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RNE: Nachhaltigkeit im Wahlkampf bedeutungslos

Berlin (csr-news) – “Es fehlen ökologische und soziale Leitplanken für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.” Das stellt der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) in seinem gestern veröffentlichten Herbst-Statement fest. Deutlich werde dies daran, dass “rund ein Drittel aller auf der Welt erzeugten Nahrungsmittel verkommen, verfaulen und weggeworfen werden”. Das sei Frevel im Gegenwert von Hundertausenden Menschenleben, verursache zudem mehr als drei Milliarden Tonnen Kohlendioxidemissionen und trage zu Bodenzerstörung, Vertreibung und der Aneignung von Land für zweifelhafte Zwecke bei. Auch mit den Fortschritten bei der Energiewende zeigt sich der RNE unzufrieden: “National darf die Energiewende nicht länger nur ein Spielball widersprüchlicher Einzelinteressen und politischen Zauderns sein”. Weiter heißt es in dem Statement, Nachhaltigkeit habe im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt, müsse der Politik aber zukünftig “als Leitschnur vorangestellt” werden. Dazu sein das Miteinanders von Politik, Medien und Bevölkerung besser einzuüben.

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Der Wortlaut des Statements:

Das Thema Nachhaltigkeit hat im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Deutschland hat ein Festival des kurzfristigen Kalküls erlebt. Das darf jetzt nicht weitergehen. Jetzt muss das Versäumte nachgeholt werden. Der Gedanke der Nachhaltigkeit muss der Politik als Leitschnur vorangestellt werden.

Parlament und Politik, aber letztlich auch wir alle haben es in der Hand, Zukunftsthemen ernsthaft und mit neuen Ideen aufzugreifen. Wir erwarten von den anstehenden Koalitionsverhandlungen klare Zeichen. Im Bundeskanzleramt ist die Position eines Beauftragten für Nachhaltigkeit und Energiewende zu schaffen, ungeachtet eines möglichen zukünftigen Energie(wende)ministeriums. Bestehende Nachhaltigkeitsgremien in Parlament und Regierung müssen zügig ihre Arbeit wieder aufnehmen und sind institutionell zu stärken. Die aktuellen Empfehlungen hochrangiger internationaler Experten, die die deutsche Nachhaltigkeitspolitik auf Wunsch der Bundeskanzlerin kritisch überprüft haben, sind eingehend zu beachten.

2014 wird in vielen wichtigen Belangen zum Schicksalsjahr: Ob die öffentlichen Haushalte wirklich saniert werden, ob die Finanzmärkte im Sinne des Gemeinwohls reguliert werden, ob der globale Klimaschutz wichtige Hürden nimmt, ob die Energiewende gelingt – im kommenden Jahr wird dies maßgeblich entschieden. Die Politik wird daran gemessen, mit welchen langfristigen Zielen und Konzepten sie diese Prüfung bestehen will.

Deutschlands Politik muss sich in vollem Umfang zu einer Führungsrolle in der europäischen und globalen Umwelt- und Klimapolitik bekennen und sie mit Initiativen und Impulsen verantwortungsvoll ausfüllen. Das „Sustainability: Made-in-Germany“ bietet überzeugende Produkte und Dienstleistungen an, die ausgebaut und erweitert werden können und müssen. Zukunftsstrategien brauchen aber Ambition und Vision. Ohne diese bleibt es beim beliebigen Lavieren mit Modebegriffen. Die Brüsseler Vorschläge zur Energieeffizienz, zum Emissionshandel, zur Mobilitätspolitik, zum Bodenschutz respektive zur Landwirtschaft und zur Unternehmensverantwortung müssen endlich konstruktiv aufgegriffen werden.

National darf die Energiewende nicht länger nur ein Spielball widersprüchlicher Einzelinteressen und politischen Zauderns sein. Der steigende Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids, dass veraltete Braun- und Steinkohlekraftwerke um die Wette laufen und klimagerechtere Energieanlagen verdrängen, dass CO₂-Zertifikate unwirksam sind, dass der Strompreis für die Bürger steigt, während er an der Börse so niedrig wie nie ist – das sind Folgen einer Politik zu Gunsten von Einzelinteressen. Seit den Beschlüssen zur Energiewende im Sommer 2011 ist wertvolle Zeit vertan worden, in der die Energiewende auf Technik reduziert wurde und dem Wettbewerb von Parteien und Interessen überlassen wurde. Die Ethik Kommission Sichere Energieversorgung hatte schon damals richtigerweise darauf hingewiesen, dass zu guter Technik auch der Mut zum politischen Management eines Gemeinschaftswerkes gehört. Für das Aufgreifen der damaligen Vorschläge ist es noch nicht zu spät.

Es fehlen ökologische und soziale Leitplanken für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Kaum deutlicher wird das angesichts der Tatsache, dass rund ein Drittel aller auf der Welt erzeugten Nahrungsmittel verkommen, verfaulen und weggeworfen werden. Das ist Unsinn, Anmaßung und Frevel im Gegenwert von Hundertausenden Menschenleben und obendrein auch noch mehr als drei Milliarden Tonnen Kohlendioxidemissionen. Bodenzerstörung, Vertreibung und die Aneignung von Land für zweifelhafte Zwecke oder mit illegalen Mitteln sind die Folge. Indessen werden auch weitere soziale Folgen nicht-nachhaltiger Trends an aktuellen Beispielen immer drängender. So erreicht das Zusammenspiel von Individuum, Internet-Maschine und Datenwelten ein neues Niveau, das aus privaten Internet-Aktivitäten viele unkontrollierte Informationen erzeugt und zur Vermarktung und Überwachung freigibt. Das stellt Politik, Demokratie und Eigenverantwortung auf die Probe, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit und eines noch erst zu schaffenden und besser einzuübenden Miteinanders von Politik, Medien und Bevölkerung. Das fordert die Kommunikationsfähigkeit und die Arbeit der Bildungseinrichtungen aller Arten heraus. Soll Nachhaltigkeitspolitik gelingen, hängt das auch von ihren Bemühungen ab.

300 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Standardwerkes zur Nachhaltigkeit in Deutschland ist die Liste nicht-nachhaltiger Trends bedrohlich lang, länger jedenfalls als hier angedeutet. Die historischen Wurzeln des Nachhaltigkeitsgedankens verlangen eine praktische, grundlegende und vor allem aktuell-zeitgenössische Anwendung. Wir wenden uns an alle, die gegenwärtig das Koalitions- und Regierungsprogramm für Deutschland verhandeln; wir wenden uns aber auch an die Verantwortlichen in der Gesellschaft: Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die wichtigen Zukunftsfragen auf eine Weise beraten und gelöst werden, die der Ernsthaftigkeit der Probleme entspricht.


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