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Medien in der Grauzone: die Video-Journalistin Dagmar Hotze im Interview

Hamburg (csr-news) – Nicht immer trennen Medien ihre redaktionellen von bezahlten Texten. Die Diskussion darüber ist – nicht nur Journalismus-intern – neu entflammt. CSR NEWS bat Journalisten, PR-Experten und Wissenschaftler um ihr Statement. Hier die Einschätzung der Hamburger Video-Journalistin Dagmar Hotze:

CSR NEWS: Wo werden journalistische und werbliche Inhalte vermischt?

Dagmar Hotze: Handelt es sich um bezahlte Pressebeiträge, sind Verlage verpflichtet, dies eindeutig kenntlich zu machen. Erst im vergangenen Jahr gab es hierzu ein eindeutiges BGH-Urteil. Doch die Kennzeichnung von Anzeigen ist nichts Neues. Relativ neu ist hingegen die Vielfalt von Content-Anbietern, die über das Internet die Möglichkeit haben, Inhalte zu verbreiten. Praktisch jeder kann heute „Verleger“, „Journalist“ oder „Kurator“ sein. Eine Frage, die man immer stellen sollte und die nicht nur das Internet betrifft ist: Wer steckt dahinter, wo kommen die Inhalte her, was sind die Absichten und in welcher Verbindung steht der Anbieter zu dem Thema, über das er publiziert.

Aus journalistischer Sicht besteht eine der Hauptaufgaben beim Thema CSR darin, durch Recherche Fakten und Fiktion voneinander zu trennen und für Transparenz zu sorgen. Mir ist durchaus bewusst, dass der ökonomische und zeitliche Druck gerne als Argument angeführt wird, auf eingehende Nachforschungen zu verzichten. Ich denke allerdings, dass dies ein schwerer Fehler ist. Denn in einer immer undurchsichtiger werdenden Flut von Mitteilungen ist gerade die Genauigkeit ein Qualitätsmerkmal, durch das sich Redaktionen und Journalisten auszeichnen. Ebenso die Fähigkeit, Zusammenhänge verständlich und zeitgemäß aufzuzeigen. Das ist ein Mehrwert, für den Leser bereits sein werden, zu bezahlen. Im Übrigen ist die Situation paradox: Während Unternehmen per Gesetz verpflichtet sind und werden, durch eine Berichterstattung nachvollziehbare Auskünfte zu geben, wird es in der Medienlandschaft immer verworrener.

CSR NEWS: Welche Verantwortung tragen Unternehmen und ihre Kommunikation, um eine solche Vermischung zu verhindern?

Unternehmen, die glaubwürdig sein wollen, in dem, was sie tun, führen eine offene Kommunikation auf Augenhöhe. Die haben eine Vermischung nicht nötig, um es direkt zu sagen. Gerade im Bereich der Nachhaltigkeits- und CSR-Kommunikation merkt man als erfahrene Fachjournalistin relativ schnell, ob einem Unternehmen wirklich an einem Dialog gelegen ist oder ob lediglich Werbebotschaften vermittelt werden sollen. Ich würde dies zum Beispiel daran festmachen, ob und in wie weit ein Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften als umfassenden Prozess begreift und dargestellt. Denn das bedeutet, dass auch über Schwierigkeiten gesprochen werden muss, die beim Überkommen tradierter Handlungsmuster und Strukturen auftreten. Die Kommunikation ist also wesentlich komplexer, als sie durch Marketing und one-campaign-Maßnahmen vermittelt werden kann. Mein Eindruck ist, dass die Lernkurve hier zum Teil noch gewaltig ist. Doch das ist von Fall zu Fall und von Branche zu Branche sehr unterschiedlich.

CSR NEWS: Wie lassen sich werbliche Inhalte über Medien zielgenau kommunizieren – ohne die Unabhängigkeit von Redaktionen zu gefährden?

Durch die Zusendung von Werbematerial geraten die Grundsätze von Redaktionen oder Journalisten nicht ins Wanken. Recherche ist immer geboten. Vielmehr sollten Unternehmen, die sich ernsthaft mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit auseinandersetzen, daran gelegen sein, eben nicht mit Werbebotschaften verbunden zu werden, sondern für einen reflektierenden und auch diskursiven Austausch stehen. Diese Vorgehensweise erfordert allerdings eine entsprechende Unternehmenskultur, in Nachhaltigkeitsthemen versiertes Personal und Zeit. Auf diese Kombination trifft man nicht immer.

Da stellt sich die Frage: Was will ein Unternehmen mit seiner Kommunikation erreichen? Will es Werbung oder Vertrauen? Zeigt es auch die schwierigen Phasen auf, die mit der Umstellung auf nachhaltiges Wirtschaften verbunden sind oder ist alles grüne, heile Welt? Für mich ist hier das Buch „Responsible Communication“ von Gabriele Faber-Wiener wegweisend. Hierin wird aufgezeigt, wie sich die klassische PR wandeln muss, damit eine glaubwürdige Kommunikation möglich ist.

CSR NEWS: Was denken Sie über das Thema „Content Marketing“, bei dem potentielle Kunden über hochwertige Inhalte interessiert werden sollen?

Zu Marketing kann ich wenig sagen. Doch die Skandale der jüngsten Vergangenheit, um die Einhaltung ethischer, sozialer und ökologischer Standards zeigen, dass sich heute nichts mehr unter den Teppich kehren lässt. Ganz gleich ob die Verfehlungen in der Industrie geschehen, im Dienstleistungssektor oder im Bereich von Megasportevents. Selbst wenn versucht wird, das Meinungsbild der Öffentlichkeit durch gezielte und kostspielige Maßnahmen zu beeinflussen, gelingt dies nur temporär, aber nicht auf Dauer. Oder um es mit Abraham Lincoln zu sagen: „Man kann alle Leute einige Zeit zum Narren halten und einige Leute allezeit; aber alle Leute allezeit zum Narren halten, kann man nicht.“

Die CSR-Kommunikation von Unternehmen wird sich daran messen lassen müssen, ob sie nachprüfbare Einblicke in die Organisation und Abläufe gewährt und in der Lage ist, entsprechende „W“-Fragen zu beantwortet.

Vielen Dank!

Kontakt: dh@dagmarhotze.de

Mehr zum Thema „CSR in den Medien“ lesen Sie in der Juni-Ausgabe des CSR MAGAZIN: www.csr-magazin.net


>> Mehr zum Thema Kommunikation lesen Sie hier auf CSR NEWS.


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