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CSR-orientierte Unternehmenskultur: Die Implementierungslücke bleibt bestehen

CSR ist Bestandteil unserer Unternehmenskultur, ja Teil der DNA, heißt es immer wieder, wenn Unternehmen über Nachhaltigkeit berichten. Wie stark diese Aspekte tatsächlich in den Unternehmen verankert sind, wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes an der TU Ilmenau untersucht. Dabei zeigte sich: im Arbeitsalltag kommen viele Mitarbeiter gar nicht mit CSR-Themen in Berührung.

CSR ist Bestandteil unserer Unternehmenskultur, ja Teil der DNA, heißt es immer wieder, wenn Unternehmen über Nachhaltigkeit berichten. Wie stark diese Aspekte tatsächlich in den Unternehmen verankert sind, wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes an der TU Ilmenau untersucht. Dabei zeigte sich: im Arbeitsalltag kommen viele Mitarbeiter gar nicht mit CSR-Themen in Berührung.

Von Anne Michaels und Michael Grüning

Nachhaltigkeit liegt im Trend: Produkte aus biologischer und ethisch korrekter Herstellung haben den Mainstream erreicht und gewinnen weiter an Bedeutung. Unternehmen reagieren auf die zunehmenden Erwartungen ihrer Stakeholder, die neben Kunden und Investoren auch Bürger, Lieferanten, Nichtregierungsorganisationen oder staatliche Institutionen umfassen, mit einem signifikanten Anstieg von CSR-Inhalten in der Unternehmenspublizität.

Parallel zu dieser Entwicklung konnten verstärkt Greenwashing-Aktivitäten beobachtet werden, die allerdings von Außenstehenden nur schwierig als solche zu identifizieren sind. Andererseits werden immer wieder medienwirksam Umweltskandale von Großunternehmen aufgedeckt. Die Reputation der betroffenen Unternehmen wird dadurch stark geschädigt. Glaubwürdigkeit spielt daher eine tragende Rolle im Geschäftsmodell Nachhaltigkeit. Die Relevanz von identitäts- und kulturbasierten Werten und Attributen sowie deren Kommunikation über zahlreiche Publizitätskanäle gelten als Schlüsselfaktoren auf dem Weg zu hoher Unternehmensreputation und unternehmerischem Erfolg. Wird die Selbstdarstellung eines Unternehmens als glaubwürdig wahrgenommen, schafft dies Vertrauen und Akzeptanz. Da CSR-Inhalte schwer extern verifizierbar sind, beeinflusst die von Stakeholdern empfundene Reliabilität der Kommunikation deren Kauf- oder Investitionsentscheidungen erheblich.

Im Rahmen einer Untersuchung am Fachgebiet für Rechnungswesen und Controlling der Technischen Universität Ilmenau im Frühjahr 2015 wurde der Frage nachgegangen, wie stark CSR-Aspekte heute schon in der Unternehmenskultur von deutschen Unternehmen verankert sind und wie sie deren strategische Ausrichtung beeinflussen. Neben Werten, Artefakten und Grundannahmen wurde auch die formale Verankerung des CSR-Konzepts in Form von Organisationstrukturen, Richtlinien und Berichterstattungsprozessen erfasst. Die Stichprobe umfasste 500 Unternehmen aus allen Branchen und von unterschiedlicher Größe, von denen 152 Unternehmen an der Studie teilnahmen.

CSR-Kultur schwer zu belegen

Der aktuelle Stand in Deutschland ist ernüchternd: In der Praxis gelingt es nur schwerlich, praktische Anwendung von CSR-Grundsätzen in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Insgesamt beschäftigen sich deutsche Unternehmen zwar bereits intensiv mit dem Thema CSR, weisen allerdings mehrheitlich noch starke Implementierungslücken auf.
Auf den ersten Blick sind CSR-relevante Grundsätze in den Organisationen weit verbreitet und werden auch von den Mitarbeitern gut angenommen. CSR-orientierte Werte wie Nachhaltigkeit, Verantwortung, Chancengleichheit, Transparenz und Glaubwürdigkeit wurden als sehr bedeutungsvoll evaluiert und 76 Prozent der Befragten gaben an, ihre Unternehmenskultur sei (auch) CSR-orientiert (siehe Grafik). In Bezug auf Maßnahmen, die eine solche CSR-orientierte Unternehmenskultur fördern können, sind regelmäßige Stakeholder-Dialoge und Aktionen für eigene Mitarbeiter am verbreitetsten, werden aber dennoch im deutschen Durchschnitt nur mittelmäßig intensiv genutzt. Gerade weitergreifende Aktivitäten, die eine CSR-orientierte Unternehmenskultur auch faktisch belegen könnten, sind nur mäßig verbreitet. Besonders formalisierte CSR-basierte Anreizsysteme für Mitarbeiter sowie ein Auditierungsprozess mit wesentlichen Konsequenzen bei Nichteinhaltung, der auch Lieferanten und Kunden betrifft, fehlen mehrheitlich. Folgerichtig sind zwei Drittel der Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit allenfalls mittelmäßig bis gar nicht mit CSR-Aspekten konfrontiert.

Möglicherweise werden diese Defizite sehr stark durch die Ausrichtung der Unternehmensleitung geprägt: CSR wird bei vielen Unternehmen nur als ein mittelmäßig geeignetes Werkzeug zur Erlangung strategischer Vorteile angesehen (siehe Grafik). Nur für etwa die Hälfte der befragten Unternehmen stellt CSR ein Differenzierungsmerkmal zu Wettbewerbern dar. CSR-Konzepte, die vorrangig darauf zielen, vor eigenen und potentiellen Mitarbeitern als attraktiver Arbeitgeber aufzutreten, scheinen allerdings weit verbreitet. Eine klare Positionierung hingegen, die vor allem auch die ökologische und ökonomische Komponente von CSR stärker einbezieht, kommt weniger häufig vor. CSR wird vornehmlich als ein sekundärer Einflussfaktor, aber nicht als entscheidend im strategischen Planungs- und Entscheidungsfindungsprozess angesehen.

Heterogene CSR-Verankerung

Hinzukommt, dass nicht jede Organisation gleichermaßen gute Bedingungen für die Implementierung eines umfassenden CSR-Konzepts bietet, das tief in der Kultur und Identität der Organisation verankert ist. Interessant ist daher die Heterogenität der Integration von CSR-Verantwortlichkeiten in der Organisationsstruktur (siehe Grafik). Es scheint hier an einer wegweisenden Best-Practice-Lösung zu fehlen. Knapp ein Drittel der Unternehmen hat CSR-Themen im Bereich Investor Relations angesiedelt. Deutlich seltener vertreten sind die Abteilungen Unternehmensstrategie, Marketing, Finanzen und Produktion. Ein weiteres Drittel der Befragten berichtete, CSR sei in keiner der genannten Zentralfunktionen organisatorisch verankert.

Hingegen zeichnet sich ein klareres Bild bei der Bereitstellung von Mitarbeiterressourcen ab. Fast zwei Drittel aller Unternehmen verfügen über maximal fünf Mitarbeiter, die den Bereich CSR verantworten. Dennoch fiel mit 17 Prozent der Anteil der Unternehmen mit über 30 für CSR-Themen zuständigen Mitarbeitern überraschend groß aus. Trotz der überwiegend relativ überschaubaren Kapazität für die Bearbeitung von CSR-Themen gaben 89 Prozent der Unternehmen an, über eine direkte Anbindung an ein Vorstandsressort zu verfügen. Dies spricht einerseits für eine Priorisierung von CSR-Belangen durch die Unternehmensleitung. Andererseits zeigt es aber auch, dass CSR noch nicht auf der operativen Arbeitsebene der Organisationen angekommen ist. Dementsprechend gaben 69 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihr Top Management stark für die Implementierung und den Ausbau des CSR-Konzepts eintritt. Jedoch berichten die verbleibenden 31 Prozent nur über eine mittelmäßige oder geringe Unterstützung der Unternehmensleitung. Dieser hohe Anteil erscheint bedenklich, da frühere Studien die Wichtigkeit des „tone from the top“ für die Unternehmenskultur und die Implementierung eines CSR-Konzepts hervorheben.

Integration in operative Prozesse

Im Anbetracht der Untersuchungsergebnisse kann festgestellt werden, dass eine CSR-orientierte Grundstimmung in der Unternehmenskultur und Identität der deutschen Unternehmen erkennbar ist. CSR-relevante Werte und Grundsätze haben heute in der deutschen Unternehmenspraxis einen hohen Stellenwert in der strategischen Unternehmensführung erlangt. Unternehmen integrieren CSR-Aspekte zunehmend in ihre operativen Prozesse und erkennen die Wichtigkeit der Implementierung damit verbundener Denkweisen. Der stetig ansteigende Umfang an CSR-Berichterstattung belegt diese Relevanz und dokumentiert den zunehmenden Fortschritt der CSR-Konzepte. Es gibt zahlreiche gute Ansätze zur Weiterentwicklung von reinem Altruismus hin zu holistischen, strategischen Modellen.

Wesentlich für eine Dynamik in Richtung einer ganzheitlichen CSR-Implementierung wäre die Entwicklung von Controlling-Werkzeugen, mit deren Hilfe ein leichteres Kosten-Nutzen-Kalkül für CSR-Maßnahmen möglich wäre. Die Komplexität der quantitativen Bewertung dieser Aktivitäten stellt mit Sicherheit eine der Schwierigkeiten bei der Implementierung dar.

Für die Zukunft ist zu erwarten, dass sich deutsche Unternehmen verstärkt mit dem Thema CSR beschäftigen und ihre Konzepte in Richtung eines allumfassenden Ansatzes weiterentwickeln. Dementsprechend werden auch CSR-relevante Werte und Grundsätze stärker die Kultur und Identität in deutschen Unternehmen prägen. Es bleibt abzuwarten, ob eine gesetzliche Pflicht zur CSR-Berichterstattung, die ab dem 1. Januar 2017 für Unternehmen ab einer bestimmten Größe gilt, diesen Prozess beschleunigt.

Anne Michaels
schreibt ihre Dissertation bei Prof. Michael Grüning am Lehrstuhl für Rechnungswesen und Controlling der Technische Universität Ilmenau, Fakultät Wirtschaftswissenschaften und Medien.
anne.michaels@csr-magazin.net


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