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GLOBAL 2000 Kosmetikcheck 2016 – Einige Hersteller gehen voran

Vor zwei Jahren hatte die Österreichische Umweltorganisation GLOBAL2000 Kosmetikprodukte auf ihre hormonelle Wirksamkeit hin untersucht. In rund einem Drittel der untersuchten Produkte wurden sie fündig und appellierten an Industrie und Handel diese gesundheitlich bedenklichen Stoffe aus den Kosmetikprodukten zu verbannen. Jetzt wurde erneut getestet.

Wien (csr-news) > Vor zwei Jahren hatte die Österreichische Umweltorganisation GLOBAL2000 Kosmetikprodukte auf ihre hormonelle Wirksamkeit hin untersucht. In rund einem Drittel der untersuchten Produkte wurden sie fündig und appellierten an Industrie und Handel diese gesundheitlich bedenklichen Stoffe aus den Kosmetikprodukten zu verbannen. Jetzt wurde erneut getestet.

Auch im zweiten Kosmetikcheck standen Zahnpasten, Bodylotions und Rasierwässer im Fokus der Analysen. Insgesamt haben die Umweltschützer über 500 Körperpflegeprodukte aus österreichischen Drogerie- und Supermärkten unter die Lupe genommen. Anhand der Herstellerangaben wurde auf jene Inhaltsstoffe getestet, die auf der EU-Prioritätenliste für hormonell wirksame Chemikalien in der Kategorie 1 oder 2 gelistet sind. 119 der 531 überprüften Körperpflegeartikel, das sind 22 Prozent, enthielten solche hormonell wirksamen Inhaltsstoffe. Vor zwei Jahren lag dieser Anteil noch bei 35 Prozent. „Die größte Hormonbelastung zeigten Rasierwässer, die nach wie vor in rund 40 Prozent der Produkte hormonell wirksame UV-Filter und UV-Absorber aufweisen. Erfreulich hingegen ist der deutliche Rückgang der Belastung von Bodylotions von 46 Prozent auf 21 Prozent und von Zahnpasten von 20 Prozent auf 11 Prozent“, so GLOBAL 2000-Umweltchemiker Helmut Burtscher. „Diese Zahlen zeigen, dass zumindest Teile der Kosmetikindustrie damit beginnen, hormonell wirksame Chemikalien aus ihren Körperpflegeprodukten zu verbannen. Die Vorbildwirkung der drei großen österreichischen Anbieter BIPA (Rewe-Group), Hofer und Spar, die ihre Körperpflege-Eigenmarken seit 2014 komplett auf “hormonfrei“ umgestellt haben, wirkte möglicherweise motivierend“

Bei den Zahnpasten und Bodylotions geht die hormonelle Belastung hauptsächlich von Konservierungsmitteln aus der Gruppe der Parabene aus. In den Rasierwässern ist es überwiegend der hormonell wirksame UV-Filter Ethylhexy Methoxycinnamate. Diese Stoffe unterscheiden sich grundsätzlich in Struktur und Funktion. Dennoch haben sie eine Gemeinsamkeit: sie wirken wie das weibliche Sexualhormon Östrogen und zeigten in Tierversuchen hormonschädigende Effekte. Deshalb sind sie auf der EU-Verdachtsliste für hormonell wirksame Chemikalien in der höchsten Kategorie gelistet.

EU-Kommission wegen hormonell wirksamen Chemikalien verurteilt

Um die Jahrtausendwende entschloss sich Europa – anders als die USA und Asien – die eben erst entdeckten Chemikalien mit hormonähnlicher Wirkung zum Schutz von Umwelt und Gesundheit einer gesetzlichen Regulierung zu unterwerfen. Ein komplexes und langwieriges Unterfangen, im Zuge dessen die Verdachtsliste hormonell wirksamer Chemikalien erarbeitet und erste gesetzliche Verbote beschlossen wurden: So wurden 2006 mit REACH Chemikalien mit nachweislichen hormonschädigenden Eigenschaften auf einer Ebene mit krebserregenden, erbgutverändernden und fruchtschädigenden Chemikalien eingestuft. Bei der Neuregelung der europäischen Pestizid- und Biozidgesetze 2009 und 2012 ging die EU noch einen Schritt weiter und beschloss ein Totalverbot für hormonschädigende Inhaltsstoffe. Bei der 2009 beschlossenen EU-Kosmetikverordnung hingegen wollte sich der Gesetzgeber offenbar noch nicht festlegen und verpflichtete stattdessen die EU-Kommission in Artikel 15 (4) “bis spätestens 11. Januar 2015 die Verordnung hinsichtlich Stoffen mit endokrin wirksamen Eigenschaften zu überprüfen“.

„Doch dann geriet Sand ins Getriebe der europäischen Chemikalienpolitik“, erklärt Helmut Burtscher: „Bis spätestens 13. Dezember 2013 hätte die EU-Kommission Rechtsakte erlassen müssen, die das Inkrafttreten der beschlossenen Totalverbote bei Pestiziden und Bioziden ermöglichen. Doch die Kommission ließ die Frist tatenlos verstreichen.“ Schweden klagte, die Kommission wurde verurteilt, doch die Europäer stehen weiter im Regen. Denn der dringend notwendige Schutz vor diesen besorgniserregenden Stoffen, die von der WHO mit dem weltweiten Anstieg von Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs und Fruchtbarkeitsstörungen in Zusammenhang gebracht werden, lässt weiter auf sich warten.

Parabene, UV-Filter und Phthalat-Weichmacher im menschlichen Blut

„Hormonell wirksame Chemikalien stören u.a. hormonell gesteuerte Entwicklungsprozesse, die in ganz bestimmten Zeitfenstern des Wachstums ablaufen. Schwangere Frauen, bzw. der heranreifende Fötus, sowie Kleinkinder und Pubertierende sind besonders gefährdet“ erklärt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, Sprecher der Ärzte für eine gesunde Umwelt: „Die gesundheitlichen Folgen manifestieren sich mitunter erst Jahre bis Jahrzehnte später, was den Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Auftreten einer bestimmten Erkrankung und der Exposition durch einen bestimmten Schadstoff extrem erschwert. Bekannt ist aber, dass wir diese bedenklichen Kosmetikinhaltsstoffe über unsere Haut aufnehmen und diese so in den Blutkreislauf gelangen. Der Zusammenhang zwischen der Verwendung von Kosmetikprodukten und der Körperbelastung mit bestimmten Parabenen, hormonell wirksamen UV-Filtern oder bestimmten Phthalat-Weichmachern ist wissenschaftlich belegt. Das sollte eigentlich ausreichend Grund für den vorsorgeorientierten Verzicht auf diese besorgniserregenden Stoffe sein.“


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