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Unternehmensspenden: Nicht alle sind willkommen

In vielen Hilfsorganisationen gehören Firmenspenden mit zu den wichtigsten Einnahmequellen. Dies gilt vor allem seit Spenden als Weihnachtsgeschenke für Kunden und Mitarbeiter zunehmend die Weinflaschen verdrängen. Doch längst nicht jede Spende ist auch willkommen, der Absender muss auch zum Zweck der Organisation passen. Sascha Stolzenburg, Koordinator für Unternehmenskooperationen, erläuterte CSR-NEWS die Überprüfung von Firmenspenden bei Ärzte ohne Grenzen.

Berlin (csr-news) > In vielen Hilfsorganisationen gehören Firmenspenden mit zu den wichtigsten Einnahmequellen. Dies gilt vor allem seit Spenden als Weihnachtsgeschenke für Kunden und Mitarbeiter zunehmend die Weinflaschen verdrängen. Doch längst nicht jede Spende ist auch willkommen, der Absender muss auch zum Zweck der Organisation passen. Sascha Stolzenburg, Koordinator für Unternehmenskooperationen, erläuterte CSR-NEWS die Überprüfung von Firmenspenden bei Ärzte ohne Grenzen.

Die 1971 gegründete internationale Hilfsorganisation hat im vergangenen Jahr rund 886 Millionen Euro eingenommen. In Deutschland waren es 78,5 Millionen. Euro, die zum großen Teil von Privatpersonen aufgebracht wurden. Diese machen fast 90 Prozent der Spender aus, ein im Vergleich mit anderen Organisationen sehr hoher Anteil. Ärzte ohne Grenzen genießt eine hohe Reputation, sowohl in der Bevölkerung als auch bei Unternehmen. Schließlich wird das Geld für humanitäre Zwecke ausgegeben. Im vergangenen Jahr flossen etwa 737 Millionen Euro in die konkrete Arbeit vor Ort, in eines der 436 Projekte. Über 32.000 Mitarbeiter waren in 68 Ländern aktiv, meist in Regionen mit bewaffneten Konflikten. Für all diese Aktionen wird Geld benötigt und dennoch nicht von jedem genommen.

Die Spendenpolitik der Organisation folgt klaren Prinzipien, die einerseits die unabhängige Projektarbeit sicherstellen sollen, andererseits aber auch Schutz für Mitarbeiter und Marke sind. So wird jede Spende die 3000 Euro übersteigt einer genauen Überprüfung unterzogen. Gleiches gilt für Unternehmenskooperationen, die allerdings nur sehr gezielt und eher selten eingegangen werden, wie Stolzenburg betont. Eine ist die mit dem Uhrenhersteller Nomos Glashütte. In einer auf je 1000 Exemplare limitierten Sonderedition bietet das Unternehmen eine Uhr (jeweils ein Herren- und ein Damenmodell) an, von deren Verkaufserlös 100 Euro an Ärzte ohne Grenzen fließen. Stolzenburg: „Eine neue aber schon sehr erfolgreiche Kooperation, die auf mindestens zwei Jahre angelegt ist. Von den angebotenen Uhren sind inzwischen fast alle Exemplare verkauft“. Nomos hatte die Überprüfung bestanden, grundsätzliche ethische Bedenken bestanden nicht. Ganz anders sieht dies aus, wenn Spenden aus der Rüstungsindustrie, der Rohstoff fördernden Industrie oder von einem Pharmahersteller kommen. Spenden aus diesen Branchen, ebenso wie etwa von Alkohol- oder Tabakherstellern sind aufgrund möglicher Zielkonflikte und ethischer Bedenken ausgeschlossen. Andere Unternehmen durchlaufen das mehrstufige Prüfverfahren; Faustformel: je höher die Spende, desto intensiver die Prüfung. Durch den sehr hohen Anteil privater Spender ist eine sorgfältige Prüfung unumgänglich, schließlich gilt es diese nicht zu vergraulen, etwa durch schlechte Nachrichten von Unternehmenspartnern oder Großspendern. Während der Ausschluss mancher Branchen selbstredend ist, bedürfen andere der Erläuterung. Beispielsweise Unternehmen aus der pharmazeutischen Industrie. Stolzenburg: „Deren Patente stehen häufig im Widerspruch zu unserem Versuch, möglichst viele Menschen mit bezahlbaren Medikamenten zu versorgen“. Um die eigene Unabhängigkeit zu wahren, werden deshalb weder Geld- noch Sachspenden angenommen. Ähnlich sieht es bei der Rohstoff fördernden Industrie aus. Deren unternehmerische Tätigkeit findet oftmals in Regionen mit bewaffneten Konflikten statt, also an Orten, wo gleichzeitig Ärzte der Organisation im Einsatz sind. Dies kann dazu führen, dass das Unternehmen öffentlich als Teil des Konflikts wahrgenommen wird. Etwas schwieriger wird es beispielsweise beim Thema Alkohol. Unternehmen, die nur zu einem kleinen Teil in diesem Geschäftsfeld tätig sind, werden nicht direkt ausgeschlossen, sondern genauer überprüft.

In einem ersten Schritt wird für alle Unternehmen, ab einer Spendenhöhe von 3000 Euro, eine Internetrecherche anhand eines Schlagwortkatalogs durchgeführt. Dabei werden beispielsweise Themen wie Korruption oder Kinderarbeit abgefragt. Anschließend werden zugängliche Informationen aus dem Handelsregister und von Creditreform analysiert. Bei Spenden in einer Größenordnung bis unter 10.000 Euro kann bereits an dieser Stelle eine Entscheidung getroffen werden. „Bei größeren Unternehmen fordern wir zudem einen Prüfbericht von oekom research an“, so Stolzenburg. „Dieser hilft uns vor allem, die Verflechtungen der Unternehmen zu erkennen, ist vielleicht ein Tochterunternehmen in einer unserer Ausschluss-Branchen tätig“. Darüber hinaus wird im Rahmen einer Medienrecherche die aktuelle Situation des Unternehmens geprüft. Das Ergebnis der Recherchen führt zu einer Empfehlung, abschließend entschieden wird dann vom Vorstand der Organisation. „Dieser Aufwand ist gerechtfertigt und notwendig“, so Stolzenburg, „wir wollen im Rahmen unserer Möglichkeiten ausschließen, dass eventuell durch eine größere Spende ein noch größerer Imageschaden entsteht“. Tatsächlich kommt es auch immer wieder mal zur Ablehnung von Spenden. Dann greift Stolzenburg zum Telefon und versucht dem jeweiligen Geschäftsführer oder zuständigen CSR-Manager die Gründe zu erläutern. „In der Regel ist das Verständnis sehr groß“, erläutert Stolzenburg, „trotz Ablehnung wird die umfangreiche Prüfung von den Unternehmen dennoch begrüßt“. Besonderes Fingerspitzengefühl ist bei Inhaber geführten Unternehmen gefragt, denn dann steht oftmals persönliches Engagement hinter der Spende. Immerhin kommt der größte Teil der Unternehmensspender aus dem Mittelstand. Insgesamt wird trotzdem nur rund ein Prozent der Spenden abgelehnt. Stolzenburg: „Das hängt auch damit zusammen, dass wir unsere Prüfkriterien offen kommunizieren. Spender wissen so schon im Vorfeld, ob sie mit einer Ablehnung rechnen müssen, beispielsweise weil sie in einer unserer Ausschluss-Branchen tätig sind“.

Aktuell können sich Unternehmen im Rahmen einer Weihnachtsspende bei der Hilfsorganisation engagieren. Statt Werbegeschenke an Kunden und Geschäftspartner zu verteilen, kommunizieren sie ihre Unterstützung beispielsweise in ihren Weihnachtskarten. „Wir stellen den Unternehmen dann für ihre Kommunikationsarbeit Aktionsmaterialien wie zum Beispiel ein Weihnachtslogo, Banner oder Bild- und Textmaterial über unsere Arbeit zur Verfügung“. Im vergangenen Jahr haben sich knapp 1000 Unternehmen an der Weihnachtsaktion beteiligt. Weitere Informationen zur Aktion gibt es auf der Website von Ärzte ohne Grenzen.

 


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