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„Blinder Fleck“ bei den Managern von morgen – BWL-Studium blendet Mitbestimmung oft aus

Betriebswirtschaftslehre gehört mit zu den beliebtesten Studienfächern, bei Männern und Frauen gleichermaßen. Die meisten der über 2.500 Studiengänge in Deutschland, auf die sich mehr als 300.000 angehende Wirtschaftswissenschaftler verteilen, haben einen BWL-Schwerpunkt. Doch die angehenden Führungskräfte der Wirtschaft würden dabei kaum etwas über die betriebliche Mitbestimmung lernen, so das Fazit einer Studie von Prof. Martin Allespach und Birgita Dusse. In den Ausbildungsgängen für Manager sei die Mitbestimmung meist ein „blinder Fleck“, schreiben die Forscher der Europäischen Akademie der Arbeit in Frankfurt.

Düsseldorf (csr-news) > Betriebswirtschaftslehre gehört mit zu den beliebtesten Studienfächern, bei Männern und Frauen gleichermaßen. Die meisten der über 2.500 Studiengänge in Deutschland, auf die sich mehr als 300.000 angehende Wirtschaftswissenschaftler verteilen, haben einen BWL-Schwerpunkt. Doch die angehenden Führungskräfte der Wirtschaft würden dabei kaum etwas über die betriebliche Mitbestimmung lernen, so das Fazit einer Studie von Prof. Martin Allespach und Birgita Dusse. In den Ausbildungsgängen für Manager sei die Mitbestimmung meist ein „blinder Fleck“, schreiben die Forscher der Europäischen Akademie der Arbeit in Frankfurt.

Mitbestimmung wird nicht vollständig ausgeklammert

Allespach und Dusse haben die Ausbildungsinhalte von mehr als 50 Studiengängen an 25 Hochschulen, darunter die zehn größten Universitäten, analysiert. Dabei haben sie in den Studienordnungen und Modulhandbüchern nicht nur nach Lehreinheiten zum Thema Mitbestimmung gesucht, sondern genauer hingeschaut: ob Betriebsräte, Betriebsverfassung, kollektives Arbeitsrecht oder Ähnliches überhaupt einmal vorkommen. Zwar würde das Thema Mitbestimmung nicht vollständig ausgeklammert, so das Ergebnis, es ist dennoch kein grundsätzlicher Bestandteil der Lehrpläne. Wenn die institutionalisierte Interessenvertretung von Arbeitnehmern thematisiert wird, dann geschehe dies meist im Zusammenhang in nicht verpflichtenden Veranstaltungen mit Arbeitsrecht, Personalmanagement oder Corporate Governance.

böckler

Quelle: Studie „Der blinde Fleck? – „Mitbestimmung“ in BWL- und Managementstudiengängen“

Dabei sei die Art der Darstellung überwiegend nüchtern. Mitbestimmungsgremien werden als Rahmenbedingung vorgestellt, mit der sich das Management zu arrangieren hat. Gelegentlich werden „die Mitbestimmung oder mitbestimmungsrelevante Kontexte“ allerdings „direkt als Störfaktor oder Hemmschuh dargestellt“. Nur in den wenigsten Studiengängen wird die Mitbestimmung „gestalterisch begriffen“, so die Wissenschaftler. Besonders in den personalwirtschaftlichen Lehrplänen ist nach der Analyse vielfach ein Grundverständnis der Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehungen verankert, das keinen Raum für kollektive Interessenvertretung lässt. Der „Human-Ressource“-Ansatz unterstellt einfach die Interessengleichheit von Arbeitnehmern und Arbeitgeber oder betrachtet nur Verhältnisse zwischen einzelnen Beschäftigten und Management.

Überdurchschnittlich häufig eine „distanzierte demokratische Grundhaltung“

Statt kollektiver Verhandlungen sind marktförmige Beziehungen zwischen Individuen vorgesehen. So heißt es etwa im Modulhandbuch des Studiengangs Management and Economics in Bochum, es gelte „die Employability der Arbeitskräfte in individuellen und unternehmerischen Verwertungsinteressen zu sichern. Employability ist die Währungseinheit, über die der Austauschprozess gestaltet wird.“ Demokratische Formen des Interessenausgleichs bleiben unterbelichtet. Dieser Lernstoff korrespondiere in gewisser Weise mit den Ansichten vieler Studierender. Wie Befragungen zeigen, zeichneten sich BWLer überdurchschnittlich häufig durch eine „distanzierte demokratische Grundhaltung“ aus, so die Forscher. Öfter als Studenten anderer Fachrichtungen gäben sie vor allem materielle Gründe als Studienmotiv an. Fachliches Interesse oder Beweggründe wie gesellschaftlicher Nutzen oder soziale Verantwortung würden seltener genannt.

Mitbestimmung als notwendiges rechtliches Übel

Allespach und Dusse sehen die Ergebnisse ihrer Untersuchung mit Sorge: „Ein Studium, das die Führung von Menschen lehrt und gleichzeitig zumindest mehrheitlich die Frage nach demokratischen Prinzipien im Betrieb und Unternehmen ausklammert beziehungsweise als notwendiges rechtliches Übel thematisiert, befördert ein Denken, das demokratischen Abstimmungen und Verhalten entgegensteht.“ Daher plädieren die Wissenschaftler dafür, Betriebsräten und mitbestimmten Aufsichtsräten mehr Raum in der Managementausbildung einzuräumen: „Mitbestimmung als Element von Wirtschaftsdemokratie sollte vor dem Denken nach Kosten-Nutzen-Kalkülen stehen und diesen nicht untergeordnet werden.“

Die Studie „Der blinde Fleck? – „Mitbestimmung“ in BWL- und Managementstudiengängen“ zum Download.


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