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Lärm – das ungelöste Umweltproblem

Auf bis zu 40 Milliarden Euro jährlich schätzt die EU durch Lärm entstehende Sozialkosten. Lärm ist ständig und überall. Inzwischen gilt Lärm als eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit und Lösungen sind nicht in Sicht. Der Fernsehsender Arte hat dem Thema einen ganzen Abend gewidmet. In zwei Reportagen werden die tägliche Belastung mit Lärm und seine Auswirkungen behandelt.

Mainz (csr-news) > Auf bis zu 40 Milliarden Euro jährlich schätzt die EU durch Lärm entstehende Sozialkosten. Lärm ist ständig und überall. Inzwischen gilt Lärm als eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit und Lösungen sind nicht in Sicht. Der Fernsehsender Arte hat dem Thema einen ganzen Abend gewidmet. In zwei Reportagen werden die tägliche Belastung mit Lärm und seine Auswirkungen behandelt.

„Lärm ist Schall der stört“, sagt die Expertin für Psychoakustik Prof. Brigitte Schulte-Fortkamp. Und was stört, scheint zunächst sehr subjektiv. Doch inzwischen ist sich die Wissenschaft weitestgehend einig, dass Lärm gesundheitsgefährdend ist. 2011 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO in einer Studie festgestellt, dass die Europäer jedes Jahr mindestens 1 Million Lebensjahre durch die gesundheitlichen Auswirkungen von Umgebungslärm verlieren. Die WHO geht davon aus, dass Verkehrslärm nach der Umweltverschmutzung, die meisten Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Der Arte Themenabend „Lärm ohne Grenzen“ hat sich mit zwei Auswirkungen von Lärm beschäftigt. In der Reportage „Unser täglich Lärm“ ist es vor allem die andauernde Beschallung mit Geräuschen, sei es zu Hause, während des Arbeitens, im Verkehr oder beim Einkaufen. Ruhe? – Fehlanzeige. Dabei sind es nicht nur Geräusche die sich in Dezibel ausdrücken lassen, sondern hinzu kommt die eigene Wahrnehmung. Während ein plätschernder Bach weniger als störend empfunden wird, kann das Tippen auf einer Tastatur für den Zuhörer schon zu einer Geduldsprobe werden. Aber Lärm hat auch eine wirtschaftliche Bedeutung, einerseits sind es die Maßnahmen zum Schutz, die als zu teuer gelten, andererseits wird die Beschallung im Handel bewusst eingesetzt, um die richtigen Käuferschichten zu erreichen. Die Firma Mood Media bietet solche Leistungen an und gewährt im Film einen Einblick in ihr Schaffen. Musik wird nicht nur eingesetzt um die Kaufbereitschaft zu erhöhen, sondern sie kann durch die richtige Auswahl und Lautstärke auch bestimmte Käufergruppen ausschließen. Wenn einem in einer Jeans-Boutique die Musik zu penetrant und laut vorkommt, dann gehört man schlicht nicht zur Zielgruppe. Doch während man auf den Lärm im eigenen Umfeld noch etwas Einfluss nehmen kann, ist dies bei der Belastung durch Verkehrslärm nicht möglich. Die zweite Reportage mit dem Titel „Lärm macht kaputt“ zeigt dies sehr eindringlich. Am Beispiel der Stadtautobahn von Lyon, dem Frankfurter Flughafen und der Bahnstrecke durch das Mittelrheintal werden die Lärmbelästigungen durch Auto, Bahn und Flugzeug beleuchtet. Rund 70 Millionen Menschen sind in der EU einer unakzeptablen Belästigung durch Verkehrslärm ausgesetzt, so die offizielle Schätzung der EU. Der Epidemiologe Prof. Eberhard Greiser hat errechnet, dass in der vom Frankfurter Flughafen betroffenen Gegend in den nächsten acht Jahren rund 25.000 Menschen am Fluglärm erkranken und etwa 3.400 dadurch sterben. Greiser hat sich lange mit den Auswirkungen von Fluglärm beschäftigt und hält die Auswirkungen beispielsweise auf das Herz-Kreislaufsystem für berechenbar. Klar wird dadurch, im Einklang mit vielen weiteren Forschungen zum Thema, Lärm ist mehr als eine Störung der eigenen Befindlichkeit.

Helfen kann wohl nur die Politik, denn in den Auseinandersetzungen mit den Lärmverursachern haben die Betroffenen meist keine guten Karten. 2002 hat die EU sich des Problems erstmals angenommen und die nationalen Regierungen mit Lärmschutzmessungen beauftragt. Diese sind zwar in vielen Fällen auch durchgeführt worden und in einer Datenbank abrufbar, vielmehr ist aber nicht passiert. Die Auseinandersetzungen sind langwierig und eine wirkliche Verbesserung meist nicht in Sicht. So erzählen die Anwohner aus dem Mittelrheintal von Studien, die die Bahn durchführt und von Lärmschutzwänden, die aber kaum Verbesserung bringen, weil sie zu selten sind. Aber von der aus ihrer Sicht wirksamsten Maßnahme, der Reduzierung der Geschwindigkeit will die Bahn nichts wissen. Inzwischen hat das Unternehmen Ingenieure in die Region geschickt, um zusammen mit den Betroffenen und der lokalen Politik nach Lösungen zu suchen. Derweil geht die Belastung weiter und verursacht auch weitreichende wirtschaftliche Schäden. Die Region, die auf den Tourismus angewiesen ist, hat mittlerweile einen schlechten Ruf. Die Touristen bleiben aus, Gaststätten und Hotels müssen schließen, Arbeitsplätze gegen verloren und die jüngeren Generationen ziehen weg und beschleunigen den Verfall der einst romantischen Städtchen weiter. In Paris haben die von der EU initiierten Messungen zu einer Datenbank geführt, die das Ausmaß der Lärmbelästigungen in der Stadt eindrucksvoll dokumentiert. Es gibt praktisch keine Räume in Frankreichs Hauptstadt, in denen es keine Verkehrsbelästigung gibt, vielmehr sind an Knotenpunkten, an denen mehrere Verkehrsarten aufeinandertreffen, kaum mehr zumutbare Belastungen erreicht. Die Stadt hat inzwischen ein Bürgertelefon eingerichtet, bei dem sich Betroffene melden können. Dann fährt ein Gerichtsvollzieher raus, misst die Belastung und verhilft den Geschädigten so zu gerichtsverwertbaren Angaben. In Frankfurt gehen derweil die inzwischen bekannten Montagsdemonstrationen weiter. Dann machen Anwohner im Flughafengebäude, interessanterweise mit viel Lärm, auf ihre Situation aufmerksam. In dieser Woche hat der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft eine Informationsseite zum Thema Fluglärm freigeschaltet. „Das Fluglärm-Portal bietet Menschen, die sich umfassend und sachlich über Fluglärm informieren möchten, einen ersten Anlaufpunkt im Internet. Auf der Website gibt es vor allem Antworten darauf, wie sich Fluglärm effektiv verringern lässt und wie Menschen vor unzumutbarem Lärm geschützt werden können“, sagte BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch zum Launch in Berlin. Kritiker sind skeptisch. Auch die Lärmbelästigung durch den Schienenverkehr hat ein neues Projekt um die Lärmbelästigung in den Griff zu bekommen. In der letzten Woche wurde das Projekt „Plattform leise Bahnen“ aus der Taufe gehoben. Bis zum Frühjahr 2016 will das Projekt unter Federführung des Verbands „Allianz pro Schiene“ die bundesweit wichtigsten Akteure zusammenzubringen. Ziel ist es, einen Dialogprozess in Gang zu bringen, der helfen soll Lärmminderungsstrategien der Akteure des Bahnsektors transparent zu machen und Barrieren auf dem Weg zur Lärmminderung zu identifizieren.

Weitere Informationen zum Thema:

Nachtrag: Und noch ein weiterer Fernsehsender beschäftigt sich mit dem Thema. Am Freitag den 11. Juli um 21.00 Uhr beschäftigt sich das Wirtschaftsmagazin makro auf 3sat mit dem Schwerpunkt “Teurer Lärm – Kann Wirtschaft auch leise wachsen?”.

 

 

 


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