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Herausforderung Ballungsräume: Perspektiven einer nachhaltigen Logistik

Welche Umweltherausforderungen stellen sich der Logistikbranche? Wo sind einzelne Unternehmen und wo Kooperationen gefragt? Was bedeutet das für die Mitarbeiter? CSR MAGAZIN fragte dazu den Wirtschaftsingenieur Marcus Dettenbach, der an der Universität Köln im Bereich Supply Chain Management forscht. Die Dezemberausgabe des CSR MAGAZIN wird einen besonderen Blick auf die Logistik werfen.

Köln (csr-news) – Welche Umweltherausforderungen stellen sich der Logistikbranche? Wo sind einzelne Unternehmen und wo Kooperationen gefragt? Was bedeutet das für die Mitarbeiter? CSR MAGAZIN fragte dazu den Wirtschaftsingenieur Marcus Dettenbach, der an der Universität Köln im Bereich Supply Chain Management forscht. Die Dezemberausgabe des CSR MAGAZIN wird einen besonderen Blick auf die Logistik werfen. Die Fragen stellte Achim Halfmann.

CSR MAGAZIN: Welche umweltbezogenen Herausforderungen sehen Sie für die Logistikbranche?

Marcus Dettenbach: CO2-Reduktion steht ganz klar im Vordergrund. Das gemeinsame Verständnis, dass Energie effizienter genutzt werden muss und dass Alternativen zu fossilen Brennstoffen gefunden werden müssen, ist vorhanden. Über ein Drittel (38 %) aller Verantwortlichen sehen die Verfügbarkeit und den Preis von Treibstoff und Energie als eines der größten Risiken der Zukunft an. Es existiert in der Branche also ein starkes ökonomisches Eigeninteresse, Energie effizienter zu nutzen. Dies führt quasi im Nebeneffekt zu CO2-Einsparungen. Gerade durch die jüngste ökonomische Krise ist der Kostenreduktion immer noch der Hauptfokus vieler Entscheidungen. Der aktuelle Fokus vieler Firmen auf Liquidität führt zusätzlich dazu, dass Investitionen mit langer Amortisationsdauer, wie dies bei CO2-Einsparungsprojekten oft der Fall ist, eher zurück gestellt werden.

Erst wenn CO2-Einsparungen erkennbar monetär vergütet werden, wird CO2-Reduktion zum Primärziel. Dies geschieht beispielsweise, wenn ein höherer Preis für grüne Transporte erzielt werden kann oder Steueranreize, Emissions-Handel etc. direkt den Emissionsausstoß verteuern. Die Aufnahme der Fluggesellschaften – als erste Branche mit Transportfokus – in den Emissionshandel war da ein konsequenter und richtiger Schritt. Sobald ein reales Preisschild an CO2-Emmisionen hängt, werde diese integraler Bestandteil jeder Investitionsentscheidung sein. Marktorientierte Instrumente sind dabei regulatorischen Instrumenten prinzipiell vorzuziehen, da sie meist effizienter sind und eine größere Reichweite haben.

Neben diesen offensichtlichen Gründen müssen Logistikdienstleister den Wünschen ihrer Kunden nachkommen, die CO2-Reduktion als Ziel verfolgen. Fast zwei Drittel der Geschäftskunden sehen den Transport als Hauptstellschraube, um ihren Carbon-Footprint zu reduzieren. Die Mehrheit der Geschäftskunden ist sich sicher, das CO2-Labelling zum Standard wird und wäre bereit, eine „grünen Anbieter“ einem billigeren Konkurrenten vorzuziehen. Bei der Zahlungsbereitschaft der Endkunden ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild: Nur die Hälfte der Kunden in Europa ist bereit, für ein grünes Produkt mehr zu zahlen. Verglichen mit 84 % der Kunden in China, Indien, Malaysia und Singapur gibt es da noch Steigerungspotential.

Welche umweltbezogenen Herausforderungen werden bereits adressiert? Und welche bleiben liegen?

Der Fokus in der Logistikbranche ist klar auf dem Transport. Bei der Lagerhaltung hat sich der Gedanke CO2 bzw. Energie einzusparen bisher weniger stark durchgesetzt. Wenn man bedenkt, dass oft deutlich mehr als die Hälfe des Energieverbrauchs eines Lagerhauses durch die Beleuchtung verursacht wird, erkennt man das große Potential, das in diesem Bereich noch vorhanden ist. Ein großer Hebel ist sicherlich auch bei der Optimierung von Verpackungen oder der Aerodynamik von LKWs zu finden. In diesen Bereichen lassen sich durch kleine Veränderungen bereits schnell Energieeinsparungen im zweistelligen Prozentbereich erzielen.

Gleichzeitig ist es zu kurz gedacht, nur die vorhandenen Strecken immer effizienter zu bewirtschaften oder nur die eigene Firma im Fokus zu haben. Wir werden in der Zukunft ganz neue Logistikkonzepte benötigen, an denen in der Forschung bereits gearbeitet wird. In meiner Forschung beschäftige ich mich beispielsweise mit dem Informationsaustauch zwischen Firmen und wie daraus Vorteile für alle Beteiligten und die Umwelt entstehen. Der Trend geht hierbei ganz klar zu Vernetzung von Informationsflüssen und damit zu höherer Transparenz. Dies ermöglicht dann wieder effizientere Planungen. Die Reduktion von Leerfahrten durch effizientes Retourenmanagement ist nur ein Beispiel. Es gibt keinen Grund, warum der Paketzusteller am Ende seiner Schicht mit einem leeren Fahrzeug am Depot ankommen muss.

Eine Herausforderung wird es sicher sein, zu verhindern, dass CO2-Emmissionen nur verschoben und nicht wirklich reduziert werden. So gibt es einer Firma sicher ein grünes Image, Elektrofahrzeuge einzusetzen. Wenn dadurch die Emissionen jedoch nur von der Stadt zum Kraftwerk bzw. Produktionsort der Fahrzeuge verlagert werden, ist der Vorteil eher gering und für den Klimawandel gleich null. Ebenfalls darf CO2-Labeling nicht dazu führen, dass Firmen CO2-intensive Prozesse outsourcen (und sei es nur auf dem Papier), um sich dann einen grünen Anstrich zu verpassen. Standardisierung der CO2-Label und eine Betrachtung der gesamten Supply Chain sind Themen, die in diesem Zusammenhang angegangen werden müssen.

Wie wird die Branche ihrer Personalverantwortung gerecht – etwa in Bezug auf LKW-Fahrer?

Ein Gedanke, der sich in diesem Zusammenhang aufdrängt, ist, dass CO2-Einsparung oft durch Transparenz und zentrale Planung erreicht wird. So bekommen bei einigen zentralisierten Routenplanungssystemen die Paketzusteller lediglich die nächsten zwei Stopps auf ihrer Route angezeigt. Der Weg dorthin wir ihnen vom Navigationsgerät unter Berücksichtigung von Echtzeit-Verkehrsinformationen vorgegeben. Bei diesen kleinschrittigen Anweisungen und der permanent Transparenz bleibt nicht viel Raum für selbstbestimmtes Handeln. Die Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Fahrer müssen untersucht und berücksichtigt werden.

Wenn der Fahrer nur noch kleinschrittige Anweisungen ausführt ist der Schritt, ihn irgendwann komplett zu ersetzen nicht mehr weit. Bei der Auslieferung auf der letzten Meile wird das so schnell nicht passieren. Im Bereich der Langstrecken-LKW-transporte ist das schon eher vorstellbar. Die Konsequenzen dieser Entwicklung müssen genau untersucht werden und in die Entscheidungen einfließen.

Wie lassen sich angesichts des hohen Zeit- und Kostendrucks in der Branche nachhaltige Managementkonzepte verankern?

Nachhaltige Managementkonzepte sind keine Option, sondern unbedingt erforderlich. Viele Studien zeigen, dass Firmen mit hoher Nachhaltigkeit ihre Konkurrenten mit geringer Nachhaltigkeit auch ökonomisch dominieren. Eine Firma, die beispielsweise die Nachhaltigkeit ihres Fuhrparks vernachlässigt, wird mittelfristig den Kundenanforderungen nach grünen Dienstleistungen nicht gerecht werden können und spätestens durch immer strengere staatliche Regulationen zum Umdenken gezwungen werden. Firmen, die Regulierungen antizipieren, verschaffen sich dadurch langfristige Wettbewerbsvorteile.

Wo sind Branchenlösungen gefragt – anstelle von Initiativen der Einzelunternehmen?

Seit 2007 leben global mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Dieser Trend wird anhalten und zusammen mit dem Anstieg des Volumens im Onlinehandel ganz neue Logistikkonzepte hervorbringen. Gerade in diesem Bereich – auf der letzten Meile in der Stadt – wird es verstärkt zu Branchenlösungen kommen. Fünf bis sechs Zusteller, die in eigenen Fahrzeugen durch verstopfte Straßen fahren, sind kein zukunftsfähiges Konzept. Kunden werden ebenfalls den Anspruch entwickeln, einmal beliefert zu werden beziehungsweise Pakete an einem zentralen Ort abzuholen – und nicht an sechs verschiedenen Stellen. Gleichzeitig müssen Retouren effizient abgewickelt werden.

Das Emissionseinsparungspotential durch Kollaboration ist nachgewiesener Maßen extrem hoch. Ohne großen Aufwand vorstellbar sind Hubs außerhalb der City, in denen Pakete von mehreren Zustellern konsolidiert und anschließend von einem Anbieter mit Elektrofahrzeugen in die Stadt ausgefahren werden. So gut wie alle Logistikfirmen, die die letzte Meile beliefern, experimentieren mit Elektrofahrzeuge oder setzen diese bereits ein.

Ein großes Potential haben in diesem Zusammenhang die vielen kleinen bis mittleren Unternehmen, die einen eigenen Fuhrpark betreiben. Das reicht vom Pizza-Lieferdienst über medizinische Transporte etc. Stadtverkehr ist prädestiniert für elektrische Mobilität. Die Wirtschaftlichkeit kann durch einen gemeinsam genutzten Fuhrpark erreicht beziehungsweise erhöht werden. Ich denke dabei an Projekte wie das Shared-e-Fleet-Projekt des Frauenhofer IAO. Darauf aufbauen könnte man diese kleinen Firmen mit ähnlichen professionellen Echtzeit-Routenplanungssystemen unterstützen, wie sie Logistikfirmen wie DHL bereits einsetzten. Das vermindert Staus, Emissionen und letztendlich Kosten.

Ebenfalls sind komplett neue Konzepte denkbar, wie beispielsweise Pakete mit Hilfe von Pendler von außerhalb der Stadt in die Stadt zu befördern. Es gibt unzählige clevere Ideen, die vor allem die Logistik auf der letzten Meile in den nächsten Jahren stark verändern werden.

Um nochmal gezielt auf die Frage zurück zu kommen: Kollaboration unter Logistikdienstleistern ist etwas, dem sich in Zukunft niemand wird verweigern können. Die Effizienzsteigerungspotentiale sind einfach zu groß, um sie nicht zu nutzen.

Herzlichen Dank!

Foto: Ein Elektrofahrzeug der Deutschen Post DHL in Bonn

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