Nachrichten

Siegel und Runder Tisch für die Textilindustrie: Minister Müller löst breite Diskussion aus

Die Ankündigung eines Siegels und eines Runden Tisches für die Textilindustrie durch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat breite Diskussionen ausgelöst. Textilverbände halten ein solches Siegel für überflüssig, NGOs begrüßen die Initiative und fordern gesetzliche Regeln. Die Opposition spricht von einem „Marketing-Gag“.

Berlin (csr-news) – Die Ankündigung eines Siegels und eines Runden Tisches für die Textilindustrie durch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat breite Diskussionen ausgelöst. Textilverbände halten ein solches Siegel für überflüssig, NGOs begrüßen die Initiative und fordern gesetzliche Regeln. Die Opposition spricht von einem „Marketing-Gag“.

Gegenüber der „Welt am Sonntag“ und im „ARD Morgenmagazin“ hatte Müller Initiativen seines Hauses für mehr Nachhaltigkeit in der textilen Lieferkette angekündigt. So soll noch in diesem Jahr ein neues Textilsiegel zur Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards eingeführt werden. Deutschland wolle damit in Europa Vorreiter sein. Zudem kündigte Müller an, in dieser Wochen einen runden Tisch der deutschen Textilwirtschaft einzuberufen. Der Minister verlangt zunächst eine “Selbstverpflichtung” der Branche: “Wir brauchen soziale Standards, was Arbeitsschutz und Mindestlöhne betrifft. Aber auch ökologische Standards, etwa für Gerbereien, die mit aggressiven Chemikalien arbeiten.” Zudem soll es laut Müller demnächst ein Internet-Portal geben, “das es allen Verbraucherinnen und Verbrauchern möglich macht, zu überprüfen, ob der Hersteller die von uns geforderten Mindeststandards einhält”.

Verbände: unnötig und verwirrend

Textilverbände bezeichneten den Vorstoß des Entwicklungsministers als überflüssig. „Die Einhaltung internationaler Sozial- und Umweltstandards ist für die deutsche Textil- und Modeindustrie selbstverständlich“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, Uwe Mazura. So habe sich die Branche bereits vor Jahren einen Verhaltenskodex gegeben. Es gebe bereits eine kaum noch zu überschauende Vielzahl von Zertifizierungen, der Nutzen eines zusätzlichen Siegels sei eher fraglich, erklärte der Verband.

Auch der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) sieht keinen Nutzen in der Schaffung eines neuen Textilsiegels. „Angesichts der bereits existierenden Vielfalt an Siegeln und Ökolabels sollten sinnvolle bestehende Initiativen in Abstimmung mit allen maßgeblichen Branchenverbänden gestärkt werden, anstatt im Alleingang neue Projekte mit vergleichbaren Zielen ins Leben zu rufen“, so BTE-Präsident Steffen Jost. Der Verband empfiehlt seinen Mitgliedern, sich der Business Social Compliance Initiative (BSCI) anzuschließen.

NGO: begrüßenswert – aber nicht weitgehend genug

Zustimmung kommt dagegen vonseiten der Nichtregierungsorganisationen. „Die Initiative von Minister Müller ist grundsätzlich zu begrüßen“, so Referentin für Unternehmensverantwortung der Christlichen Initiative Romero (CIR), Sandra Dusch. Selbstverpflichtungen von Textilunternehmen griffen jedoch zu kurz und dienten viel zu oft als Feigenblatt. Dies werde insbesondere bei der BSCI deutlich – nach Auffassung der CIR eine „wirtschaftsgetriebene Kontroll-Initiative mit schwachem Monitoring und fehlender unabhängiger Verifizierung und Transparenz“. Dusch zu ihrer Sicht einer Alternative: „Eine gesetzliche Regulierung ebenso wie transparente Kontrollprozesse durch eine Multi-Stakeholder-Einrichtung und eine existenzsichernde Entlohnung der Fabrikarbeiterinnen sind längst überfällig“.

Opposition: Marketing-Gag

Kritik am Vorstoß Müllers kommt von den Grünen. Deren Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz sagte: „Das Textilsiegel des Minister ist ein Marketing-Gag. Bislang wurden noch nicht einmal die Grundlagen für ein Siegel erarbeitet.“ Müller gehe es darum, gesetzliche Maßnahmen für die Arbeitsstandards in der globalen Lieferkette zu umgehen – und die Zivilgesellschaft bleibe außen vor. Kekeritz weiter: „Eine Einführung bis Ende des Jahres erscheint unmöglich.“

Gemeinsam mit Fraktionskollegen hatte Kekeritz eine Kleine Anfrage zum Thema „Unternehmensverantwortung in der globalen Lieferkette“ (DS 18/833) an die Bundesregierung mit. In der Antwort darauf vom 1. April heißt es: „Die Bundesregierung prüft derzeit verschiedene Optionen, um langfristig Anreize für Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher zugleich zu schaffen, verstärkt nachhaltige Produkte zu vertreiben oder zu kaufen.“ Über eine Ausgestaltung solcher Anreizsysteme könne noch keine Aussage getroffen werden. Entwickelt werde derzeit ein „Qualitätscheck Nachhaltigkeitsstandards“ als ein web-basiertes Vergleichs- und Bewertungsinstrument. Auch ein Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums konnte auf CSR NEWS-Nachfrage zu den Planungen eines Nachhaltigkeitssiegels und den Vorbereitungen eines Runden Tisches für die Textilindustrie keine weiteren Details nennen.

>>>>

Diskutieren Sie das Thema mit uns in der >> XING-Gruppe CSR Professional:

  • Könnte ein Nachhaltigkeitssiegel die Verantwortung in der textilen Lieferkette stärken?
  • Was wären Alternativen?

Foto: Textilarbeiterinnen in Bangladesch


Werden Sie Mitglied im UVG e.V. und gestalten Sie den Nachhaltigkeitsdialog mit. > Die Infos
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner