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Die stille Diplomatie zwischen NGO und Unternehmen

In der Öffentlichkeit werden NGO häufig mit spektakulären Aktionen und Kampagnen in Verbindung gebracht. Zahlreiche Unternehmen haben bereits ihre Erfahrungen mit dieser Form der konfrontativen Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Von deutlich weniger Aufmerksamkeit begleitet sind die Stakeholderdialoge zwischen NGO und Unternehmen. Das Südwind-Institut hat die Organisationen nach ihren Erfahrungen befragt.

Bonn (csr-news) > In der Öffentlichkeit werden NGO häufig mit spektakulären Aktionen und Kampagnen in Verbindung gebracht. Zahlreiche Unternehmen haben bereits ihre Erfahrungen mit dieser Form der konfrontativen Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Von deutlich weniger Aufmerksamkeit begleitet sind die Stakeholderdialoge zwischen NGO und Unternehmen. Das Südwind-Institut hat die Organisationen nach ihren Erfahrungen befragt.

„Reden ist Silber – Kampagnen sind Gold?“ heißt die Studie, für die Interviews mit 20 Experten aus Nichtregierungsorganisationen geführt wurden. Allesamt mit Erfahrungen auf diesem Feld der stillen Diplomatie ausgestattet. Die Liste der Gesprächspartner reicht vom WWF über Germanwatch, Greenpeace und BUND, bis hin zur Welthungerhilfe und dem Global Natur Fund. Das direkte Gespräch zwischen NGO und Unternehmen, die sogenannten Stakeholderdialoge, haben sich inzwischen etabliert. So führen die meisten Nichtregierungsorganisationen seit Jahren Gespräche mit Unternehmen, um auf diesem Weg auf Produktionsweisen, Arbeitsbedingungen oder Umweltrichtlinien in Kooperation mit den Firmen gemeinsam Einfluss zu nehmen. Doch über diese Dialoge und ihre Ergebnisse ist wenig bekannt, weil sie meist nicht in die Öffentlichkeit getragen werden.

NGO verfügen über Know-how

Mit den Hintergründen zur Motivation, mit gesammelten Erfahrungen und Probleme beschäftigt sich die Südwind-Studie. Die Vorteile für beide Parteien liegen scheinbar auf der Hand. Während sich Unternehmen so vor Kampagnen und einem damit einhergehenden Reputationsverlust schützen können, haben NGO durch den Dialog stärkere Möglichkeiten der Einflussnahme um ihre eigentlichen Ziele zu erreichen. Zudem schätzen Unternehmen oftmals das in einigen NGO vorherrschende Know-how zu bestimmten Themen. Dennoch sind solche Gespräche nicht unproblematisch, schließlich müssen auch NGO an ihre eigene Glaubwürdigkeit denken, um nicht die Unterstützung ihrer Mitglieder und Sympathisanten zu verlieren. „Auf das Instrument des Dialogs lassen sich die befragten NRO aber auch ein, um ihre Legitimität und Funktionsfähigkeit zu erhalten, indem sie an Lösungen mitarbeiten und nicht nur kritisieren“, heißt es in der Studie. Schließlich lassen bei manchen Problemen auch nur durch eine Kooperation wirksame Ergebnisse erzielen.

Ungleichheit der Partner

Unabdingbare Voraussetzung für einen solchen Dialog ist Vertrauen. Ein Problem dabei, selbst wenn die beteiligten Personen vertrauensvoll zusammenarbeiten, so wird dieses Vertrauen nicht zwingend auch von den dahinter stehenden Organisationen mitgetragen. Damit besteht die Gefahr, dass Vertrauen auf die Gruppe der Gesprächspartner beschränkt bleibt und ein Wechsel der Personen, das eventuell jahrelang aufgebaute Vertrauen schnell wieder verloren gehen kann. Auch die Ungleichheit der Partner ist ein Problem, besonders deutlich, wenn es sich um multinationale Konzerne als Gesprächspartner handelt. So sehen sich die NGO nicht immer auf Augenhöhe mit ihren Gesprächspartnern aus der Wirtschaft und nicht selten auch als Informationslieferant missbraucht. Während NGO nämlich ihre Karten auf den Tisch legen, halten sich Unternehmen auch in Stakeholderdialogen mit der Preisgabe von Informationen dezent zurück. Deshalb ist es für NGO wichtig, ihre Haltung zu Stakeholderdialogen im Verhältnis zur Kampagnenarbeit offen zu diskutieren. Denn ein Stakeholderdialog bedeutet nicht zwingend eine Friedenspflicht. Trotz laufender Gespräche wollen und sollten sich NGO die Möglichkeit zur Kampagne offenhalten. Denn: „Der Verzicht auf die Möglichkeit, öffentlich gegen ein Unternehmen vorzugehen, mit dem man im Gespräch ist, gäbe dem Unternehmen einen Freibrief dafür, untätig zu sein“. Tatsächlich räumen selbst Unternehmensvertreter ein, dass Kampagnen die Dialogbereitschaft eines Unternehmens deutlich erhöhen kann. Sonst kann es zur unbefriedigenden Situation kommen, das trotz Dialog keine konkreten Ergebnisse zustande kommen. Zu selten seien Rückmeldungen der Unternehmen über die Umsetzung von Vereinbarungen. „Hier entsteht der Verdacht, dass manche Dialoge vor allem die CSR-Arbeit von Unternehmen legitimieren sollen und kein wirklicher Wille zur Veränderung besteht“.

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Quelle: Südwind-Institut Studie „Reden ist Silber – Kampagnen sind Gold?“

Umweltverbände sind geübter

Eine wichtige Voraussetzung für einen sinnvollen Dialog mit Unternehmen sind klar definierte Ziele. Da sich die Gespräche meist nur auf einen Teilaspekt eines Unternehmens beziehen, müsse dieser klar definiert sein und auch in der Kommunikation unmissverständlich benannt werden. Interessant ist, dass Umweltverbände und entwicklungspolitische Organisationen einen deutlichen Unterschied bezüglich der eigenen Erfahrungen aufweisen. Während Umweltorganisationen inzwischen im Umgang mit Unternehmen geübt sind und eigenen Strategien für den Dialog entwickelt haben, sind entwicklungspolitische Organisationen meist wesentlich skeptischer und verfügen auch nicht über die gleichen umfangreichen Erfahrungen. Ein weiterer auffälliger Aspekt ist, dass sich derartige Stakeholderdialoge auf wenige Branchen konzentrieren. Am verbreitetsten sind sie im Lebensmittelhandel, gefolgt von der Textilindustrie und der Finanzbranche.

Ernsthaftigkeit überprüfen

Ob und in welchem Umfang solche Stakeholderdialoge veröffentlicht werden, hängt sicher von Art und Dauer des Dialogs ab, sollte aber von beiden Seiten frühzeitig abgesprochen werden. In den Interviews wiesen denn auch mehrere NGO darauf hin, dass die Kommunikation des Dialogs nach außen Gefahren berge. Ebenso sollte die Ernsthaftigkeit, mit der ein Unternehmen den Dialog bestreiten will, geprüft werden. Mehrere Experten verwiesen auf die GRI-Forderung zum Stakeholderdialog, die dazu führen kann, dass manche Unternehmen nur deshalb den Dialog suchen. Insgesamt haben die Organisationen in Deutschland inzwischen zahlreiche Erfahrungen mit derartigen Kommunikationsprozessen gesammelt und sich entsprechend professionalisiert. Zu den offenen Fragen bezüglich der Sinnhaftigkeit solcher Formate gehört die Ergebnisüberprüfung. Zwar können einige NGO über konkrete Verbesserungen berichten, „ob das Instrument an sich geeignet und effizient ist, um Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen zu verbessern, bleibt jedoch unklar“.

Die Studie „Reden ist Silber – Kampagnen sind Gold?“ zum Download.


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