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Dietenheim – Nachhaltigkeit als Chance für die regionale Textilwirtschaft

Etwas weniger als 7.000 Einwohner, eine Innenstadt die schon bessere Zeiten gesehen hat und eine lange Tradition auch als Standort der Textilindustrie – das ist das schwäbische Örtchen Dietenheim. Längst hat die Region ihr Geschäft, bis auf einige Überzeugungstäter, an die Konkurrenz aus Asien verloren. Doch das könnte sich wieder ändern. Das Land Baden-Württemberg finanziert nun ein Reallabor um aus Dietenheim wieder einen Standort für fair und nachhaltig produzierte Textilien zu machen.

Dietenheim/Ulm (csr-news) > Etwas weniger als 7.000 Einwohner, eine Innenstadt die schon bessere Zeiten gesehen hat und eine lange Tradition auch als Standort der Textilindustrie – das ist das schwäbische Örtchen Dietenheim. Längst hat die Region ihr Geschäft, bis auf einige Überzeugungstäter, an die Konkurrenz aus Asien verloren. Doch das könnte sich wieder ändern. Das Land Baden-Württemberg finanziert nun ein Reallabor um aus Dietenheim wieder einen Standort für fair und nachhaltig produzierte Textilien zu machen.

Zusammen mit Wissenschaftler der Universität Ulm und der Hochschule Reutlingen will Dietenheim die Trendwende schaffen. Mit 960 000 Euro fördert das Land Baden-Württemberg ein Reallabor der beiden Hochschulen zur nachhaltigen Transformation der Textilwirtschaft in dieser kleinen Stadt mit großer Textil-Vergangenheit. „Unser Projekt verknüpft zwei Perspektiven. Einerseits geht es um die Wiederbelebung der Textilstadt Dietenheim. Andererseits steht die nachhaltige Transformation der textilen Wertschöpfungskette im Mittelpunkt“, so Professor Martin Müller. Der Inhaber des Lehrstuhls für Nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Ulm hat gemeinsam mit dem Textilwirtschaftsexperten Professor Matthias Freise und dem Handelsfachmann Professor Jochen Strähle von der Hochschule Reutlingen den erfolgreichen Antrag verfasst. „Verwaiste Innenstadtflächen werden von regionalen Textilunternehmen genutzt, um die gesamte textile Wertschöpfungskette für den Kunden transparent und erfahrbar zu machen“, schildert Freise das Vorhaben. Die Idee: Gläserne Produktion und Design-Werkstatt arbeiten dabei Hand in Hand. Zahlreiche mittelständische Textilhersteller aus der Region haben bereits ihr Interesse geäußert und würden sich wieder in der Dietenheimer Innenstadt ansiedeln. Ein Nachhaltigkeitspionier, die Firma Otto mit ihrer Garnspinnerei und -färberei ist bereits dort ansässig. Sollten die Unternehmen alle mitmachen, könnten weite Teile der textilen Wertschöpfungskette abgebildet werden, hohe ökologische und soziale Standards inklusive.

Zum Einsatz im Reallabor sind vor allem ausgewählte Bio-Materialien vorgesehen. Gleichzeitig werden neue Vermarktungs- und Vertriebskonzepte entwickelt, um möglichst neue Kundengruppen anzusprechen. Die beteiligten Psychologen und Medieninformatiker der Uni Ulm sollen die wissenschaftlichen Grundlagen für innovative Marketing- und Verkaufsstrategien legen und dabei vor allem auch neue Medien nutzen. „Wir bauen bei der Kundenansprache beispielsweise auf eine Mischung aus Information und Emotion. Es geht ja auch darum, durch die Vermittlung eines bestimmten Lebensgefühls neue Milieus zu erschließen. Nicht nur der traditionelle ‚Öko’ soll sich angesprochen fühlen, sondern auch die verantwortungsvolle Managerin“, so Strähle. Die Firmen müssen heute mehr bieten als den Einsatz von Bio-Materialien ist man in Dietenheim überzeugt. Geplant ist zum Beispiel, die Kunden am Designprozess zu beteiligen, um mit ganz individuellen Entwürfen besonders persönliche Stücke schaffen. Und nicht zuletzt das kreative Potenzial der Reutlinger und Ulmer Studierenden soll über Design-Werkstätten und Start-Ups ins Projekt einfließen. Im Antrag finden sich zudem Tauschbörsen, Reparaturwerkstätten und Recycling-Angebote, um die Lebensdauer der produzierten Textilien zu verlängern. „Unser gemeinsames Ziel ist es, das Bewusstsein der Konsumenten zu schärfen für hochwertige, umweltverträglich und fair produzierte Waren, um letztendlich das Kaufverhalten zu verändern“, so die Projektpartner. Der gesamte Verlauf des Reallabors wird zudem wissenschaftlich begleitet, um die Transformationsprozesse ökologisch, ökonomisch und sozial evaluieren zu können. Unter anderem sind daran Studenten des Ulmer Masterstudiengang „Nachhaltige Unternehmensführung“ beteiligt. „Nicht nur für die urbane Wiederbelebung von Dietenheim ist das Reallabor von großer Bedeutung. Das Projekt hat auch Modellcharakter für andere Regionen und Branchen“, glaubt Dietenheims Bürgermeister Christopher Eh, der auch den Gemeinderat und die zuständigen Planungsabteilungen der Stadt hinter sich weiß. Sollte die urbane Revitalisierung der Innenstadt gelingen, braucht es natürlich eine vernünftige Verkehrsplanung. Ein nachhaltiges Mobilitäts- und Stadtentwicklungskonzept ist ebenfalls Bestandteil des Antrags.

Insgesamt stellt das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) 7 Millionen Euro für sieben ausgewählte Projekte bereit, um den Beitrag der Wissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung zu stärken. „Mit den Reallaboren ermöglichen wir eine neue Form des Wissenstransfers und greifen Themen auf, die für die gesellschaftliche Veränderung von zentraler Bedeutung sind“, so Forschungsministerin Theresia Bauer.


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