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#Dieselgate – Ein Skandal aus CSR-Sicht

„Der Volkswagen Konzern ist im führenden Nachhaltigkeits-Ranking der Welt erneut als nachhaltigster Automobilhersteller gelistet“ – eine Meldung, die nur knapp zwei Wochen Bestand hatte und eigentlich schon überholt war, als sie erschien. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen zieht wöchentlich weitere Kreise, hat längst auch Wettbewerber und Lieferanten erreicht. Das hat auch die Diskussion um Sinn oder Unsinn von CSR angeheizt.

Wolfsburg (csr-magazin) – „Der Volkswagen Konzern ist im führenden Nachhaltigkeits-Ranking der Welt erneut als nachhaltigster Automobilhersteller gelistet“ – eine Meldung, die nur knapp zwei Wochen Bestand hatte und eigentlich schon überholt war, als sie erschien. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen zieht wöchentlich weitere Kreise, hat längst auch Wettbewerber und Lieferanten erreicht. Das hat auch die Diskussion um Sinn oder Unsinn von CSR angeheizt.

Von Thomas Feldhaus

Nachtigall ick hör dir trapsen – dieser Berliner Mundart folgenden hatten die Experten für Risikoanalysen RepRisk schon ein Jahr vor dem Bekanntwerden der Manipulation von Abgaswerten, Volkswagen kritischer betrachtet und im RepRisk-Index mit nur noch 66 Punkten bewertet – ein deutlicher Hinweis auf mögliche Risiken. Noch immer ist unklar, welche finanziellen Belastungen tatsächlich auf den Konzern aus Wolfsburg zukommen. Vor allem die drohenden Strafzahlungen in Milliardenhöhe wiegen schwer, mögliche Umsatzeinbußen durch den Vertrauensverlust lassen sich noch gar nicht beziffern. Da fallen die 500 Millionen Euro, die Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research in Duisburg, für die Rückrufaktionen in Europa errechnet hat, kaum noch ins Gewicht. Klar ist jedoch, der Skandal wird VW teuer zu stehen kommen und es wird ein langwieriger und mühsamer Weg, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Wie konnte es dazu kommen? Die Analysten von RobecoSAM, hatten bei der Neubewertung des Dow Jones Sustainablitiy Indices (DJSI) unter anderem das Compliance-Management, die Verhaltensgrundsätze und die Klimastrategie bei VW hervorgehoben. Doch genau an diesen Punkten lässt sich nun der Skandal festmachen. Wie kann es sein, dass ein Unternehmen jahrelang quasi als Benchmark für ESG-Themen in der Automobilbranche gilt, aber dennoch ein offensichtliches Problem mit der Moral hat? „Die Schwierigkeiten mit der Moral bei Volkswagen ist leider nur eines von einer Vielzahl von Beispielen für unternehmerische Betrügereien in der jüngeren Vergangenheit“, sagt der Wirtschaftsethiker Prof. Thomas Beschorner. „Es sind Gewinn- und Wachstumsinteressen, die Unternehmen nicht davor abschrecken, sich über gesellschaftliche Moralvorstellungen und teilweise auch über rechtliche Vorschriften hinwegzusetzen“. Inzwischen ist bekannt, bei Volkswagen herrscht(e) eine Unternehmenskultur, die durch teilweise unrealistische Vorgaben und Ziele des Managements, den Betrug begünstigt oder vielleicht sogar hervorgerufen hat.

Gründe könnten in jüngst erforschten Verzerrungen im moralischen Verhalten von Organisationsmitgliedern liegen. „Eine dieser Verzerrungen ist das Bewegen auf einer moralisch schiefen Ebene“, sagt Prof. Bernd Irlenbusch, Wirtschaftsethiker an der Universität Köln. „Hier erfolgt kein abrupter Sprung in einen unmoralischen Abgrund, sondern die moralischen Grenzübertretungen erfolgen in kleinen Schritten. Jeder einzelne Schritt macht keinen großen Unterschied, aber in Summe ist die moralische Grenzüberschreitung groß“. Diese kleinen Schritte nehme man bei sich selbst oder bei anderen kaum wahr, deshalb können sie gerade noch gerechtfertigt werden. So kommt es, dass der offensichtliche und bekannte Umgang mit Begünstigungen bei Abgasuntersuchungen, als wenig problematisch angesehen wird. „Da ist das Verwenden von Software zur Manipulation der Abgaswerte in gewisser Weise nur ein kleinerer weiterer Schritt“, so Irlenbusch.

Doch dieser kleine Schritt kommt VW jetzt teuer zu stehen und wirft den Konzern auf dem Weg, nachhaltigster Autobauer der Welt zu werden, weit zurück. Noch im September wurde VW aus dem DJSI ausgeschlossen und kurze Zeit später auch aus den „Stoxx Global ESG Leader Indices“. Die Ratingagentur oekom research stufte VW in einem ersten Schritt herab, lies jedoch den Prime-Status bestehen. Die weiteren Enthüllungen führten zu einer weiteren Abstufung. „Die Manipulation von CO2- und Verbrauchsangaben stellt eine substantielle Erweiterung und Verschärfung des Skandals dar, die u.a. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der vom Unternehmen bislang kommunizierten Klimastrategie aufwirft“, so die Begründung. In der Folge haben sich zahlreiche Investoren von ihren VW-Papieren getrennt. Dazu zählt beispielsweise die Erste Asset Management (EAM) aus Österreich, die unmittelbar nach Bekanntwerden VW-Aktien und -Anleihen bis auf weiteres aus ihrem Nachhaltigkeits-Anlageuniversum gestrichen hat – Wiederaufnahme allerdings nicht ausgeschlossen. Gerold Permoser, Chief Investment Officer der EAM: “Unsere Erfahrung zeigt, dass schlechte Governance in der Regel tief in der Unternehmenskultur begründet liegt und eben kein ‚technisches Versehen‘ ist. Wir wissen, dass sich Unternehmenskulturen nur schwer und über lange Zeiträume ändern lassen, kurzfristig funktioniert das nicht“.

Ebenfalls vom Skandal betroffen ist die langjährige Zusammenarbeit zwischen Volkswagen und dem Naturschutzbund NABU. Die Umweltschutzorganisation fühlt sich von VW getäuscht. “Wurde unsere Expertise überhaupt ernsthaft beachtet oder doch nur unser guter Name als grünes Deckmäntelchen missbraucht?”, fragt sich NABU-Präsident Olaf Tschimpke in einem Brief an den inzwischen zurückgetretenen – Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn. Auch der NABU macht eine weitere Zusammenarbeit davon abhängig, welche Lehren der Konzern aus dem Skandal zieht. Dazu gehört aus Sicht der Organisation unbedingt neben der Umweltverantwortlichkeit in Vorstand und Aufsichtsrat auch eine Stärkung der Managementstrukturen im Bereich Nachhaltigkeit. Vorläufig sind die Verhandlungen über eine Verlängerung des Kooperationsvertrags auf Eis gelegt.

Bleibt die Frage nach den Lehren. Anna Beckers, Assistenzprofessorin an der Universität Maastricht: „In dem Skandal spielt auch (bisher wenig beachtet) eine Rolle, ob und wie der Schaden für die Umwelt, die VW ja erklärt hat zu schützen, kompensiert werden kann.“ VW könne durch Kauf von Emissionszertifikaten Wiedergutmachung leisten, bietet der Wirtschaftswissenschaftler Axel Ockenfels in der Welt am Sonntag eine Lösung an. Und auch für die Diskussion um CSR hat Dieselgate seine positiven Seiten. Zwar wird jetzt häufig angemerkt, der Skandal zeige die Unsinnigkeit von CSR. Tatsächlich gilt das Gegenteil, denn wie der Skandal zeigt, schlechte Unternehmensführung ist teuer. Auch Sabine Braun, Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur akzente kann Hoffnungsvolles im VW-Skandal entdecken: „Nach dem letzten Skandal 2005 wartete der erste Konzernnachhaltigkeitsbericht von VW mit einem offenen Brief des Vorstandsvorsitzenden zu den Vorgängen sowie einer Darstellung von „Highlights & Lowlights“ auf – und prägte damit mehrere Jahrgänge deutscher Nachhaltigkeitsberichterstattung.

„Moralische Probleme werden gar nicht als solche wahrgenommen. Oder man sieht sich in einer solch privilegierten Position, dass man nicht nur wirtschaftlich sondern auch moralisch in einer anderen Liga spielt und somit den Spielregeln der “Anderen” nicht unterliegt. Diese beiden Phänomene machen erklärbar, warum viele Manager so offensichtlich nicht in der Lage sind zu verstehen, was genau sie falsch gemacht haben sollen.“ (Prof. Thomas Beschorner, Universität St. Gallen)

„Gute und transparente Berichterstattung bleibt eine Conditio sine qua non in einer Gesellschaft, in der die Akzeptanz wirtschaftlichen Handelns immer wieder neu zu legitimeren ist: Wer solche nicht einlöst, schummelt sowieso, und wer sie einlöst und dann beim Schummeln erwischt wird, ist rechenschaftspflichtig und muss sich zumindest eine gute Erklärung überlegen. (Sabine Braun, Geschäftsführerin akzente Kommunikation)


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