Dortmund (csr-news) > Gut vier Jahre nach der Brandkatastrophe in einer Textilfabrik im fernen Pakistan, könnte einem deutschen Textilhersteller hierzulande der Prozess gemacht werden. Vier Betroffene haben, stellvertretend für die zahlreichen Angehörigen der 260 Toten und Verletzten, im März 2015 beim Landgericht Dortmund Klage gegen KiK eingereicht. Nun hat das Gericht den Klägern Prozesskostenhilfe zugesprochen und damit das weitere Verfahren erstmal ermöglicht.
Die Prozesskostenhilfe war nach Ansicht der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund zu bewilligen, „weil für die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Beklagte Schadenersatz leisten muss, pakistanisches Recht anzuwenden ist.“ Die Kammer sei deswegen im Wege der Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren gehalten ein Rechtsgutachten einzuholen, um sich die für die Beurteilung des Sachverhalts erforderlichen Rechtskenntnisse zu verschaffen. Dies sei erforderlich um überhaupt die Erfolgsaussichten im Hauptverfahren klären zu können und unter welchen Voraussetzungen ein Schadenersatzanspruch denkbar wäre. Gleichwohl bekräftigte das Gericht, dass die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe keinerlei Präjudiz für das Hauptverfahren habe.
Die Leidtragenden der globalen Textilindustrie fordern Gerechtigkeit
Das betonte auch KiK’s prozessführender Anwalt Gunther Lehleiter in einer ersten Stellungnahme: „Eine Vorentscheidung über den Erfolg der Klage ist mit der heutigen Entscheidung des Landgerichts nicht getroffen. Das Landgericht hat Prozesskostenhilfe bewilligt, weil es schwierige und bislang ungeklärte Rechtsfragen, wie die Frage der Haftung von im Ausland tätigen Unternehmen nach ausländischem Recht, nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entscheiden wollte.“ Trotzdem werteten die Kläger und ihre Unterstützer die Entscheidung als einen ersten, wichtigen Schritt. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Klage gemeinsam mit medico international unterstützt, begrüßt die Entscheidung. Ebenso Rechtsanwalt Prof. Remo Klinger, der die Kläger vor Gericht vertritt. Mit dem Verfahren wollen die Kläger klarmachen, dass transnationale Unternehmen auch für die Arbeitsbedingungen in ihren Tochter- und Zulieferbetrieben im Ausland haften. „Die Leidtragenden der globalen Textilindustrie fordern Gerechtigkeit. Die Profiteure dieses ungerechten Systems können in Deutschland jetzt erstmals rechtlich zur Verantwortung gezogen werden“, sagte ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck.
KiK weist jede Verantwortung für das Unglück zurück. Das Feuer in der Fabrik Ali Enterprises war die Folge eines gezielten und heimtückischen Brandanschlages. Dies hat ein pakistanisches Ermittlungsgutachten zweifelsfrei ergeben. „Die Ursachen und die Umstände des Feuers sind nicht auf mangelhafte Brandschutzmaßnahmen zurückzuführen. Es liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass KiK eine unternehmerische Sorgfaltspflicht verletzt hätte“, so Ansgar Lohmann, Bereichsleiter Corporate Social Responsibility bei KiK. „Wir sehen der Prüfung des Sachverhalts im Hauptsacheverfahren weiterhin mit Zuversicht entgegen. Wir begrüßen es, wenn dieser hochkomplexe Vorgang einer grundlegenden juristischen Prüfung unterzogen wird.“
Ermittlung zur Höhe der Hilfszahlungen
KiK sei weiterhin bereit, auf freiwilliger Basis einen substanziellen Anteil an den langfristigen Hilfszahlungen für die Betroffenen zu leisten. Man sei in Gesprächen mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Diese führt derzeit eine Ermittlung zur Höhe der Hilfszahlungen für die Betroffenen durch. „Wir sind zuversichtlich, dieses Verfahren bald erfolgreich abschließen zu können. Angesichts der Tatsache, dass KiK keine Schuld am Ausbruch des Feuers trägt, erwarten wir, dass sich auch die Regierung von Pakistan an den Hilfszahlungen beteiligt“, fordert Lohmann.
Laut ECCHR erstickten und verbrannten die Beschäftigten der Textilfabrik, weil viele Fenster vergittert und einige Notausgänge verschlossen waren. Die Kläger, ein Überlebender und drei Angehörige sind Mitglieder der Baldia Factory Fire Affectees Association, in der sich knapp 200 Familien organisiert haben. Sie fordern von KiK Schadensersatz in Höhe von 30.000 Euro pro Opfer.
Beiträge zum Thema:
Im CSR-MAGAZIN Heft 1/2016 – Selbstverpflichtungen und ihre rechtlichen Folgen
Im CSR-MAGAZIN Heft 2/2016 – Wie KiK Verantwortungsprozesse in der Lieferkette optimiert