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Human Rights Watch – Missstände in Kambodschas Textilfabriken

„Work Faster or Get Out” hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ihren aktuellen 140-seitigen Bericht über die Textilindustrie in Kambodscha überschrieben. Weder die Regierung noch die internationale Bekleidungsmarken würde die Textilarbeiter vor schweren Arbeitsrechtsverletzungen schützen, so der Vorwurf. Dabei scheinen Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte an der Tagesordnung zu sein.

Phnom Penh (csr-news) > „Work Faster or Get Out” hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ihren aktuellen 140-seitigen Bericht über die Textilindustrie in Kambodscha überschrieben. Weder die Regierung noch die internationale Bekleidungsmarken würde die Textilarbeiter vor schweren Arbeitsrechtsverletzungen schützen, so der Vorwurf. Dabei scheinen Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte an der Tagesordnung zu sein.

Noch immer käme es zu Kinderarbeit, die häufig weiblichen Arbeitnehmer würden zu Überstunden gezwungen und wegen Schwangerschaften diskriminiert. Außerdem wären gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen wie Einschüchterungen und Entlassungen die Regel. Kambodschas Textilindustrie, die von ausländischen Investoren aus Hong Kong, Taiwan, China, Singapur, Malaysia und Südkorea dominiert wird, ist von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaft des Landes und für den Lebensunterhalt vieler Frauen. Frauen stellen mit 90 Prozent den größten Anteil der – nach Angaben des Ministeriums für Industrie und Handwerk – insgesamt über 700.000 Arbeitnehmer, die in den 1.200 Betrieben des Textilsektors arbeiten. Für ihren aktuellen Bericht hat Human Rights Watch mehr als 340 Personen interviewt, darunter 270 Beschäftigte aus der Textilindustrie, die in insgesamt 73 Fabriken beschäftigt sind. Unter den Befragten waren außerdem Gewerkschaftsführer, Arbeitsrechtsaktivisten, Regierungsvertreter, Vertreter des Verbands der kambodschanischen Textilhersteller und Vertreter internationaler Markenhersteller. Von den rund 200 Bekleidungsmarken, die in Kambodscha produzieren lassen, hatte Human Rights Watch Kontakt mit Adidas, Armani, GAP, H&M, Joe Fresh sowie Marks and Spencer.

Die Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass viele Fabriken wiederholt gesetzeswidrige Kurzzeitverträge abschlossen, um ihren Arbeitnehmerinnen kein Mutterschaftsgeld oder andere Leistungen auszahlen zu müssen und sie gleichzeitig zu kontrollieren und einzuschüchtern. Kleinere Fabriken, die als Subunternehmer für größere exportorientierte Werke fungieren, neigen dazu, Arbeiter informell zu beschäftigen. Dies erschwert es den Beschäftigten, ihre Rechte einzufordern, da ihnen jederzeit eine Kündigung droht. Bislang hätten die Markenhersteller noch keine Maßnahmen ergriffen, um beispielsweise gegen die Praxis der illegalen Kurzeitverträge vorzugehen, so der Vorwurf, auch wenn diese Regelungen mit ihren Lieferanten vereinbart haben. „Die kambodschanische Regierung soll rasch handeln, um ihre miserable Bilanz bei der Durchsetzung des Arbeitsrechts und beim Schutz der Arbeiter vor Missbrauch zu korrigieren“, so Aruna Kashyap, Expertin für Frauenrechte bei Human Rights Watch. „Die Namen der globalen Bekleidungsmarken gehören zum Alltagsvokabular. Damit verfügen sie über enormen Einfluss. Diesen können und sollten sie nutzen, damit ihre Verträge mit Bekleidungsfabriken nicht zu Arbeitsrechtsverletzungen beitragen.“

Obwohl das kambodschanische Arbeitsrecht festlegt, dass Überstunden stets freiwillig geleistet werden müssen, berichteten Arbeiter aus 48 Fabriken, sie seien zu Überstunden gezwungen worden. Sollten sie dies verweigern, so müssten sie mit Entlassung oder Lohnabzug rechnen. Arbeiter aus 35 Fabriken berichteten von gewerkschaftsfeindliche Praktiken. Dazu würden auch befristete Arbeitsverträge gehören, um die Arbeiter vom Beitritt zu einer Gewerkschaft abzuhalten. Außerdem würden hohe Produktionsziele eingefordert, die es den Arbeitern praktisch unmöglich machen, Pausen einzuhalten, zu essen bzw. zu trinken oder gar zur Toilette zu gehen. Aus 30 Fabriken wurden konkrete Arbeitsrechtsverletzungen gegen schwangere Näherinnen berichtet. Laut Angaben des Arbeitsministeriums verhängten die Behörden von 2009 bis 2013 nur gegen zehn Fabriken Geldstrafen und leiteten nur gegen sieben Betriebe rechtliche Schritte ein. Alle diese Fälle ereigneten sich im Jahr 2011. Obwohl die Anzahl der Bußgeldbescheide in den ersten elf Monaten von 2014 sprunghaft auf 25 anstieg, ist sie im Verhältnis zur Anzahl der Betriebe und vor dem Hintergrund der anhaltenden systematischen Arbeitsrechtsverletzungen verschwindend gering. Im Jahr 2014 schuf das Arbeitsministerium einen integrierten Mechanismus für arbeitsrechtliche Inspektionen und verbesserte die Schulungsprogramme. Angesichts von Korruptionsvorwürfen und der schlechten Bilanz der Aufsichtsbehörde sind jedoch weiter erhebliche Reformen nötig, um deren Glaubwürdigkeit zu erhöhen, so die Forderung von Human Rights Watch.

Unter den sechs Marken, mit den Human Rights Watch Kontakt hatte, informierten Adidas, Gap und H&M seriös über ihre Bemühungen, die festgestellten Probleme zu beheben. Adidas und H&M veröffentlichen zudem die Namen ihrer Zulieferer und bringen diese Listen regelmäßig auf den neuesten Stand. Marks and Spencer versprach, seine Lieferantenliste 2016 zu veröffentlichen. Nur Adidas hatte ein Verfahren eingerichtet, über welches Arbeitnehmer Informantenschutz erhalten können. Eines der Hauptprobleme sind nämlich die kleinen Betriebe, die oftmals als Subunternehmen ohne eigene Exportlizenz, dennoch für die großen Modemarken produzieren. Die Monitoring-Organisation Better Factories Cambodia (BFC) ist mit der Kontrolle der aller Fabriken mit Exportlizenz befasst, nahmen jedoch nach Recherchen von Human Rights Watch die kleinen Betriebe ohne Exportlizenz von ihren Inspektionen aus. Doch genau hier kommt es zu den meisten Verstößen. Im Jahr 2014 eröffnete BFC eine Transparenzdatenbank und benannte zehn Fabriken mit einer besonders mangelhaften Einhaltung des Arbeitsrechts. Die Datenbank enthält jedoch keine Informationen über den Dialog der Markenhersteller mit BFC oder über die Maßnahmen, mit denen die Labels die Einhaltung des Arbeitsrechts in ihren Zulieferbetrieben fördern.

„Die internationalen Bekleidungsmarken müssen sich für die Einhaltung des Arbeitsrechts einsetzen, indem sie die Namen und Adressen ihrer Fabriken veröffentlichen und regelmäßig aktualisieren“, so Kashyap. „Globale Bekleidungsunternehmen können und sollten den schlechten Arbeitsbedingungen bei Lieferanten und Subunternehmern auf den Grund gehen und ihnen ein Ende bereiten.“ Human Rights Watch appelliert aber auch an die Regierung, ihre arbeitsrechtlichen Inspektionen zu verbessern und Fabriken systematisch wegen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Bekleidungsmarken sollten wirksamere Maßnahmen ergreifen, um Arbeitsrechtsverletzungen in ihren Zulieferbetrieben zu verhindern bzw. abzustellen. „Bekleidungsmarken, die sich ihren Beschäftigten verpflichtet fühlen, sollten sich für mehr Kontrolle und Schutz stark machen, indem sie ihre Zulieferbetriebe öffentlich benennen“, Kashyap. „Alle Markenhersteller sollten in ihren Verträgen die Kosten für die Einhaltung von Arbeitsrechts-, Gesundheits- und Sicherheitsnormen berücksichtigen, um dafür zu sorgen, dass diese Rechte in den Fabriken geachtet werden.“

Der Human Rights Report “Work Faster or Get Out” Labor Rights Abuses in Cambodia’s Garment Industry zum Download.


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