leitprinzipien. Eine der größten Herausforderungen scheint dabei, die Sicherstellung der Menschenrechte in der Lieferkette zu sein. Immerhin haben 25 Unternehmen einen entsprechen Kodex für ihre Lieferanten verabschiedet, 23 davon schreiben diesen in ihren Lieferverträgen verbindlich fest. Die eigentliche Schwierigkeit besteht aber bei der Umsetzung. Der größte Teil der Unternehmen wälzt diese Verantwortung auf die Zulieferer ab, nur in wenigen Fällen werden diese durch Schulungen oder Anreizsysteme unterstützt. In 15 Unternehmen wird allerdings ausführlich über die Durchführung von Audits berichtet. Von den 30 DAX-Unternehmen berichten über 90 Prozent, dass sie einen Beschwerdemechanismus eingerichtet haben, wie zum Beispiel eine sogenannte Compliance Hotline oder eine Ombudsperson, die allerdings in der Regel nicht ausschließlich für Menschenrechtsverstöße zuständig sind.

Beschwerden werden abgelehnt

Wirksame Abhilfe von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen umfasst, diese zu untersuchen, zu ahnden und zu beheben. Im Sinne der UN-Leitprinzipien sollen dabei die staatlich gewährleisteten gerichtlichen und außergerichtlichen Beschwerdemechanismen die Grundlage für ein umfassendes System der Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen bilden, schreiben die Autoren. Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen gehören derzeit zu den wichtigsten außergerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten auf staatlicher Ebene. Dazu müssen die Staaten eine nationale Kontaktstelle (NKS) einrichten. In Deutschland ist die NKS bislang im BMWi im Referat für Auslandsinvestitionen angesiedelt. Dort sind seit dem Jahr 2000 insgesamt 27 Beschwerden eingereicht worden. Ein Großteil davon wurde abgelehnt oder an andere Stellen weitergeleitet. Aus Sicht der Beschwerdeführer hat sich die NKS dabei meist einseitig der Argumentation der Unternehmensdarstellung angeschlossen. „Ein solches Vorgehen widerspricht dem Qualitätskriterium der Ausgewogenheit für außergerichtliche Beschwerdemechanismen“, schreiben die Autoren. „Aber auch andere Kriterien, die in den UN-Leitprinzipien für außergerichtliche Beschwerdemechanismen aufgestellt sind, hat die NKS laut Berichten von NRO verletzt, insbesondere die Berechenbarkeit, Ausgewogenheit und Transparenz des Verfahrens“.

Germanwatch und Misereor erwarten von der Bundesregierung, dass sie jetzt die Entwicklung eines Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte rasch in Angriff nimmt. Die Bundeskanzlerin müsse dafür in den nächsten Wochen ein federführendes Ministerium benennen. “Die Bundesregierung darf die Achtung der Menschenrechte im Ausland nicht länger als eine freiwillige Angelegenheit der Unternehmen behandeln, sondern muss menschenrechtliche Sorgfaltspflichten verbindlich vorschreiben”, fordert Armin Paasch. “Die deutsche Regierung setzt auch in der EU-Handelspolitik bisher einseitig auf die Erschließung ausländischer Märkte und Rohstoffe, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Menschenrechte zu nehmen. Ein Kurswechsel ist dringend erforderlich”, so Paasch.

Die Studie Globales Wirtschaften und Menschenrechte – Deutschland auf dem Prüfstand zum Download.


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Kommentar

  • In Deutschland existieren sehr strenge Regeln zum Umgang mit Menschenrechten. Bei grenzüberschreitenden unternehmerischen Aktivitäten sollten diese ebenfalls als Grundlage herangezogen werden können. Eine Haftung bei Mindeststandards für ein Unternehmen, das als Auftraggeber in anderen Regionen tätig ist wäre denkbar und könnte Anreize für einen anderen Umgang mit der Thematik geben.

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