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Nebentätigkeiten der EU-Parlamentarier führen noch immer zu Interessenskonflikten

Das im vergangenen Jahr gewählte EU-Parlament ist das erste, dass von Beginn durch den Verhaltenskodex für EU-Abgeordnete reguliert wird. 2012 hat sich das Parlament diesen Kodex verordnet, nachdem es von einem Lobbyskandal erschüttert wurde. Eine Studie von LobbyControl, Corporate Europe Observatory und Friends of the Earth Europe zeigt nun, dass nach wie vor Abgeordnete mit problematischen Nebentätigkeiten im EU-Parlament sitzen.

Brüssel (csr-news) > Das im vergangenen Jahr gewählte EU-Parlament ist das erste, dass von Beginn durch den Verhaltenskodex für EU-Abgeordnete reguliert wird. 2012 hat sich das Parlament diesen Kodex verordnet, nachdem es von einem Lobbyskandal erschüttert wurde. Eine Studie von LobbyControl, Corporate Europe Observatory und Friends of the Earth Europe zeigt nun, dass nach wie vor Abgeordnete mit problematischen Nebentätigkeiten im EU-Parlament sitzen.

Am 20. März 2011 berichtete die englische Sunday Times von einem erfolgreichen Versuch, Abgeordnete des Europäischen Parlaments mittels großzügiger Honorare zu Gesetzesänderungen im Parlament zu bewegen. Das Angebot kam von Reportern des Blatts, die im Rahmen einer Undercover-Recherche das Problem mit der Bestechlichkeit aufdecken wollten. Es ist ihnen gelungen, denn schnell wurde klar, die ertappten Abgeordneten sind kein Einzelfall. In der Folge hat sich das Parlament den Verhaltenskodex für EU-Abgeordnete verordnet. Danach müssen die Parlamentsabgeordneten detaillierte Angaben über ihre Nebentätigkeiten und daraus resultierenden Einnahmen veröffentlichen. Zudem wurde ein Transparenzregister für Lobbyisten eingeführt.

Neun Abgeordnete beispielhaft ausgewählt

Doch diese Maßnahmen scheinen noch nicht auszureichen. Wie die Studie „Whose representatives? MEPs on the industry payroll“ zeigt, bestehen noch erhebliche Lücken. Es fehlen klare Regeln, die bestimmte Nebentätigkeiten ausschließen, sowie eine ernsthafte Durchsetzung des Kodex. Zwar enthält der Kodex auch Regelungen wie die Parlamentarier mit Interessenkonflikten umzugehen haben, doch sieht die Praxis anders aus. Immer wieder können die drei Organisationen, die den Parlamentsbetrieb seit Jahren beobachten, Verstöße feststellen, aber die bleiben in der Regel folgenlos. Und diese gängige Praxis scheint sich im neu aufgestellten Parlament fortzusetzen. Für die Untersuchung haben die Organisationen die problematischen Nebentätigkeiten von neun Abgeordneten genauer unter die Lupe genommen.

Aus Deutschland wird die CDU-Abgeordnete Birgit Collin-Langen genannt, die bis 2012 Oberbürgermeisterin der Stadt Bingen war, bevor sie ins Europäische Parlament zog. Dort ist sie unter anderem im Umweltausschuss ENVI tätig. Gleichzeitig sitzt sie im Regionalbeirat des Energiekonzerns RWE. Das bringt ihr zwar weniger als 1.000 Euro im Monat ein, hat aber ein „Geschmäckle“, schließlich werden im Umweltausschuss Gesetzesvorhaben behandelt, die auch unmittelbare Auswirkungen auf die Energiebranche haben. Inzwischen hat Collin-Langen gegenüber dem SWR angegeben, zukünftig auf ihr Mandat im RWE-Beirat verzichten zu wollen. Deutlich mehr Geld verdient die französische Anwältin Rachida Dati, laut ihrer eigenen Auskunft mehr als 10.000 Euro pro Monat. Allerdings gibt die Selbstauskauft keine Auskünfte über ihre anwaltliche Tätigkeit. Französische Medien kolportierten, dass sie als Beraterin für den Energiekonzern GdF Suez gearbeitet habe. Der Beratende Ausschuss, ein Gremium, das den Parlamentspräsidenten und die EU-Abgeordneten in Sachen Verhaltenskodex berät, hatte vorgeschlagen, sie genaueren Untersuchungen zu unterziehen. Doch die scheint auszubleiben, da Dati ihre Selbstauskunft ergänzte und erklärte, dass sie bereits früher als Anwältin gearbeitet hat. Weitere Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt sieht das Gremium nicht.

Einwirken auf Gesetzesvorhaben

Weitere, in der Studie untersuchte Abgeordnete sind Michael Boni, der zugleich als Experte und Berater für den polnischen Unternehmerverband Lewiatan arbeitet, Renato Soru der zugleich Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer des italienischen Kommunikationsunternehmens Tiscali ist, der britische Tory-Abgeordnete Nirj Deva, der Vorsitzender im Aufsichtsrat Symphony Plastic Technologies PLC ist und zudem Anteilseigner eines Herstellers von biologisch abbaubaren Plastiktüten. Laut britischen Medienberichten soll er auf relevante Gesetzesvorhaben eingewirkt haben.

Guy Verhofstadt, ehemaliger Premierminister von Belgien, ist gleich mit neun Nebenbeschäftigungen ausgestattet, darunter auch Verwaltungsratsmandate in großen belgischen Unternehmen. Der Däne Bendt Bendtsen ist unter anderem Leiter eines Versandunternehmens ujnd Direktor einer Fondsgesellschaft, hält darüber hinaus aber auch Beteiligungen an einer Reederei. Paul Rübig aus Österreich, der seine Nebeneinkünfte unter anderem durch die Wirtschaftskammer Österreich erzielt und darüber hinaus in 17 Ausschüssen bzw. Aufsichtsräten sitzt.

Mit diesen neun Beispielen wollen LobbyControl, Corporate Europe Observatory und Friends of the Earth auf das weiterhin bestehende Problem mit den Interessenkonflikten aufmerksam machen. Sie fordern deshalb eine klare Definition, wann Nebentätigkeiten einen Interessenkonflikt darstellen und machen auch direkt Vorschläge. Auf jeden Fall sollten Tätigkeiten in Unternehmen, Verbänden oder anderen Lobbygruppen verboten werden. Darüber hinaus sollten die Abgeordneten keinerlei Unterstützung Dritter annehmen dürfen. Zudem sollten die Abgeordneten klarere Angaben zu ihren Tätigkeiten machen und Einkünfte die über 10.000 Euro liegen auch offen legen.

Die Studie „Whose representatives? MEPs on the industry payroll“ zum Download.


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